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Wie Landwirte Treibhausgase im Boden versenken wollen

„Carbon farming“ heißt das neue Schlagwort, das in Europas Landwirtschaftsministerien und -kammern, in der EU-Kommission und an zahlreichen Universitäten derzeit heiß diskutiert wird. Denn Böden sind nach den Meeren der größte Kohlenstoffspeicher und daher für die Stabilisierung des Klimas von zentraler Bedeutung. Die größten CO2-Speicher sind die seltenen Moore.

Die Forschung konzentriert sich aber auf die normalen (Acker-)Böden und den Aufbau einer Humusschicht. Denn überall, wo der industrialisierte Ackerbau gestartet wurde, haben die Böden Humus verloren. Schätzungen gehen in Österreich von einem Verlust von der Hälfte bis zu zwei Drittel der Humusschichten aus.

„Dazu muss man wissen, dass Humus zu 58 Prozent aus Kohlenstoff besteht“, erklärt Gerald Dunst. Er ist der Projektleiter der Arbeitsgruppe Landwirtschaft im steirischen Kaindorf, die vor 13 Jahren begonnen hat, umzudenken. Seine Vision könnte größer kaum sein: „Das ganze überschüssige CO2 in unserer Atmosphäre hat in den Böden Platz“, erklärt Dunst. „Und das können wir nicht nur machen, wir müssen es machen, um unser Klima wieder zu stabilisieren.“

Großes Echo

Das Projekt des Humusaufbaus hat inzwischen ein großes Echo. Die Kaindorfer haben sich unlängst erst wieder mit Interessenten aus Irland, Norwegen, Spanien, Frankreich, Deutschland, Holland und Nigeria getroffen, die an der Umsetzung des Humus-Aufbauprogramms in ihren Ländern sehr interessiert sind. Und Dunst hat zahlreiche Forscher für sein Projekt gewinnen können.

Ein Ziviltechniker analysiert regelmäßig die Böden, wissenschaftlich begleitet wird sein Projekt von Forschern des Austrian Institute of Technology, von Mikrobiologen der TU Graz, enge Kooperationen gibt es auch mit der Uni Halle und natürlich mit der Wiener Universität für Bodenkultur (Boku).

Dort, am Institut für Nutzpflanzenwissenschaften, forscht Gernot Bodner. „Die Idee von Humus-Aufbauprogrammen setzt sich langsam durch, auch weil der Klimawandel, die Trockenheit oder die Starkregenereignisse immer mehr in die Wahrnehmung  der Landwirte rücken“, erzählt der Forscher, der sich als Bindeglied zwischen Landwirten und der Wissenschaft sieht.

Humusaufbau

Worum geht es konkret, was ist das Geheimnis des Humusaufbau? Bodner erklärt: „Der Boden ist eine Mischung aus organischen und mineralischen Teilen. Der organische Teil ist Humus. Der Humusgehalt im Ackerland ist  deutlich niedriger als auf Wiesen und Wäldern, einfach, weil auf einem Acker nicht immer etwas wächst. Zwischen Ernte und Anbau der nächsten Frucht wird ja normalerweise nichts angebaut, und so ist auch die organische Substanz im Boden weniger geworden. Wenn man nichts hineinsteckt, kommt wenig raus.

Humusaufbau heißt im Wesentlichen, dass das Defizit ausgeglichen wird, indem man versucht die Lücke zwischen Ernte und Anbau der nächsten Kultur zu schließen – mithilfe von Zwischenfrüchten. Die Äcker werden rasch nach der Ernte wieder begrünt, durch vielfältige Artenmischung, die nur dazu dient, dem Boden organische Substanz zuzuführen. Ein immergrünes System.“

Böden werden fruchtbarer

Das interessante dabei: Die Böden werden natürlich fruchtbarer, und können mindestens so viel Ertrag abwerfen, wie beim konventionellen Anbau. „Wir können die Erträge sogar steigern“, sagt Dunst. Der Boden wird im Idealfall gar nicht mehr bearbeitet, oder nur minimal, damit der Humus ungestört wachsen kann. Und ein guter Humus kann zudem viel Wasser speichern. In Zeiten von zunehmender Trockenheit und plötzlichen Starkregenereignissen ein sehr willkommener Nebeneffekt.

Bauern können Geld verdienen

In Kaindorf können Bauern zudem Geld verdienen, wenn auf ihren Äckern nachweislich und für zumindest fünf Jahre Kohlenstoff im Boden versenkt wird. 30 Euro pro Tonne CO2 und Jahr. „Der Preis hatte sich ursprünglich daraus berechnet, wie hoch die Kosten für den Landwirt bei der Umstellung sind, es braucht ja etwa immergrünes Saatgut“, erklärt Dunst. Mittlerweile verkauft die Region sogar die CO2-Zertifikate.  

