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"Nutzer machen andere Dinge, als man von ihnen erwartet"

Beim Austrian Innovation Forum in Wien wurden am Donnerstag neue gemeinschaftliche Innovationsmodelle erörtert. Zu Gast war auch Anton Plimon, Geschäftsführer des Austrian Institute of Technology (AIT). Mit der futurezone sprach er über offene Innovationsprozesse.

KURIER: Welche Voraussetzungen braucht es, um innovativ zu sein?Anton Plimon: Innovation findet nicht im Elfenbeinturm statt. Man muss sich dafür interessieren, was draußen passiert. Es braucht gut funktionierende Universitäten, auf denen die Leute auch mit Forschung in Berührung kommen. Innovatoren müssen die Möglichkeit haben, Technologie und Systeme zu verstehen. Dazu müssen sie darauf zugreifen und damit spielen können. Das ist die Voraussetzung, um überhaupt Ideen zu haben.

Offene Innovationsprozesse nehmen in Wirtschaft und Forschung einen zunehmend breiten Raum ein. Warum? Dazu haben sicherlich neue Kommunikationstechnologien beigetragen. Heute geht es darum, möglichst schnell Erfahrungen zu sammeln, und zu sehen, was Nutzer aus Produkten machen. Das ist ein offener Prozess. Nutzer machen üblicherweise ganz andere Dinge, als man von ihnen erwartet.

Zum Beispiel? Es gibt das Beispiel eines digitalen Assistenten, der für den Assisted-Living-Bereich konzipiert wurde und ältere Leute in Heimen unterstützen sollte. Und wissen Sie was die älteren Leute mit ihm gemacht haben? Sie haben begonnen, mit ihm zu streiten. Niemand würde einen Avatar entwerfen, damit er mit älteren Leuten streitet. Aus solchen offenen Prozessen ergeben sich aber bestimmte Eigenschaften eines Produktes, die nicht geplant waren, aber dennoch Bedürfnisse erfüllen. Das entsteht in der schnellen Welt des Probierens mehr oder weniger von selbst.

Das AIT arbeitet mit vielen Universitäten und Forschungseinrichtungen zusammen. Wie haben sich die Prozesse in den vergangenen Jahren verändert? Alles was wir heute tun, ist in große Systeme eingebettet. Wir müssen die Systeme der Zukunft antizipieren und auch verstehen, welche Produkte und Lösungen darin funktionieren werden.

Wie könnte ein solches System aussehen? Ein IT-basiertes Healthcare-System verlangt beispielsweise nach völlig anderen Produkten. Wir haben schon vor einigen Jahren die Forschungsrichtung Speicheldiagnostik ins Leben gerufen. Dabei werden aus Speichel jene Informationen gezogen, die man üblicherweise aus Blut zieht. Es ist ein ganz anderer Workflow dahinter als bei der Blutabnahme. Aus solchen Systemänderungen entsteht der Bedarf nach völlig neuen Technologiefeldern.

Das AIT hat vor kurzem gemeinsam mit der TU Wien den neuen Bereich "komplexe dynamische Systeme" geschaffen. Mit welchen Fragestellungen beschäftigen Sie sich dabei? Wir beschäftigen uns mit autonomen und unterstützenden Systeme. Wir haben traditionell eine große Stärke in der Bildverarbeitung. Wir brauchen aber auch Technologien, mit denen die einzelnen Elemente zu einer Gesamtlösung verbunden werden können. Wie komme ich vom Sensor zur Entscheidung und wie komme ich von der Entscheidung zur Aktion? Das ist die Frage bei all diesen Geschichten.

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Können Sie ein konkretes Anwendungsbeispiel nennen?Nehmen wir Fahrassistenzsysteme. Der Mensch ist beim Autofahren stark auf das Auge konzentriert. In der maschinellen Welt ist man aber noch sehr weit von der kognitiven Fähigkeit, die hinter dem Sensor Auge steht, entfernt. Solche Systeme sind aber nicht auf optische Sensoren beschränkt und können auch Infrarotsysteme, Radar, Laser oder Schall benutzen. Es ist auch überhaupt nicht notwendig, dass ein System, das Entscheidungen trifft, auch physisch mit den Sensoren verbunden ist. Das ist nur beim Menschen so, weil er mit Blut versorgt werden muss. Uns geht es darum das Prinzip richtig zu verstehen.

Was folgt daraus? In autonomen Systemen kann man Dinge entkoppelt machen. Wir müssen kein physisch miteinander verbundenes System schaffen, in dem es Drähte und Kabel gibt, die Sensoren mit dem Zentralsystem verbinden. Warum soll ich nicht auch mit den Sensoren eines anderen Autos oder mit Kameras, die an einer Kreuzung montiert sind, sehen können? Ich kann Intelligenz in der Cloud und auch in den Sensoren ablegen. Solche Konzepte richtig zu entwerfen, ist ein großes Thema.

In welchen Bereichen sehen Sie noch Potenzial für innovative Entwicklungen? Wir beschäftigen uns jetzt mit einer Reihe von Themen und Technologien, bei denen wir bisher eher Mitspieler als Treiber waren. Eine dieser Technologien ist die Blockchain, die man von der Digitalwährung Bitcoin kennt und die Mittelsmänner in jeder Form von Transaktion überflüssig macht. Sie kann in vielen Bereichen zur Anwendung kommen. Etwa im Energie- , im Sicherheits- oder im Mobilitätsbereich. Wir beschäftigen uns mit der Technologie, aber auch mit der Frage, zu welchen Umwälzungen es in Ökosystemen kommt, wenn sie zur Anwendung kommt.

Disclaimer: Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und dem Austrian Innovation Forum entstanden.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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