weXelerate: "So attraktiv sein, dass uns alle die Tür einrennen"
Die futurezone traf die neuen weXelerate-Geschäftsführerinnen Claudia Witzemann (46) und Gabrielle Costigan (43) zum ersten großen Interview. Ab 1. April werden die beiden offiziell ihren Dienst im Start-up-Hub antreten. Im futurezone-Gespräch verrät die neue Doppelspitze, wie sie ihren Job anlegen will, welche Chancen man im Standort Wien sieht und welche Erfahrung die beiden für die neue Aufgabe mitbringen.
futurezone: Was ist Ihr persönlicher Background und wie haben Sie zu der neuen Aufgabe bei weXelerate gefunden?
Claudia Witzemann: Ich bin eigentlich Physikerin und Mathematikerin, habe lange in der Forschung gearbeitet und war jetzt 18 Jahre in der Strategieberatung bei A.T. Kearney. Ich habe mich um große Change- und Innovationsprojekte gekümmert. Wie kann man ein großes Unternehmen von außen mit Innovationen befüllen und befruchten. Mich interessiert, wie man Menschen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Kulturen zusammenbringen kann. Zu weXelerate bin ich gekommen, weil ich gefragt wurde, ob mich das interessieren würde. Und es hat sofort mein Herz begeistert. Ich finde die Innovation und Forschungsnähe hier sehr spannend, außerdem findet man hier ein agiles Umfeld.
Gabrielle Costigan: Ich bin gebürtige Australierin und wohne nun seit zwölf Jahren in Österreich. Die letzten zehn Jahre habe ich bei der OMV als Regional Manager für den Nahen Osten gearbeitet. Davor war ich ebenfalls zehn Jahre in der Unternehmensberatung bei Accenture und habe einen technischen Hintergrund. Zu weXelerate gestoßen bin ich, weil ich schon bei der OMV sehr viel mit Innovation zu tun hatte und gesehen habe, dass das hier etwas sehr Großes wird.
Wie werden sich die Aufgaben bei weXelerate unter Ihnen beiden verteilen, Sie agieren ja als gleichwertige Doppelspitze?
Witzemann: Wir sind gleichberechtigt und haben aufgeteilte Aufgaben. Ich übernehme die Sprecherrolle, die externe Kommunikation. Gemeinsam mit Gabrielle kümmere ich mich um Business Development und ich bin dann für Sales und Marketing verantwortlich sowie intern für Recht und Finanzen.
Costigan: Ich kümmere mich eben um das Business Development, da geht es um die Akquisition bei Start-ups und Corporates, aber auch hauptsächlich den operativen Bereich. Bei mir geht es um die Durchführung der Prozesse, außerdem bin ich verantwortlich für Human Resources und die interne Kommunikation.
weXelerate gibt es grob ein Jahr, wie war Ihre Wahrnehmung vom Start-up-Hub bisher von außen?
Witzemann: Ich habe weXelerate als spannende, dynamische Umgebung aufgefasst. In meinem Umfeld sind viele, die hier drauf schauen und gespannt sind, wie sich das Projekt entwickeln wird. Aus meiner Sicht war die Wahrnehmung sehr positiv, es gab viele Stimmen, die gesagt haben, cool, dass so etwas jetzt in
Österreich kommt.
Costigan: Ich hatte immer schon den Blick aus den Corporates heraus und habe viele Programme gesehen, die Innovation versprochen, dann aber aus unterschiedlichen Gründen wieder verworfen haben. An weXelerate fand ich spannend, dass es sich nicht nur um einen Inkubator oder ein Start-up oder einen Accelerator handelt, sondern hier findet sich alles zusammen. Es ist diese einzigartige Kombination, die weXelerate für mich interessant macht.
weXelerate hatte von Anfang an den Anspruch, nicht nur auf die österreichische Szene zu schauen, sondern auch ein Tor nach Südosteuropa zu sein, internationale Start-ups an den Standort
Wien zu locken. Wie schwierig ist es, das erfolgreich umzusetzen?
Witzemann: Wie uns das mit weXelerate konkret gelingen wird, dazu ist es für uns noch zu früh etwas zu sagen. Aus meiner Sicht ist Wien aber jedenfalls ein attraktiver Standort. Das zeigt sich etwa in punkto Konferenzstadt Nummer eins. Wenn wir ein gutes Programm schnüren, werden wir da keine großen Schwierigkeiten haben. Es ist eine Frage des Angebotes. Wir wollen es so attraktiv machen, dass uns alle die Tür einrennen.
