Smart Cities: "Man sieht nicht, wie dreckig Digitales ist"
Wien hat wie viele andere Städte weltweit vor, zur Smart City zu werden. In der Smart City Wien Rahmenstrategie werden Maßnahmen bis zum Jahr 2050 definiert, um Lebensqualität, Infrastruktur und Innovationskraft für die Zukunft zu sichern. "Die Zukunft der Stadt" ist auch der Titel einer aktuellen Ausstellung des Technischen Museums Wien. Wir haben mit der Kultur- und Medienwissenschaftlerin Maren Mayer-Schwieger gesprochen. Sie hat die Smart-City-Programme Wiens und anderer Städte untersucht.
Wie definieren sich Smart Citys im Allgemeinen selbst?
Das Wort "smart" wird in den meisten Fällen sehr wolkig gebraucht. Oft wird das Wort mit intelligent gleichgesetzt, es wird aber nicht gesagt, was an einem Stadtprogramm intelligent sein sollte. Im Falle Wiens, aber auch anderer Städte, wird "smart" gerne an Schlagworte gekoppelt wie "ökologisch" und "nachhaltig". Es wird ein Bezug zu einer globalen Lage hergestellt.
Wie sieht die globale Lage aus?
Es wird beschrieben, dass man etwa am Klimawandel sieht, dass der Planet den Bach runtergeht. Im Smart City Programm wird dann der Wille geäußert, etwas zu tun, um die Lage wieder ins Lot zu bringen. Begründet wird das damit, dass Verstädterung einer der Faktoren dieser Umweltzerstörung, dieses menschgemachten Ungleichgewichts sei.
Kann man Städten als Siedlungsform wirklich die Schuld daran geben?
Nein, sicher nicht. Stadtplanung, oder die Frage, was Städte sein sollen und müssen, wird mit einem gewissen Alarmierungsgestus vorgetragen und an globale Veränderungen geknüpft. Das ist als Legitimierungsstrategie sehr dankbar, weil man kaum etwas dagegen sagen kann. Alles Globale ist groß und schwer fassbar.
Welche Strategien zur Rettung der Umwelt hat die Smart City Wien?
In Wien und in anderen Smart Citys wird oft Technik benutzt, um energieeffizienter zu agieren. Beispiele dafür sind der Ausbau von Solarenergie oder Trinkwasserkraftwerken. In Wien wird da auf die Hochquellwasserleitung zurückgegriffen. Die bietet sich auch an, um für Wien die Erzählung aufzumachen, dass man immer schon sehr ökologisch bewusst gewesen ist.
Welche Rolle spielen Apps?
Eine große. Da gibt es etwa Apps, die mit dem Versprechen einhergehen, dass das Leben und der Alltag des Einzelnen effektiver gestaltet wird, etwa Verkehrs-Apps oder der "Smart Citizen Assistant", der Bewohnern der Seestadt Aspern den eigenen Energieverbrauch vor Augen führt. Das legt natürlich ein sparsames Verhalten nahe.
Sollte nachhaltiges Verhalten nicht gefördert werden?
Da steht die Nachhaltigkeit gar nicht im Vordergrund, sondern der Entwurf eines bestimmten Lebensstils. Das Verhalten der Bewohner wird damit sanft gesteuert, ein bestimmtes Energieverhalten programmiert. Das ist eine Art des indirekten Regierens. In Zeiten der Smart City ist das noch indirekter geworden. Der Einzelne wird weniger durch Verbote, sondern durch indirekte Beeinflussung gelenkt. Der Smart Citizen wird angehalten, seinen Stromverbrauch selber zu überwachen und selber daraus die Konsequenzen zu ziehen.
In Smart Cities wird doch oft Partizipation hoch gehalten. Soll der Bürger nicht auch verstärkt sein eigenes Schicksal in die Hand nehmen?
Natürlich geht es auch im Rahmenprogramm von Wien sehr viel um Partizipation. Aber wenn man hinterfragt, wie Partizipation aussieht, wird damit vor allem die Benutzung von bestimmten Geräten und die Produktion von Daten angesprochen. Bewohner werden selten als Bürger, als politische Subjekte beschrieben, sondern oft als "User" oder "Stakeholder". Da wird eher eine ökonomische Größe angesprochen.
Gehört es also zur Smart City, dass Bewohner gleichgeschaltet werden?
Nein. Es kann ja total sinnvoll sein, sich neue Formen des Zusammenlebens auszudenken, Carsharing zum Beispiel. Partizipation sollte in einer Smart City aber auch so funktionieren, dass Leute selber Vorschläge machen können. Man muss sinnvolle Formen der Interaktion schaffen und darauf eingehen, was Leute tatsächlich brauchen. Da ist es etwa ganz wichtig, dass die Möglichkeit von Foren geschaffen wird, und keine Implementierung von Technologien von oben stattfindet.
Smart-City-Initiativen werden oft von Technologiekonzernen gefördert. Lassen sich Regierungen allzu bereitwillig für deren Zwecke einspannen?
Man sollte sich genau ansehen, wer woran partizipiert, und wer die tatsächlichen Stakeholder von Smart-City-Projekten sind. Wo geht es darum, was Stadtbewohner selbst möchten und was kommt eher bestimmten Unternehmen zugute. Oder wo wird auf bestimmte Technologien zurückgegriffen, obwohl das nicht unbedingt angebracht wäre.
Könnte mehr Technologie einer Smart City denn schaden?
Das Spannende am Digitalen ist, dass man nicht sieht, wie dreckig es oft ist. Es werden dabei Materialien verbraucht, es finden CO2-Emissionen statt, seltene Erden werden abgebaut, nur findet das halt in einem ganz anderen Teil der Welt statt.