Sensor-Stift erleichtert Kindern das Schreiben
Der Mensch besitzt unter den Säugetieren eine besonders ausgeprägte Feinmotorik. Bestimmte Tätigkeiten, wie den Umgang mit einem Stift, müssen Kinder aber erst lernen. Jenen Kindern, die sich etwas schwerer damit tun, einen Stift zu halten und ihn mit dem richtigen Druck einzusetzen, will die FH Campus Wien ein Hilfswerkzeug zur Verfügung stellen.
Schmerzen beim Schreiben
Beim Forschungsprojekt SensoGrip wird ein sensorbestückter Stift entwickelt, der künftig in der Ergotherapie eingesetzt werden soll. "In der Grundschule haben 60 Prozent der Kinder Schmerzen bei längerem Schreiben", erklärt Projektleiter Franz Werner, Masterstudiengangsleiter Health Assisting Engineering. "Der Großteil dieser Kinder schafft es mit der Zeit, einen Stift effizient zu halten. 5 bis 6 Prozent davon bräuchten zusätzliche Unterstützung, um dies zu erreichen." Die Stifthaltung sei einer der häufigsten Zuweisungsgründe für Ergotherapie im Kindesalter.
Der SensoGrip soll in der Ergotherapie gemeinsam mit einer App, aber auch alleine verwendet werden können. Der Stift erkennt, wie fest er auf ein Stück Papier gedrückt wird und wie die Druckverteilung auf der Grifffläche durch die Finger stattfindet. Derzeit können diese Faktoren von TherapeutInnen grob eingeschätzt werden, etwa mit Hilfe von mehreren Schichten Durchschlagspapier und Beobachtung des Kindes beim Schreiben. Der SensoGrip soll genauere Daten liefern und Kindern sofort Rückmeldungen geben.
Leuchtender Ring
Am Stift ist ein LED-Ring angebracht, der die Druckintensität mehrfarbig anzeigen kann. Mit der App können TherapeutInnen individuell einstellen, welche Schwellenwerte und Lichtsignale dabei angewendet werden. "Der Stift kann dann z.B. nur auf den Fingerdruck reagieren, er kann rot leuchten, wenn zuviel Druck ausgeübt wird, oder er kann grün leuchten, wenn die Druckintensität in einem richtigen Bereich liegt." In der App, etwa auf einem Tablet, werden die Messwerte grafisch aufbereitet und z.B. in Verlaufskurven angezeigt.
Wie sich in ersten Versuchen gezeigt hat, können Kinder mit dem visuellen Feedback leicht umgehen und ihre Stifthaltung rasch anpassen. Der Stift könnte daher in Zukunft nicht nur während Therapiesitzungen verwendet werden, sondern auch daheim.
Designentwürfe
"Die Idee eines Stiftes, der den Druck misst, klingt simpel", gibt Werner zu. Hinter der Entwicklung und Umsetzung des Werkzeugs stecke aber großer Aufwand und die Lösung hat großes Potenzial. SensoGrip wird an der FH Campus Wien interdisziplinär durchgeführt. Beteiligt sind die gesundheitswissenschaftlichen Studiengänge Health Assisting Engineering und Ergotherapie, sowie aus dem Department Technik: High Tech Manufacturing und Electronic Systems Engineering. Anfang 2020 wurde damit begonnen, eine Bedarfserhebung durchzuführen.
"Wir haben gemeinsam mit Kindern überlegt, wie solche Stifte ausschauen können", erzählt Werner. Dabei wurden verschiedene Stifte gebastelt und Designentwürfe angefertigt. Auch bei der Art der Rückmeldung wurde kreativ experimentiert. Ein Entwurf etwa sah eine Spielfigur vor, die drahtlos mit dem Stift verbunden ist und durch Klatschen oder Lachen akustisches Feedback gibt. "Licht war am Ende die Variante, die bei allen befragten Zielgruppen gut angekommen ist", sagt Werner. Der LED-Ring sei eine Lösung, mit der man den Stift u.a. auch leicht in der Schule einsetzen kann.
Volles Paket
Herausfordernd sei es gewesen, die komplette Elektronik in dem Stift unterzubringen, inklusive Sensoren, Prozessor, einen über Micro-USB aufladbaren Akku, ausreichend Platz für unterschiedliche und austauschbare Minen Bleistift- oder Fasermaler-Minen übrig zu lassen und dabei das Gesamtpaket möglichst leicht und ausbalanciert zu machen. Das Gehäuse des aktuellen Prototyps des SensoGrip wurde mit 3D-Druck hergestellt. Es ist etwas dicker und schwerer als ein normaler Kugelschreiber, sei aber nicht als Endprodukt zu verstehen.
Testphase
Der Prototyp soll in einem nächsten Schritt umfassend getestet werden. "Im Juni wird es einen Pre-Trial geben, ab August wird der Stift dann 3 Monate lang in Ergotherapie-Praxen eingesetzt." 15 Kinder, ihre TherapeutInnen und Erziehungsberechtigten sollen an dem Versuch teilnehmen. Dabei stehen für die WissenschaftlerInnen mehrere Forschungsfragen im Fokus: "Motiviert der Stift die Kinder wirklich? Können TherapeutInnen nach einer Einschulung aus der App Informationen ableiten, die ihnen helfen, den Therapieprozess zu verbessern?"
Eine der wichtigsten Fragen sei, ob sich die Grafomotorik der Kinder, also die Schreibfähigkeit, verbessert. "Hier haben wir ein spezielles Studiendesign gewählt, wo die Kinder zuerst ohne Feedback schreiben und dann ab einem gewissen Zeitpunkt den Stift in voller Funktionalität verwenden. Dann sehen wir, ob sich im Therapieverlauf eine Änderung ergibt", sagt Werner.
Produkt
Das Projekt SensoGrip ist von der Stadt Wien gefördert. Nach dem Projekt könnte aus dem Sensorstift ein reguläres Produkt werden. Die FH Campus Wien führt dazu bereits Gespräche mit einer Firma. Am Markt gebe es derzeit so gut wie nichts Vergleichbares, meint Werner.
Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und FH Campus Wien entstanden.