Die Klimaforscher wie Professor Gottfried Kirchengast sehen das ohnehin als wichtigen Baustein einer Klimapolitik, er will ein System, wo Bauern der international gehandelte  CO2-Preis  (derzeit liegt dieser bei 25 Euro pro Tonne)   ausbezahlt wird. Boku-Forscher Bodner ist grundsätzlich dafür, mahnt aber zu Vorsicht: „Der Kohlenstoff muss ja über Hunderte Jahre im Boden bleiben.  Wird er wieder grob umgeackert, ist alles wieder freigesetzt.“

Industrielle Kohlenstoffsenken noch in Versuchsstadien

Beim Weltklimarat gibt es eigentlich kein Szenario, um die Klimaerwärmung anzuhalten, bei der nicht einerseits kein neues CO2 aus fossilen Energieträgern in die Atmosphäre ausgestoßen wird und gleichzeitig Anstrengungen unternommen werden, den Kohlenstoff wieder aus der Atmosphäre unter die Erde zu bringen.

  • Die bekannteste Methode für solche negativen CO2-Emissionen ist da natürlich das Aufforsten. Ein Baum wandelt große Mengen Kohlenstoff durch Fotosynthese in Holz um.  Allerdings braucht es dafür viel  Zeit, mehr als wir haben, denn so ein Baum wächst ja nicht sehr schnell. Und enorme Flächen – etwa in der Größe von Indien – wären nötig.
  • Neu ist der Humusaufbau in den Böden, wie oben beschrieben.
  • Versuche laufen auch über Algendüngung in den Meeren. Die Wasserpflanzen können ebenfalls enorme Mengen Kohlenstoff aufnehmen.
  • Unter dem Begriff BECCS („Bio Energy with Carbon Capture and Sequestration“) ist gemeint, dass  Bioenergie verwendet und verbannt wird, zudem findet  eine CO2-Abscheidung  und -Speicherung statt. Konkret  wird Biomasse in Kraftwerken zu Strom und Wärme verfeuert. Das bei der Verbrennung  entstehende Kohlendioxid wird herausgefiltert und unter die Erde geleitet, etwa in leere Tiefengasspeicher. Der Vorteil ist: Die Treibhausgasbilanz solch einer Produktion ist negativ. Allerdings brauchen die Pflanzen enorme Mengen Ackerland, und die Kolhenstoff-Abscheidung benötigt sehr viel Energie.

Filtern und Verpressen

In Island findet derzeit ein anderer wissenschaftlich spannender Großversuch statt: CarbFix2 heißt ein Gemeinschaftsprojekt des Schweizer Unternehmens Climeworks, des Versorgers Reykjavik Energy und der Universität Island. Die Anlage steht auf der isländischen Hochebene Hellisheiði und ist die weltweit einzige ihrer Art. Sie filtert Kohlendioxid aus der Umgebungsluft, vermengt es mit Wasser – und pumpt das Gemisch in Hunderte Meter Tiefe. Am Ende ist das CO2 im Gestein fixiert, hoffentlich für die Ewigkeit.

Doch bisher sind die Erfolge bescheiden: Die Anlage verschlingt viel Energie, das Verfahren ist aufwendig und kostspielig. Und bisher konnten nur wenige   Tonnen Kohlendioxid unter die Erde gebracht werden. Mit der neuen Anlage erhoffen die Betreiber bis zu 3000 Tonnen  jährlich aus der Luft saugen und einlagern zu können. Allerdings ist das nur ein Bruchteil der weltweiten jährlichen CO2-Emissionen von rund 37 Milliarden Tonnen. 

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Bernhard Gaul

Geboren in Wien-Penzing, Jahrgang 1974. Einst u.a. Redakteur bei Krone.at. Seit März 2005 im Innenpolitik-Ressort des KURIER. Kernthemen Bildung und Klimapolitik. EU-Korrespondent von Februar 2009 bis April 2012 in Brüssel. Als Journalist bei den UN-Klimakonferenzen Bali (2007), Cancún (2010), Paris (2015), Katowice (2018), Madrid (2019), Glasgow (2021), Sharm el-Sheik (2022) und Dubai (2023). Verheiratet, eine Tochter. Kleingärtner, Wiener. E-Mountainbiker, Skifahrer, Snowboarder.

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