Science

"Vielleicht haben wir in 100 Jahren einen Warp-Antrieb"

An der Technischen Universität Dresden lotet der Österreicher Martin Tajmar neue Möglichkeiten aus, Raumfahrzeuge anzutreiben. Mit heutiger Technik ist die Menschheit auf die Erkundung des eigenen Sonnensystems beschränkt. Das wird auch noch eine Weile so bleiben. Längerfristig kann sich Tajmar aber Technologie vorstellen, mit der zumindest unsere nächsten Nachbarsterne erkundet werden könnte. Sollte es uns gelingen, einen Warp-Antrieb zu entwerfen, könnte vielleicht sogar die als unüberwindbare Grenze geltende Lichtgeschwindigkeit übertroffen werden. Die futurezone hat den Physiker interviewt.

Welche Fortschritte erwarten Sie in der Antriebstechnik für Raumfahrzeuge?
Für chemische Antriebe, wie sie heute verwendet werden, sehe ich in den nächsten 50 Jahren hauptsächlich Verbesserungen in der Wiederverwertbarkeit.

Martin Tajmar
Was kann aus heutigen chemischen Antrieben noch herausgeholt werden?
Die Schubkraft hängt von der Masse und der Geschwindigkeit des ausgestoßenen Treibstoffs ab. Bei chemischen Triebwerken ist die Geschwindigkeit durch die Temperatur in der Brennstoffkammer limitiert. Zudem sollen die verwendeten Treibstoffe nicht umweltschädlich sein – deshalb wird es vorerst bei Sauerstoff und Wasserstoff bleiben. Derzeit arbeitet man an neuen Speichermöglichkeiten, etwa durch vergelte Treibstoffe, und neuen grünen Treibstoffen, die Effizienz der chemischen Antriebe wird auf absehbare Zeit dadurch aber nicht wesentlich verbessert.

Welche alternativen Konzepte sind vielversprechend?
Derzeit schon verfügbar sind etwa Ionentriebwerke. Das sind aber keine Hauptantriebe sondern Sie werden für die Lage- und Bahnregelung eingesetzt. Diese Antriebe sind sehr treibstoffsparend, haben aber eine geringe Schubkraft. Für Missionen, bei denen der Zeitfaktor nicht zu kritisch ist, spielt das aber keine Rolle.

Welche Möglichkeiten haben wir mit aktueller Technik noch?
Thermonukleare Systeme verwenden einen Reaktor, der mit Wasserstoff gekühlt wird. Das Gas wird dadurch beschleunigt und sorgt über eine Düse für Schub. Damit kann man ähnliche Schubkräfte wie chemische Triebwerke erzeugen – aber mit doppelter Effizienz. Es wäre denkbar sogar damit ein Einstufen-Raumschiff zu bauen, das in den Orbit fliegt, wieder landet und nur aufgetankt werden muss. Wegen Sicherheitsbedenken gehen aktuelle Konzepte aber davon aus, so ein Triebwerk ausschließlich im Orbit zu betreiben. Ein nuklearelektrischer Antrieb ist ein Ionentriebwerk, das seine elektrische Energie von einem Kernreaktor bezieht. Das wäre nochmals viel effizienter, aber die Schubkräfte wären wiederum geringer, das heißt das eignet sich eher für wissenschaftliche Missionen oder um viel Nutzlast zum Beispiel zum Mars zu bringen.

Wird an solchen Systemen bereits gearbeitet?
Momentan wird auf nuklearelektrische Systeme gesetzt. Die Beteiligten wollen eine möglichst hohe Effizienz und kleine Reaktoren. Anscheinend fehlt die Notwendigkeit, Systeme für bemannte Flüge zu entwickeln, komplett. Bisher hat ja auch noch kein Präsident einen bemannten Marsflug angekündigt, so wie es Kennedy mit dem Mond getan hat.

Was ist mit abwegigeren Konzepten, etwa dem Surfen auf einer nuklearen Explosionsschockwelle?
Das wurde mit Projekt Orion tatsächlich angedacht. Das wäre der effizienteste Antrieb, der mit verfügbarer Technik realisierbar wäre. Das Raumschiff könnte so groß wie der Kampfstern Galactica sein und die Beschleunigung würde trotzdem noch ein g erreichen.

Die bemannte Raumfahrt kann in absehbarer Zeit also nur auf thermonukleare Antriebe hoffen. Wie viel schneller könnten wir das All damit bereisen?
Thermonukleare Antriebe könnten die Reisedauer zum Mars von acht bis neun auf zwei bis drei Monate reduzieren. Jupiter wäre wohl in sechs Monaten erreichbar. Mit heutiger Technik dauert der Trip wegen der vielen nötigen Swingby-Manöver oft Jahre. Mit stärkeren Nuklearantrieben könnten wir direkt hinfliegen.

Alles was außerhalb unseres Sonnensystems liegt, bleibt also unerreichbar.
Alpha Centauri ist 4,3 Lichtjahre entfernt. Wenn wir es in 50 Jahren hin und retour schaffen wollen, bräuchten wir selbst mit dem Atombombenantrieb des Orionprojekts Treibstoffmengen, die der Sonnenmasse entsprechen. Mit riesigen Sonnensegeln, einem anderen Antriebskonzept, würde die Reise hingegen Jahrtausende dauern. Die einzige Möglichkeit wäre ein Antrieb ohne Treibstoff. Da kennen wir heute nur Strahlungsdruck, aber ein Megawatt-Laser erzeugt nur Schub im Millinewtonbereich.