Costigan: Wien bzw. Österreich bieten eine extrem hohe Lebensqualität. Wien ist als Standort jedenfalls ein Anziehungspunkt. Wir sehen es auch, was zum Beispiel die Bewerbungen der Start-ups hier betrifft, das waren zuletzt wieder ganz schön viele. Da gibt es jedenfalls ein Potenzial.
Also ist Wien konkurrenzfähig mit Orten wie Berlin oder London?
Witzemann: Aus unserer Sicht auf jeden Fall. Natürlich wollen wir das noch weiterentwickeln und deutlich vergrößern. Mit der angesprochenen Kombination aus vielen Dingen hier bei weXelerate sehen wir uns auch als einzigartiges Angebot, das man auch skalieren kann.
Costigan: Das macht dann auch den Unterschied zu Berlin oder London, wo vieles sehr auf einzelne Bereiche fokussiert ist. Aber was wir beide noch dazubringen, ist unsere Internationalität. Claudia und ich decken mit unserer Erfahrung gemeinsam einen großen Teil der Welt ab.
Wenn man sich über Start-ups unterhält, treffen oft zwei Pole aufeinander: Die eine Seite, die beklagt, dass immer noch zu wenig und zu langsam passiert, die andere Seite, die in der ganzen Szene einen übertriebenen Hype kritisiert. Was ist Ihr Blick darauf?
Witzemann: Ich komme ja aus dem Bereich der Transformation und es ist nunmal so, dass es immer besonders schnelle und auch langsamere gibt. Beides hat seine Berechtigung. Es gibt unterschiedliche Geschwindigkeiten und die passenden Paare werden sich finden. Dafür sind wir auch da. Es gibt innovative Themen, wo es nicht schnell genug geht, etwa der Unterhaltungsbereich oder wenn wir uns Fintechs anschauen. Dann gibt es andere Bereiche, wo es zum Beispiel stark um Sicherheit geht und es eben langsamer sein muss. Diese unterschiedlichen Geschwindigkeiten, die Unternehmen brauchen, sollten wir auch hier bei weXelerate abbilden. Dass einige Start-ups schneller und agiler sein werden als vielleicht einige der Corporates ist normal und dafür ist diese Zusammenarbeit auch da.
Costigan: Da seh ich unseren Job ganz stark: Beim Brückenbauen zwischen diesen beiden Polen. Wir werden die Ungeduld der einen mit der anderen Seite auszugleichen versuchen und den Großen vielleicht auch einmal sagen: Kommt in die Gänge.
Ein dauerhaftes Problem in der Start-up- und Tech-Welt ist auch der Frauenmangel. Haben Sie sich hier besondere Ziele gesetzt?
Witzemann: Als ehemalige Physikstudentin kenne ich natürlich das Problem. Wir waren 500 Studierende, die gemeinsam angefangen haben und davon zwei Frauen. Es gibt derzeit sicher noch einen Mangel an Frauen, die in technische Berufe gehen. Umso mehr freut es mich, dass ich jetzt mit Gabrielle zusammenarbeiten kann. Ich glaube, dass hier eine Vorbildwirkung ganz wichtig ist. Wenn es Vorbilder gibt, ist es auch einfacher, sich zu identifizieren und da reicht eben nicht nur eines.
Costigan: Das Thema hat mich auch bisher schon stark begleitet. Ich begleite zum Beispiel auch mehrere Programme, die sich um Frauen mit Migrationshintergrund drehen. Wir versuchen junge Mädchen zu ermutigen, in technische Bereiche hineinzugehen. Bei weXelerate konkret besteht das Team aktuell aus 35 Prozent Frauen, noch ohne uns. Das Tolle dabei ist: Es handelt sich hier nicht nur um die sogenannten klassischen Bereiche. Denn oft wird das in großen Firmen sehr verwässert, indem Admin-Bereiche, HR, Marketing, etc. stolz eingerechnet und als Frauenanteil präsentiert werden. Bei weXelerate finden sich Frauen quer durch alle Funktionen und mit uns werden wir dann bei einem Anteil von 45 Prozent liegen.
Wie wird man bei weXelerate künftig mit Konkurrenz, wie anderen Start-up-Hubs, umgehen? Sind auch Kooperationen geplant?
Witzemann: Grundsätzlich verfolgen wir einen Open-Innovation-Ansatz. Deswegen sind wir prinzipiell offen für alles. Wir wollen skalieren, das ist klar. Grundsätzlich ist noch nichts vorgegeben, wir wollen das Thema Innovation offen nach vorne treiben.
Costigan: Es wird sicherlich Bereiche des Wettbewerbs geben, und andere, wo wir nach Zusammenarbeit suchen. Innovation geht ohnehin nur mit Kollaboration.