Science

Simulationsforscher glaubt an leichte Corona-Entspannung

Wenn die wichtigen Faktoren "Kontaktreduktion" und "Kontaktnachverfolgung" zusammenspielen, könnte es eine leichte Entspannung in Hinblick auf die Corona-Fallzahlen geben. Davon geht zumindest der Simulationsforscher Niki Popper aus. Er warnt aber auch vor dem Zeitpunkt, an dem das Tracing nicht mehr nachkommt.

"Das Testen, Tracen und Isolieren sollte einer Gesamtstrategie folgen. Bei unserer virtuellen Bevölkerung (die Forscher bilden das Verhalten der Österreicher in einer Simulation nach; Anm.) sehen wir, je schneller das Tracing erfolgt, umso länger bleibt das System stabil", so der Wissenschafter von der Technischen Universität (TU) Wien: "Eine Reduktion der Mobilität und die Verkleinerung der Freizeitcluster wirkt sich im Modell positiv aus, und diese Effekte sehen wir auch zeitverzögert in der Realität."

Das Team rund um Popper beschäftigt sich momentan u.a. damit, wie sich die in Kraft befindlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie bereits auswirken und bilden den Zusammenhang mit der Kontaktverfolgung nach. Aktuell arbeite man die Mobilitätsdaten in Österreich für die vergangene Woche in die Modelle ein. "Hier zeigt sich, dass wir bereits wieder eine gewisse Kontaktreduktion haben."

Beschränkungen

Das liegt einerseits an der Verringerung der Mobilität gegenüber dem Sommer: Diese hat sich gegenüber dem Höhepunkt der Reiseaktivität in der Ferienzeit - je nach Bemessung - wieder um rund 20 Prozent reduziert. Dazu kommen nun wieder kleinere Kopfzahlen bei Veranstaltungen im Zuge der Empfehlung der Beschränkung von Treffen auf nur zehn Personen und das weiter verstärkte Einhalten der Hygienemaßnahmen.

All das reduziert die Netzwerkaktivität im Modell mit den darin angenommenen zwischenmenschlichen Kontakten momentan um in etwa 20 bis 30 Prozent, wobei sich das für verschiedene Bevölkerungsgruppen sehr unterschiedlich darstellt. "Das wirkt sich aus. Und das ist sozusagen die gute Nachricht", sagte Popper, der die Hoffnung hegt, dass die Fallzahlen in den nächsten Wochen stabil bleiben oder etwas sinken. Die Herausforderung dabei: Im Gegensatz zum Frühling vor dem Lockdown werde bereits ein starker Gegendruck zur Ausbreitung ausgeübt. "Das Wechselspiel zwischen Kontaktreduktion, Hygiene und einem funktionierenden Testen, Tracen und Isolieren muss also funktionieren."

Darauf pochen Experten bereits seit dem Frühsommer. Nun werden in dem Zusammenhang zumindest seit kurzem in vielen Regionen mehr Ressourcen freigemacht. Passiere das nicht, und ein größerer Prozentsatz an Infizierten läuft sozusagen unbehelligt von Quarantänemaßnahmen längere Zeit mit keinen oder sehr milden Symptomen, aber hoher Viruslast durch Alltag und Nachtleben, geht die Fallkurve im Modell ab einem gewissen Punkt schnell nach oben. Das hat mit der Größe der "Mininetzwerke" und der Intensität der Verbindungen zwischen diesen zu tun, so der Forscher.

Contact Tracing

In den Modellen geht Poppers Forschungsgruppe aktuell unter optimistischen Annahmen davon aus, dass rund 70 Prozent der Kontakte im Zuge des Tracings korrekt identifiziert und rasch isoliert werden oder von sich aus zuhause bleiben. Wie in der Realität, gebe es bei dem Modell Unterschiede zwischen Haushalts-, Arbeits- oder Freizeitkontakten. Die Erfolgsquote sei hier unterschiedlich.

Senke man diesen Wert in Summe aber etwa auf um die 40 Prozent, schreite die Ausbreitung in der Simulation sehr viel schneller voran. Popper: "Die absoluten Zahlen sind hier nicht so wichtig und sicher zu diskutieren. Entscheidend ist aber, dass wir bei den Clustern im Modell sehen, wie sensibel das System hier reagiert." Um das möglichst hintan zu halten, bräuchte es vor allem eine noch besser koordinierte "bundesweite Gesamtstrategie" zum schnellen Testen und raschen Reagieren auf positive Ergebnisse: "Schnelles Reagieren reduziert auch die Zahl der Menschen im Modell, die in Quarantäne sind, und das wird im Herbst sehr wichtig sein."

Handeln an Schulen

Das gelte auch für die Verdachtsfälle an Schulen, die nach dem Geschmack der Eltern und der Politik möglichst offen gehalten werden sollen. Mit raschem Handeln könne man das voraussichtlich gewährleisten, so Poppers Einschätzung. An den nun wieder ins Wintersemester gestarteten Hochschulen selbst könne man Übertragungen vermutlich gut eindämmen. Hier seien viele Maßnahmen umgesetzt worden. Eine andere Frage ist, was die Studenten in den Hochschulstädten in ihrer Freizeit machen.

Momentan ließen sich viele Bürger aus Eigenantrieb oder etwa vor Antritt einer Reise selbst testen, dazu kommen umfangreiche Testprogramme beispielsweise in der mitunter bei weitem nicht ausgelasteten Gastronomie oder Hotellerie. Für die Forschung wäre hier bestmögliche Koordination, eine Gesamterfassung und gute Dokumentation wichtig. Man wisse etwa nicht genau, wie viele Menschen insgesamt aus welchen Gründen getestet werden. Es gebe oftmals auch wenig oder nur zeitverzögert Informationen dazu, wie viele Tests negativ ausfallen und damit, wie groß der Anteil an Positiven an allen Testungen ist - was für die Gesamteinschätzung der Situation und Prognosen wichtig wäre, betonte Popper.

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