Computergrafik: Programmieren statt designen
„Viele Studienanfänger glauben, dass sie bei uns Photoshop und Web-Design lernen. Sie sind oft abgeschreckt, wenn sie hören, dass es an unserem Institut um Mathematik und Programmieren geht“, sagt Michael Wimmer. Wer diese erste Hürde nimmt und sich weiter wagt, habe jedoch viel gewonnen, so der Professor am Institut für Computergrafik und Algorithmen der Technischen Universität Wien. Rund 100 Studenten entscheiden sich jährlich für das Masterstudium „Computergraphik und digitale Bildverarbeitung“. Gelehrt wird unter anderem 3D-Programmierung, Spezialeffekte und Spieleprogrammierung. Heute, Donnerstag, stellt Wimmer im Zuge der Vortragsreihe Subotron ProGames diese Ausbildung vor und erklärt Lehrplan sowie einzelne Lehrveranstaltungen.
Programmieren und rechnen statt designen
Anhand des Studienplans tut sich für Außenstehende hier die nächste Falle auf: „Wir sind keine Grafiker, wir sind Grafikprogrammierer. Das ist ein großer Unterschied“, betont Wimmer. Er zieht zum besseren Verständnis den Vergleich mit einem Auto. „Wir bauen den Motor, die Grafik-Engine. Ein Grafiker hingegen designt die Karosserie.“ Wenn es in einer der zentralen Lehrveranstaltungen darum geht, ein 3-D-Computerspiel zu programmieren, haben die Studenten daher weniger mit Software-Werkzeugen wie Maya oder 3DStudioMax zu tun, sondern mit Codezeilen und Algorithmen. „Natürlich müssen sie sich auch mit Content beschäftigen, allerdings steht dies nicht im Vordergrund“, sagt Wimmer. Der Maya-Kurs wird etwa der von einem externen Grafiker angeboten.
Der mathematische Zugang zum „Unterhaltungsmedium“ Computerspiel schreckt die Studenten keineswegs ab. Das Interesse an Spieleprogrammierung wachse Wimmer zufolge weiter an. „Früher haben wir Games in den Lehrplan aufgenommen, um die Grafikprogrammierung spielerisch beizubringen. Das hat sich über die Jahre verselbstständigt“, so der Leiter des Bereichs Echtzeitgraphik.
Ausbildung mit Licht und Schatten
Dem Wissenschaftler zufolge ist das Institut bei Rendering international vorne dabei. Viele wichtige Algorithmen zur Schatten-, Licht- und Sichtbarkeitsberechung stammen aus Wien. Diese Aspekte stellen auch ein wichtiges Element innerhalb des Lehrplans dar. Den Studenten wird gelehrt, wie man Licht und Schatten programmiert, wie man eine Grafikkarte ausnützt. Wichtig ist zudem, wie Oberflächen unterschiedlich reagieren: Es werden Modelle erarbeitet, die definieren wie etwa Samt, Metall oder Haut Licht reflektieren.
Abgänger vom Institut seien deshalb in Österreich sehr gefragt. Der Leiter der 3-D-Grafik bei Greentube war etwa Diplomand bei Wimmer. Auch mit Sproing steht man in Kontakt, hat vor einigen Jahren ein gemeinsames Forschungsprojekt zum Thema prozedurale Modellierung betrieben. Wobei Wimmer betont, dass hier der Spagat zwischen wissenschaftlicher Grundlageforschung und praxistauglicher Anwendbarkeit geschafft werden muss.
Die Ergebnisse sind aber definitiv keine Gedankenexperimente, die nur innerhalb des „Elfenbeinturms“ Bestand haben. Vieles, was aus der universitären Forschung kommt, fließt bei der Entwicklung von Spielen ein. Wimmer nennt Quake als Beispiel. „Die Technik dahinter stammt aus wissenschaftlicher Forschung. John Carmack hat auf den Erkenntnissen aufgebaut und sie für Spiele adaptiert.“
Forschung abseits von Spielen
Bei den Lehrveranstaltungen dreht sich jedoch nicht alles nur um Spiele. 3-D-Grafik heißt nicht automatisch Computerspiele. Neben Architektur ist der Bereich der Archäologie wichtig. Ausgrabungsstätten werden beispielsweise mit Laser punktgenau einscannen. Diese Milliarden von Punkten gilt es dann zu verarbeiten und darzustellen. Erst kürzlich wurde mit dem Archäologen Norbert Zimmermann von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ein Projekt in Rom umgesetzt, im Zuge dessen 15 Kilometer lange Katakomben erfasst wurden. Das Ziel: Archäologen müssen nicht mehr vor Ort sein und können stattdessen mit akkuraten Modellen auch aus der Ferne virtuell forschen.
Dass sich diese riesigen Datenmengen, deren Visualisierung über Monate andauert, problemlos für Spiele eignen, verneint Wimmer. Dies habe oft rechtliche Gründe und „die Realität ist oft zu langweilig und unspektakulär. Es hat schon einen Grund, dass Level-Design so ein wichtiger Bestandteil in der Produktion ist.“ Wenn in Zukunft solche Versuche gestartet werden, ist damit unausweichlich ein großer Aufwand verbunden. Um etwa die Katakomben in ein Spiel zu übertragen, müsste man die Daten einer langwierigen Nachbearbeitung unterziehen.
Zukünftige Arbeitsfelder und Trends
Ein großes Thema ist Wimmer zufolge aktuell die indirekte Beleuchtung: „Jedes Objekt gibt das auftreffende Licht weiter, reflektiert es auf andere Objekte. Dies gilt es zu berechnen“, so der Forscher. Diese globale Beleuchtungstechnik spielt auch in einem anderen Sektor, der für Wimmer Zukunftspotenzial hat, eine große Rolle: Augmented Reality. Reale und virtuelle Objekte in punkto Licht und indirekter Beleuchtung so zu verschmelzen, dass es natürlich aussieht, sei eine Herausforderung.
Die aktuell sehr beliebten Browser- und Mobile Games mit ihrer simplen Grafik tun Wimmers Augen übrigens nicht weh. „Es weckt nostalgische Gefühle und kann auch ein Stilelement sein“. Natürlich sind die Games in Sachen Grafikprogrammierung keine Herausforderung, für ihn eine Fingerübung, aber: „Manche Spiele sind schon fast zu realistisch, da ist ein abstrakterer Zugang durchaus gut.“
Assoc. Prof. Michael Wimmer, Leiter des Bereichs Echtzeitgraphik am Institut für Computergraphik und Algorithmen der TU Wien, spricht heute, Donnerstag, um 19 Uhr im Zuge der Vortragsreihe Subotron ProGames im Wiener MuseumsQuartier (Raum D) über das Masterstudiums “Computergraphik und digitale Bildverarbeitung”. In diesem werden Studenten im Bereich Computergraphik ausgebildet.
Die Veranstaltung wird von der Wirtschaftskammer unterstützt und widmet sich wöchentlich der heimischen Spiele-Branche.