Wenn Jungforscher die Welt verbessern
„Viele Menschen können ihre Lebensmittel nicht gekühlt aufbewahren. Deshalb verrotten sie viel zu schnell. Das wollten wir verhindern und haben einen günstigen Solar-Kühlschrank entwickelt", sagt Nour Maraqa aus Jordanien. Gemeinsam mit ihrem Schulkollegen Fawazi Almitwalli ist sie 10.000 Kilometer gereist, um ihre Erfindung auf der Intel Science and Engineering Fair (ISEF) der Weltöffentlichkeit zu präsentieren. Die Veranstaltung, die seit 1950 ausgetragen wird und deren Patronanz der Chip-Hersteller 1997 übernommen hat, ist Schülern aus aller Welt jährlich Bühne, um neueste Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung zu präsentieren. Jedes teilnehmende Land entsendet ein oder mehrere Projekte, die zu Hause nationale Forschungswettbewerbe gewonnen haben. Einmal pro Jahr treten die Schüler auf der ISEF gegeneinander an.
Olympiade der weltbesten Nachwuchsforscher
„Hier finden sich die Besten der Besten, die schlauesten Schüler aus der ganzen Welt. Viele der Projekte haben das Niveau von Doktorarbeiten. Für ein Viertel wurden bereits Patentanträge eingereicht", sagt Wendy Hawkins von Intel. Die studierte Psychologien und Sprachwissenschaftlerin ist seit mehr als einer Dekade für die ISEF zuständig. Gute Forscher sind laut Hawkins eine begrenzte Ressource, weshalb man nie genug in Hirnschmalz investieren kann. Durch Wettbewerbe wie ISEF soll nicht nur für Schüler und Lehrer ein Anreiz geschaffen werden, sondern die Projekte des Nachwuchses auch einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt werden. Denn: „Mit Wissenschaft und Forschung kann man Probleme lösen und die Welt verbessern."
Experimentieren anstatt auswendig lernen
Hawkins betont, dass Wettbewerbe das aktive Forschen unterstützen. Anstatt Formeln auswendig zu lernen, soll man das Wissen in der Praxis kreativ anwenden. Dadurch entwickeln Schüler eine Begeisterung für naturwissenschaftliche Gebiete. Seit dem Beginn der ISEF gingen aus den Teilnehmern sieben Nobelpreisträger hervor, viele halten Patente oder haben Firmen gegründet. Amy Chayao, die 15-jährige Gewinnerin aus dem Jahr 2010, beispielsweise konnte ihre Entdeckung einer neuen Lichtherapie gegen Krebs in der Praxis umsetzen. Ihre Forschung kommt in mehreren US-Krankenhäusern im Einsatz. Auch den Hauptpreis-Gewinnern 2012 dürften in den nächsten Jahren wichtige Beiträge zuzutrauen sein. Vor allem der 15-jährige Amerikaner Jack Thomas Andraka sorgte mit seiner Arbeit „A Novel Paper Sensor for the Detection of Pancreatic Cancer" für Aufsehen.
Preise für Schüler aus aller Welt
Er bildet dabei die Speerspitze jener 1500 Schüler, die heuer aus 68 Ländern nach Pittsburgh reisten, um eine Woche lang ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse zu demonstrieren. Eingeteilt in 17 Kategorien wie Computerwissenschaft, Chemie, Mathematik, Medizin, Biologie, Umwelt oder Sozialwissenschaft tauschten sie sich mit Gleichgesinnten aus und versuchten die hochkarätige Jury aus Professoren, Nobelpreisträgern und Branchenexperten von ihrem Projekt zu überzeugen. Ingesamt ging es dabei um über drei Millionen US-Dollar Preisgeld, das in Form von Prämien und Stipendien vergeben wurde. Der Hauptpreis, der an Andraka ging, ist ein Stipendium für eine US-Uni in der Höhe von 75.000 US-Dollar, der zweite und dritte bekommen Stipendien im Wert von jeweils 50.000 Dollar. Siegerprojekte innerhalb der einzelnen Kategorien erhalten zwischen 500 und 3000 Dollar. Zudem gibt es Preise von weiteren Unterstützern wie etwa der NASA, der US Armee oder der Navy.
Show auf engstem Raum
In einer riesigen Halle hatte jeder auf vier Quadratmetern Raum, um sich aufmerksam zu machen und aus der Masse herauszustechen. Auf einer Kartonwand waren Formeln zu bestaunen, Diagramme zu entziffern und Konzepte zu lesen. Während manche sehr zurückhaltend und schüchtern ihr Projekt Interessierten vorstellten, lieferten andere eine leidenschaftliche Show ab. Zwei US-Amerikaner verpackten ihre Forschungserkenntnisse sogar in einen Rap-Song.
