Forscher lösen 13 Milliarden Jahre altes Rätsel
Wie haben sich Sterne überhaupt gebildet? Der Antwort auf diese Frage sind Forschende des Max-Planck-Instituts für Kernphysik auf den Grund gegangen. In einem Experiment, wie Molekülreaktionen die Entstehung der ersten Sterne beeinflusst haben könnten.
Das erste Molekül, also mehratomiges Teilchen, des Universums war das Heliumhydrid-Ion. Es entsteht, wenn ein Heliumatom mit einem Wasserstoffkern (also einem einzelnen Proton) reagiert. Das passierte rund 380.000 Jahre nach dem Urknall, der sich vor 13,8 Milliarden Jahren zugetragen hatte. Zuvor war es zu heiß, dass neutrale Atome wie Helium existieren konnten. Es gab nur Atomkerne und frei umherfliegende Elektronen.
Erst 2019 nachgewiesen
Dass Heliumhydrid wirklich im Weltall existiert, konnte erst 2019 nachgewiesen werden. Mithilfe des Flugzeug-Observatoriums SOFIA wurde es 2019 von Forschern des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie im Nebel "NGC 7027" (siehe Titelbild) nachgewiesen.
Wie die Forscher des Max-Planck-Instituts für Kernphysik nun herausfanden, war Heliumhydrid ausschlaggebend dafür, dass sich die ersten Sterne bilden konnten. Denn es bildet sozusagen den Ausgangsstoff von molekularem Wasserstoff (H2), dem häufigsten Molekül im Weltraum, und somit weiteren Molekülen.
Was ist ein Ion?
Ein Ion ist ein elektrisch geladenes Atom oder Molekül. Es entsteht, wenn ein Atom oder Molekül mehr Elektronen aufnimmt (dann ist es negativ geladen) oder abgibt (dann ist es positiv geladen). Ein "neutrales" Molekül hat keine elektrische Ladung, es hat gleich viele positive Protonen im Kern wie negative Elektroden in der Hülle.
Bis sich die ersten Sterne bilden konnten, mussten allerdings noch mehrere 100 Millionen Jahre vergehen. Im "Dunklen Zeitalter" des Universums gab es lediglich Gaswolken, jedoch keine Lichtquellen. Damit sich diese Gaswolken zu einem Protostern verdichten konnten, in dem eine Kernfusion ablaufen konnte, mussten diese Wolken abkühlen.
Heliumhydrid kühlte Gaswolken ab
Das geschah durch Kollisionen zwischen Atomen und Molekülen, bei denen Energie in Form von Photonen (Lichtteilchen) abgestrahlt wurde. Bei Temperaturen von unter 10.000 Grad Celsius wird dieser Prozess allerdings sehr ineffizient - besonders für die zahlenmäßig überwiegenden Wasserstoffatome. Sie treffen sich dann nicht mehr so häufig für Kollisionen.
Durch Rotation und Schwingung kann allerdings zusätzlich Energie abgestrahlt werden. Hier erweist sich das Heliumhydrid-Ion als besonders effektiv. Kollidiert das Heliumhydrid-Ion zusätzlich mit freien Wasserstoffatomen, bildet sich wieder ein neutrales Heliumatom sowie ein positives Wasserstoffmolekül (H2). Letzteres kann mit einem weiteren Wasserstoffatom (H) zu einem neutralen H2-Molekül und einem Proton reagieren. Das Wasserstoffion entreißt dem Wasserstoffatom quasi sein Elektron, wobei nur der Kern (ein einzelnes Proton) übrig bleibt.
Reaktion auch bei großer Kälte
Am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg wurde diese Reaktion nun zum ersten Mal unter ähnlichen Bedingungen wie im frühen Universum rekonstruiert. Die Forscher untersuchten dabei die Reaktion von Heliumhydrid mit einem Deuterium, also einem "schweren" Wasserstoffatom mit einem zusätzlichem Neutron im Kern. Deuterium reagiert chemisch allerdings gleich wie normaler Wasserstoff und es entstand wie erwartet ein neutrales Heliumatom sowie in diesem Fall ein positives Deuterium-Ion.
Heliumhydrid reagiert mit Deterium.
© MPIK; W. B. Latter (SIRTF Science Center/Caltech) and NASA
Dabei erlebten die Forscher allerdings eine Überraschung. Die Reaktionsrate nahm mit sinkender Temperatur nicht wie gedacht ab, sondern blieb nahezu konstant. „Bisherige Theorien sagten einen signifikanten Abfall der Reaktionswahrscheinlichkeit bei niedrigen Temperaturen voraus, diesen konnten wir aber weder im Experiment noch in neuen theoretischen Rechnungen unserer Kollegen und Kolleginnen nachweisen“, erläutert Dr. Holger Kreckel in einer Aussendung.
Heliumhydrid wichtiger, als gedacht
„Die Reaktionen von Heliumhydrid-Ionen mit neutralem Wasserstoff und Deuterium scheinen daher für die Chemie im frühen Universum weitaus wichtiger gewesen zu sein als bisher angenommen“, führt Kreckel weiter aus. Heliumhydrid könnte dafür verantwortlich gewesen sein, dass sich die Gaswolken abkühlen konnten und es große Mengen an Wasserstoff gab, um die ersten Sterne zu bilden.