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Digitale Fabrik: Spielplatz für Fachkräfte der Zukunft

Die Industrie steht im Zuge der voranschreitenden Vernetzung und Digitalisierung vor einer Revolution, die gemeinhin als “Industrie 4.0” bekannt ist. An der FH Technikum können die Studenten das jetzt unter realistischen Bedingungen erproben. Partner aus der Industrie haben verschiedenste Fertigungsgeräte im Wert von rund einer Million Euro zur Verfügung gestellt, um die digitale Fabrik auszustatten. “Wir müssen lernen, verschiedenste Systeme unterschiedlicher Hersteller so zu verbinden, dass ein homogenes Ganzes entsteht. Das ist gerade für mittelständische Unternehmen, die keine neuen Fabriken auf die grüne Wiesen stellen können, entscheidend”, sagt Erich Markl, Projektleiter der digitalen Fabrik, bei der Eröffnungspressekonferenz. Neben Bildungsaufgaben sollen auch Angestellte der Partnerfirmen aus- und weitergebildet und Lösungen für Probleme aus den Betrieben erarbeitet werden.

Digitale Fabrik
Neben der tatsächlichen Produktionshalle hat die digitale Fabrik mit dem Simulationslabor noch eine zweite wichtige Komponente. Hier gibt es eine Software-Kopie der gesamten Anlage, an der sämtliche Prozesse abgebildet und virtuell ausprobiert werden können. Die Studenten entwickeln auch selbst neue Komponenten für die Anlage. Die “Robotinos” von Festo, die den Transport der Werkstücke von einem Arbeitsschritt zum nächsten übernehmen, wurden mitsamt ihrer Ladestationen an der FH weiterentwickelt. Das Produkt, das tatsächlich gefertigt wird, ist in der digitalen Fabrik nebensächlich. Für den Anfang werden Achslagerblöcke hergestellt. “”Es geht uns primär um den Ablauf”, sagt Markl. In Zukunft werden auch andere, aufwändigere Teile hergestellt. “Wir befinden uns jetzt in der ersten von drei Ausbaustufen. Wir werden beispielsweise auch noch CNC-Fräsen in die Fabrik integrieren”, sagt der Projektleiter.

Neues Know-how

Eröffnungspressekonferenz, v. l .n. r.: Lothar Roitner, Kurt Hofstädter, Rainer Stetter, Erich Markl
Ziel der Fabrik soll es vor allem sein, die Industrieanlagen der Zukunft schon heute für Forschung, Ausbildung und Industriepartner zugänglich zu machen. “Es geht um die Volldigitalisierung der Produktionssysteme. Für uns ist diese ‘Industrie 4.0’ mehr als nur ein Schlagwort. Wir bilden die Fachkräfte für diese Zukunft aus. Damit wollen wir der österreichischen und europäischen Industrie helfen, die Chance zu nutzen, hier eine Führungsrolle einzunehmen”, sagt Lothar Roitner, Leiter der FH Technikum Wien. Die Anforderungen an Industrie-4.0-Fachkräfte unterscheiden sich von den Profilen heutiger Spezialisten. “Anlagentechnik und IT werden in Zukunft zusammenwachsen. Österreich hat hier eine gute Ausgangssituation, durch den hohen Industrialisierungsgrad, qualifizierte Arbeitskräfte und gute Betriebe. Wir haben die Chance, den Wettbewerb von den Kosten auf Technologie und neue Produkte zu verlagern”, sagt Roitner. So sollen in Österreich 40.000 neue Jobs entstehen.

Das Potenzial haben auch andere Länder erkannt. In Deutschland wird ebenfalls mit Hochdruck an der Modernisierung der Industrie gearbeitet. “Die Reindustrialisierung ist ein großes Thema, derzeit etwa bei der Messe in Hanover. Österreich muss hier investieren, um konkurrenzfähig zu bleiben, was ‘Time to Market’, Komplexität der Produkte, Qualität und Energieeffizienz angeht”, sagt Kurt Hofstädter von Siemens. Einzelne heimische Unternehmen sind bereits auf einem guten Weg und gehören durch innovative Digitalisierung zur Weltspitze in ihren Nischen.

Suche nach "blöden Ideen"

Digitale Fabrik
Bei vielen Betrieben gibt es allerdings noch Nachholbedarf. “Heute hängt die Mechanik an der Software, nicht umgekehrt. Das hat sich in vielen Köpfen noch nicht durchgesetzt”, sagt Rainer Stetter von der ITQ GmbH in München. Um das zu ändern, sollen in der digitalen Fabrik auch Seminare für Führungskräfte abgehalten werden. Das Labor soll eine Spielwiese für neue und kreative Ideen werden. “Unsere Industrie braucht Innovation. Das heißt, dass schnell völlig neue Ansätze entstehen müssen. Das geht nur mit ‘blöden Ideen’. Da reicht es, wenn eine aus 3000 aufgeht, um einen völlig neuen Markt aufzumachen. An der FH haben wir den optimalen Ort, um Dinge auszuprobieren”, sagt Stetter. Industriezweige, die versuchen, die Umwälzungen zu ignorieren, werden schnell ins Hintertreffen geraten. “Das sieht derzeit die deutsche Autoindustrie. Wenn ein Konkurrent aus den USA ein Auto baut, dem 85 Prozent der klassischen Autoteile fehlen und ich mich mit meinem hochmotorisierten Auto trotzdem vor einem Beschleunigungsrennen an der Ampel fürchten muss, werden kleine Verbesserungen nicht ausreichen”, sagt Stetter.
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Markus Keßler

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