Mit einer Lawinen-Drohne auf Platz Drei
Aus Österreich nahmen dieses Jahr zwei Schüler aus der HTBLA Perg aus Oberösterreich teil. Patrick Neulinger und Patrick Marksteiner gewannen 2011 beim Österreichischen Bewerb Jugend Innovativ mit einer Drohne, die bei der Suche nach verschütteten Lawinenopfern helfen soll. Schon seit der zweiten Klasse arbeiteten die zwei an unterschiedlichen Projekten zusammen. Die Wochenenden in ihrem Maturajahr widmeten sie ihrer Avio-Drohne, für die sie bei vielen heimischen Bewerben ausgezeichnet wurden. Nun wurde ihr Engagement bei der ISEF mit dem 3. Platz in der Kategorie „Computer Science" sowie einem Preisgeld von 1000 Dollar ausgezeichnet. „Mit einem Preis haben wir bei der großen Konkurrenz nicht gerechnet. Wir hatten zwar nach den Gesprächen mit den Jury-Mitglieder ein gutes Gefühl. Trotzdem war es eine große Überraschung", sagt Neulinger. Für die beiden war es eine Ehre überhaupt teilnehmen zu dürfen. „Es ist eine wichtige Erfahrung. Man lernt, sich auf einen Wettbewerb vorzubereiten, sich zu präsentieren. Von Experten beurteilt zu werden, ist ein Erlebnis, das viele Schüler in dem Alter nicht bekommen", sagt Marksteiner.
Drohne bekommt weitere Funktionen
Gemeinsam mit ihrem Lehrer Dietmar Wokatsch stellten sie die Drohne auf der Messe vor. „Das Interesse war groß, auch Vertreter von der US Armee und der Navy kamen vorbei und stellten detaillierte Fragen", sagt Marksteiner. In Gesprächen mit anderen Forschern diskutierten sie ihre Arbeit und bekamen wertvolle Tipps und Verbesserungsvorschläge. Diese werden nun an jene Schüler weitergegeben, die das Avio-Projekt weiterbetreuen. Denn sowohl Neulinger als auch Marksteiner fangen im Herbst mit dem Studium der Wirtschaftsinformatik an der Universität Mannheim an.
Von persönlichen Erlebnissen inspiriert
Was nicht nur bei den Österreichern zu beobachten war: Fast alle Teilnehmer wählten Probleme aus ihrer unmittelbaren Umgebung. So wie die zwei Schüler aus Jordanien mit ihrem Solar-Kühlschrank ist die Inspiration für ein Thema oft lokalen Ursprungs. Eine Brasilianerin zeigte, wie man Plastikflaschen-Abfall sinnvoll einsetzen kann. Ein Team aus Chile will der Wasserknappheit in den Anden mit menschlichen Haaren beikommen. Ein Australier wiederum entwickelte einen Haut-Aufkleber, der über UV-Strahlung aufklärt und vor Hautkrebs schützen soll. Generell waren viele Projekte zu Umweltschutz, zu erneuerbarer Energie und Nanotechnologie vertreten. Im Medizinsektor gab es vor allem Projekte zur Krebsforschung.
Obwohl es sich um einen internationalen Bewerb handelt, dominierten am Ende Schüler aus den USA. Auf den weiteren Plätzen fanden sich Kanada, Deutschland, Kasachstan, Rumänien und auch China. Wobei sich bei der abschließenden Gala zeigte, dass sich der US-Forschernachwuchs zu gut zwei Drittel aus Schülern mit Migrationshintergrund zusammensetzt. Die geistige Elite der kommenden Jahrzehnte wird in den USA asiatische oder indische Wurzeln haben.
Wissenschaftsnerds waren gestern
Das Klischee des männlichen Forscher-Nerds zeigte sich beim Gang durch Halle übrigens als überholt. Nicht nur, dass mit 44 Prozent der Anteil von Mädchen groß war, handelt es sich meist um "ganz normale" Teenager. Auf ihr Projekt angesprochen, erzählen viele, dass sie zu Hause über ein Problem gestolpert sind und dieses einfach lösen wollten. Ein Grund, der ebenfalls häufig zu hören war: Ein engagierte Lehrer, der die Schüler für Naturwissenschaften zu begeistern weiß.