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Künstliche Proteine versprechen neue Chemie

Anna Peacock erforscht an der Universität Birmingham künstliche Proteine. Das hat bereits dazu geführt, dass ein besseres Kontrastmittel für Magnetresonanztomographie gefunden wurde, das allerdings noch nicht am Patienten verwendet werden kann. Das Potenzial ist aber weitaus größer. Proteine übernehmen in der Biochemie sehr viele Aufgaben, unter anderem fungieren sie als Katalysatoren, die bestimmte Reaktionen überhaupt erst ermöglichen. Durch nach Wunsch gefertigte Proteine könnte die Tür zu völlig neuen chemischen Verfahren geöffnet werden. Die futurezone hat Anna Peacock interviewt.

Metallion mit spiralförmigen künstlichen Proteinen
futurezone: Wie werden künstliche Proteine erschaffen?
Anna Peacock:
Proteine sind große Peptide, also lange Ketten aus Aminosäuren. Es gibt 20 gängige Aminosäuren aus denen wir uns nach dem Baukastenprinzip bedienen können. Wichtig ist, dass sich die künstlichen Proteine wie in der Natur zu einer geordneten 3D-Struktur falten. Derzeit spezialisieren wir uns auf Sequenzen, die sich zu sogenannten Helices formen, ähnlich der Spiralenstruktur der DNA, die sich wiederum umeinander wickeln. Wir arbeiten mit Festphasen-Synthese. Dabei werden die Aminosäuren chemisch in der korrekten Reihenfolge auf einer kleinen Polymerkugel zusammengehängt.

Wie beeinflusst die Form eines Proteins seine Funktion?
Proteine sind Polymere, die sich zu klar definierten dreidimensionalen Strukturen ordnen. Das ist extrem wichtig für ihre Funktion, da alle Aminosäurebausteine verschiedene Eigenschaften haben. Die Struktur des Proteins legt fest, wo diese funktionalen Gruppen im Raum zu liegen kommen und damit auch, wie sie für den Rest des Systems präsentiert werden. Das kann etwa wichtig sein, um Wege für bestimmte Chemikalien zu schaffen, die so den aktiven Bereich eines Metalloproteins erreichen können.

Welche Arten von künstlichen Proteinen haben Sie bisher erschaffen?
Rund ein Drittel der natürlich vorkommenden Proteine enthält Metallionen, die essentiell für ihre Funktion ist. Wir konzentrieren uns auf die Einbindung solcher Metallionen in künstliche Proteingerüste. Vor allem die Aussicht, Metallionen, die keine Funktion in der Biologie aber attraktive chemische Eigenschaften haben, in die Proteine einzubringen, ist faszinierend. Zuletzt haben wir eine Serie von Proteinen mit Lanthanoiden hergestellt.

Wie verbindet sich ein Metallion mit den Proteinen?
Einige von den Aminosäuren aus unserer Palette sind funktional, das heißt sie haben von Haus aus die Fähigkeit sich an Metallionen zu binden. So können wir an der gewünschten Stelle eine Metallionen-Bindungsstelle in unser Proteingerüst einbauen.

Welche Metalle sind gute Kandidaten für weitere Experimente?
Ein Großteil der Metalle des Periodensystems kommt in der Natur nicht in Proteinen vor. Das Ziel ist, so viele wie möglich zu untersuchen. In der Vergangenheit haben wir schon mit Gold, Cadmium, Quecksilber, Arsen und Blei gearbeitet, der Fokus liegt derzeit auf den Lanthanoiden.

Wie stabil sind synthetische Proteine und unter welchen Bedingungen könnten sie eingesetzt werden?
Sie können sehr stabil konstruiert werden , so dass sie leicht Temperaturen von bis zu 100 Grad Celsius aushalten. Eine andere Möglichkeit ist, sie so zu bauen, dass sie bestimmte Lösungsmittel aushalten. Im Prinzip hängt alles vom Design ab.

Was sind einige der aufregendsten Anwendungen, die bislang entdeckt wurden?
Wahrscheinlich der Einsatz von Gadolinium-Proteinen als Magnetresonanztomografiekontrastmittel (MRT-Kontrastmittel) in der medizinischen Diagnostik. Ein Praxiseinsatz liegt zwar noch in weiter Ferne, aber wir legen derzeit die Fundamente. Bevor wir einen Einsatz an lebenden Organismen aber auch nur andenken, müssen noch viele Hindernisse überwunden werden.

Können künstliche Proteine ähnlich vielseitig werden, wie ihre biologischen Gegenstücke?
Die Natur zu kopieren kann nicht unser Ziel sein. Die ist nämlich ziemlich gut, in dem was sie tut. Stattdessen haben wir die aufregende Chance, Systeme zu entwickeln, die Funktionen übernehmen, die in der Biologie nicht existieren. Das MRT-Kontrastmittel ist ein Beispiel und hoffentlich nur die Spitze des Eisbergs.

Welche Arten von chemischen Reaktionen könnten durch synthetische Proteine katalysiert werden?
Längerfristig kann wohl jede Reaktion, die wir heute chemisch mit kleinen Molekülen katalysieren mit synthetischen Proteinen bewältigt werden. Die Biokatalyse hat einige Vorteile: Sie funktioniert auch bei milden Bedingungen und erlaubt eine weitaus bessere Kontrolle der Reaktionen und ihrer Ergebnisse.

Könnte der Prozess zur Proteinerzeugung im industriellen Maßstab durchgeführt werden?
Obwohl wir bislang eher in kleinen Strukturen arbeiten, sehe ich nicht, weshalb die Synthese der Peptide nicht hochskaliert werden könnte. Dann würden wir aber keine chemische Methode wählen, sondern die Biologie kapern und sie den Job erledigen lassen.

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Markus Keßler

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