Wie sieht es mit Konzepten für die übernächste Antriebsgeneration aus?
Wir könnten Treibstoff eliminieren, wenn wir Masse manipulieren könnten. Ein Beispiel: Wenn eine Masse zyklisch verändert werden kann, kann sie im leichteren Zustand in eine Richtung und im schwereren in die andere bewegt werden. Dabei bleibt ein Nettoimpuls in eine Richtung bestehen, der das Raumschiff antreiben könnte.

Das Ändern von Masse übersteigt unsere Möglichkeiten.
Jede Masse ist über die Gravitation mit dem Rest des Universums verbunden. Die Arbeit gegen diese Verbindungen kennen wir als Trägheit. Die Gravitation wirkt aber nicht unmittelbar, sondern mit Lichtgeschwindigkeit. Wenn ich eine Masse sehr schnell bewege, ändert sich ihre Trägheit und damit die Masse, weil die Gravitation zu langsam ist. Professor James Woodward von der California State University in Fullerton hat gemessen, dass bei zyklischer Änderung einer Masse auf diese Art ein Nettoimpuls übrigbleibt.

Verstößt das nicht gegen grundlegende physikalische Gesetze?
Wir glauben immer, der Impulserhaltungssatz werde durch solche Konzepte verletzt. Der gilt allerdings nur, wenn die beteiligten Massen konstant bleiben. Für einen Regentropfen, der im Flug verdampft, gilt das einfache Gesetz von Aktion-Reaktion nicht, da er Masse homogen ohne eine ausgezeichnete Richtung verliert. Genauso wäre es mit Antrieben, die auf Massenveränderung basieren, dort würde nur der Energieerhaltungssatz gelten.

Was könnte noch funktionieren?
Ein weiterer Kandidat wäre der EM-Drive, bei dem Strahlung in einen speziellen Trichter eingeleitet wird und in einer Richtung ein Nettostrahlungsdruck entsteht. Ich habe eine entsprechende Apparatur gebaut und einen Effekt gemessen, konnte aber noch nicht alle Fehlerquellen im Versuchsaufbau ausschließen.

Was wäre der bestmögliche Antrieb, den wir uns heute zumindest theoretisch ausmalen können?
Ultimativ wäre ein Warp-Antrieb. Dazu müsste ich nicht nur Masse verändern, sondern sogar negative Masse erzeugen. Wenn eine positive und eine negative Masse gepaart werden und eine Kraft zwischen Ihnen angelegt wird, würden sie sich von selbst beschleunigen. Die positive Masse wird von der negativen angezogen, die negative aber abgestoßen. Ein solches System würde sich selbst beschleunigen.

Gibt es irgendwelche Ansätze, die in diese Richtung gehen?
Ein Experiment, das in diese Richtung geht, wurde vor zwei Jahren in Nature Physics mit Photonen demonstriert. Das Max Planck Institut für die Physik des Lichts in Nürnberg-Erlangen hat ein System aus Lichtstrahlen so manipuliert, dass sie sich selbst beschleunigt haben, eine Art optischer Warpantrieb. Das geht in die richtige Richtung.

Gibt es andere Experimente, die auf Materie mit negativer Masse schließen lassen?
In einem Experiment wurde zum Beispiel gezeigt, dass Neutronen die Eigenschaft einer effektiv negativen trägen Masse besitzen können, durch die sie dann im Gravitationsfeld aufwärts fliegen. Es ist natürlich noch ein großer Schritt von einzelnen Teilchen hin zu realen großen Massen. Grundsätzlich halte ich es für möglich, vielleicht haben wir in 100 Jahren einen Warpantrieb.

Wie könnte die Masse von Materie verändert werden?
Ich habe da einige Ideen. Zum Beispiel mit starken elektrostatischen Feldern könnte man versuchen negative elektrostatische Energie in „negative Masse“ umzuwandeln, entsprechend E=mc².

Halten Sie die Lichtgeschwindigkeit für eine unüberwindbare Grenze?
Laut unseren derzeitigen physikalischen Gesetzen ist die Lichtgeschwindigkeit (C) natürlich die absolute Grenze – alles andere ist pure Spekulation. Wenn es allerdings einmal wirklich einen Warp-Antrieb gibt sollten wir das testen - früher galt auch die Schallmauer als unüberwindbare Grenze.

Selbst mit Lichtgeschwindigkeit können wir nicht weit über unser Sonnensystem hinausgehen, weil die Entfernungen einfach zu groß sind.
Wir versuchen, uns C zu nähern. Dann könnten wir vielleicht 20 umliegende Sterne erkunden. Aber die Zeit verginge daheim auf der Erde schneller, bei unserer Rückkehr wäre keiner mehr am Leben, dem wir davon erzählen könnten.

Also bleibt der Großteil des Universums für den Menschen unerreichbar?
Die einzige Lösung wäre ein Wurmloch, wie im Film Interstellar. Aber dahinter steht ein großes Fragezeichen. Es ist weder bekannt, ob es Wurmlöcher gibt, noch ob man sie durchqueren kann. Sie könnten auch nur mathematische Artefakte sein.

Werde ich noch erleben, dass die Menschheit zu anderen Sternen aufbricht?
Wenn wir das mit der Masseänderung hinbekommen und das Konzept hochzüchten können, ist das nicht ausgeschlossen. Ich arbeite jedenfalls intensiv daran. Mein Ziel ist es zu erleben, dass wir die erste interstellare Sonde losschicken. Ich bin jetzt 41, das ist mein Ziel bis zur Pension!

Klicken Sie hier für die Newsletteranmeldung

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Markus Keßler

mehr lesen