Digitalisierung: "Europa hat das Spiel noch nicht verloren"
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"Eine Marktkapitalisierung von 400 Milliarden Dollar, mehr als jeweils eine Milliarde Nutzer der Chatdienste WeChat und QQ, Suchmaschinen, Webbrowser und mobile Bezahldienste. Nutzer in China können ihr ganzes Leben rund um die Produkte des Internetunternehmens organisieren", sagt Ling Ge, die den chinesischen Technologieriesen Tencent in Europa repräsentiert, bei der Digitalkonferenz Darwin's Circle, die am Donnerstag in Wien stattfand.
Seine Fühler streckt Tencent längst auch in andere Länder aus. Am Elektroautobauer Telsa und dem US-Chatdienst Snapchat hält der Konzern ebenso Anteile wie am Musikdienst Spotify und an dem Spieleunternehmen Supercell ("Clash of the Clans"). Daneben ist man auch am Münchner Flugtaxi-Start-up Lilium beteiligt. Man sei laufend auf der Suche nach neuen Gelegenheiten, sagt Ge. Auch die eigenen Dienste würden mithilfe der enormen Datenmengen und künstlicher Intelligenz laufend erweitert.
"Schränken uns selbst ein"
Europa hat Tencent und auch den US-Pendants Google und Facebook wenig entgegenzusetzen. Bei Diensten für Konsumenten habe Europa das Spiel bereits verloren, sagt T-Mobile-Austria-Chef Andreas Bierwirth. Eine ähnliche Entwicklung sieht er bei der künstlichen Intelligenz. Einen Grund dafür sieht er in den strengen Datenschutzgesetzen und der Regulierung. "Wir schränken uns selbst ein. Ohne Daten kann es keine Unternehmen wie Tencent geben."
Trevor Traina, US-Botschafter in Österreich und selbst erfolgreicher Technologieunternehmer, sieht die Situation nicht ganz so dramatisch. Die Regulierung in den USA sei in vielen Bereichen nicht weniger streng als in Europa. Im Vergleich zu den USA fehle es für junge Unternehmen aber am Zugang zum Geld. Auch bürokratische Hürden würden sie behindern.
"Wir stehen erst am Anfang der digitalen Transformation", tröstet Jim Fanning von Amazon. Bei künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen würde das Beste noch kommen. "Früher hatte jeder ein Nokia-Handy und den Internet-Explorer. Heute wurden sie von anderen Produkten ersetzt", sagt der Amazon-Manager: "Selbst das stärkste Unternehmen ist nicht unbesiegbar."
Stärken
Wo aber liegen Europas Stärken? T-Mobile-Austria-Chef Bierwirth sieht vor allem in Industrieanwendungen Chancen. Jetzt gelte es bei der Digitalisierung aufzuholen: "Dann ist das Spiel noch nicht verloren." Dem stimmt auch US-Botschafter Traina zu. In der spezialisierten Produktion habe der Kontinent eine starke Basis. Der Medienexperte Jeff Jarvis sieht gerade im strengen Datenschutz in Europa eine Stärke. Niemand sei heute in einer besseren Position, um Datenschutzstandards zu setzen: "Das ist eine große Gelegenheit."
Wenn sich nichts ändere, drohe Europa zu verlieren, sagt RBI-Chef Johann Strobl. Es brauche einen Kulturwandel. Erste Ansätze dafür sieht er bereits. "Die Jungen denken bereits global."
Globale Lösungen
Bei der Digitalisierung gehe es vor allem um globale Standards, sagte Wirecard-Chef Markus Braun, dessen Unternehmen vor kurzem die Commerzbank aus dem Deutschen Aktienindex (DAX) verdrängte, bei seiner Keynote. Es gehe nicht um chinesische, amerikanische oder europäische, sondern um globale Lösungen.
Sein Unternehmen arbeite mit Google und Banken ebenso zusammen wie mit chinesischen Unternehmen. Wenn man gute Technologien entwickeln, brauche man keine Angst vor der internationalen Konkurrenz zu haben. In Europa sei der Zugang dazu aber zu defensiv: "Wir müssen lernen, die Schönheit des Fortschritts zu sehen."
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