Science

Im Forschungstempel von Huawei in Shanghai

Dicht gedrängt sitzen fünf chinesische Mitarbeiter im Forschungs- und Entwicklungslabor des Smartphone- und Technologiekonzerns Huawei in der Metropole Shanghai. Die Luft in dem kleinen Raum ist abgestanden, das Atmen fällt schwer. Es riecht ein wenig nach Plastik. Die Mitarbeiter sind vertieft in ihre Analysen.

Hinter einer Glaswand ist eine Maschine mit Greifarmen aufgebaut. Dort werden Smartphones eingeklemmt, um die Strahlungsbelastung an Puppen zu testen. Es gibt klare Grenzwerte, die nicht überschritten werden dürfen. In dem Labor wird gemessen und analysiert, ob diese auch eingehalten werden. Im Nebenraum sind es vor allem Maschinen, die ihre Arbeit erledigen. Ein ständiges „klick, klick“ ist zu hören. Die neuen Smartphones werden dort, bevor sie in Massenproduktion gehen, auf Herz und Nieren geprüft. Die am Gerät verbauten Knöpfe und Verschlüsse werden insgesamt 20.000 Mal mit kleinen Pieksern und Stößen malträtiert, um Abnutzungserscheinungen festzustellen.
In einem Glaskasten nebenan fliegen die Smartphones aus 0,7 Meter Höhe auf den Boden. Das ist üblicherweise die Höhe, aus der Geräte aus der Hosentasche fallen. So wird überprüft, ob die Displays dieser Belastung stand halten. Bei dem Test zerbricht kein einziges Display. Die Testgeräte, die noch nicht am Markt erhältlich sind, haben aber sehr wohl zahlreiche Kratzer. Die Untersuchungen sollen dafür sorgen, dass kein Smartphone auf den Markt kommt, das gewissen Standardbelastungen, die einfach durch die Nutzung der Geräte entsteht, standhalten.

Drahtlos-Tests

In einem anderen Teil des Gebäudes wird in fix verschlossenen, kleinen Containern die Drahtlos-Konnektivität der Geräte getestet. Schließlich muss auch gewährleistet sein, dass WLAN, LTE, 3G und 4G überall auf der Welt gleichermaßen funktionieren. Besonders stolz sind die Forschungsleiter auf ihre Server von Cisco und Maschinen von Siemens. An den Arbeitsplätzen der Mitarbeiter kommen hingegen Lenovo-PCs mit Windows XP zum Einsatz. Huawei-Mitarbeiterin Lizzie Wangying erzählt, dass sie sich schon oft im Gebäude verirrt hat, so groß ist es.

Huawei Shanghai
Das Forschungslabor von Huawei in Shanghai ist seit 2010 im modernen Pudong District in Jinquiao angesiedelt. Dort wurde ein gigantischer Technologiepark errichtet, in dem 8000 Mitarbeiter beschäftigt sind. Das Gebäude ist großteils aus Glas und wurde von der Architektur-Firma Skidmore, Owings und Merrill (SOM) entworfen, die auch das Time Warner Center in New York City gestaltet hat.

Fünf Milliarden US-Dollar steckt das chinesische Unternehmen, das mittlerweile auch in Europa für seine hochwertig verarbeiteten Smartphones wie die Premium-Modelle P8 oder Mate S bekannt ist, jährlich in Forschung. Neben dem R&D-Zentrum in Shanghai gibt es noch 15 weitere, auch außerhalb Chinas, wie Kevin Ho, Präsident der Produktlinie von Huawei, vor Ort erzählt.

Smartphone-Innovationen

Gefragt nach den drei größten Entwicklungen und Innovationen, die uns bei Smartphones bevorstehen, sagt Ho: „Das sind einerseits immer kleiner und leistungsstärker werdende Chipsätze, flexible Displays und Kameras.“ Die Entwicklung gehe etwa von 16-Nanometer-Chips bis zu Chipsätzen mit sieben-Nanometer-Technologie.

Auch die zweite Kamera werde bei Smartphones immer wichtiger, so Ho. Smartphone-Kameras würden generell immer leistungsfähiger und besser werden, wie der auf Consumer Electronics spezialisierte Experte erzählt. „In zwei Jahren werden auch professionelle Fotografen nur noch Smartphones zum Fotografieren verwenden.“

Neue Bedienung

Auch die Force Touch-Technik soll nächstes Jahr in mehreren Huawei-Smartphones zum Einsatz kommen. Bisher war dies nur bei der 128 GB-Version des Mate S der Fall. „Nächstes Jahr wird es definitiv mehr Produkte mit Force Touch geben“, sagt Ho. Mit Force Touch (Huawei) bzw. 3D Touch (Apple) werden neue Maßstäbe in Sachen Smartphone-Bedienung gesetzt. Statt einfachem zweidimensionalen Eingaben erkennt das Smartphone damit unterschiedliche Druckstufen. Laut Huawei soll das Force Touch-Display im Mate S Druckstärken zwischen einem und vier Newton wahrnehmen.

Beim Betriebssystem will der Smartphone-Hersteller weiterhin auf Android setzen, das Betriebssystem allerdings mit eigenen Modifikationen optimieren, wie es Ho nennt. „Wir bleiben aber fix bei Android“, so Ho. Das von Google entwickelte offene Betriebssystem Android ist auch der Grundstein für die Zusammenarbeit mit Google. „Der US-Markt ist für uns aufgrund der Dominanz von Apple sehr schwierig. Wir sehen unsere Zusammenarbeit mit Google daher als Start“, erklärt Ho.

Mehr Shops in Europa

Der europäische Markt dagegen sei Huawei „sehr wichtig“. In Spanien und Italien liegt der Marktanteil bei Premium-Smartphones bereits bei rund zehn Prozent. Solch ein Ergebnis will man auch in anderen, europäischen Ländern schaffen. Geplant ist dazu unter anderem, die Shops, die es derzeit in rund 30 europäischen Städten gibt, weiter auszubauen.

Auch in Shanghai hat Huawei einen eigenen Shop in der teuersten Einkaufsstraße der Metropole, vergleichbar mit der Kärntner Straße in Wien. Dieser Shop ist allerdings, gemessen an der Größe der Stadt, relativ klein. Auch in China muss sich Huawei gegen den Marktführer Apple, der nur wenige Meter entfernt ebenfalls einen Shop hat, behaupten. Das ist auch das derzeit größte Ziel von Huawei: Apple-User davon überzeugen, dass Huawei qualitativ hochwertige Produkte herstellt – mit dem Einsatz von westlicher Technologie und der Einhaltung von westlichen Standards.
Ein Jahr und drei Monate dauert die Entwicklung eines neuen Smartphones bei Huawei im Schnitt, erzählt Huawei-Präsident Ho. Ähnlich wie Apple setzt auch Huawei dabei künftig nur noch auf wenige, ausgewählte Modelle und Geräte im Premium-Segment. Im Forschungslabor in Shanghai wird unterdessen eines der neuen Smartphones in künstlichen Hosentaschen hin- und hergewälzt – die neuen Modelle müssen am Ende schließlich auch perfekt sitzen.

Disclaimer: Der Besuch des R&D-Zentrums in Shanghai erfolgte auf Einladung von Huawei.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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