© IFA/Wolfgang Kumm

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IFA: Elektronikbranche kämpft um Kunden

Im zweiten Halbjahr müsse die weltgrößte Messe für Unterhaltungselektronik für Wachstum sorgen, sagte der Vizepräsident des Branchenverbands ZVEI, Hans-Joachim Kamp, am Donnerstag.

Im ersten Halbjahr lief es überhaupt nicht rund: Die deutschen Verbraucher gaben privat rund drei Prozent weniger für Fernseher, Smartphones, Tablets & Co aus. Kamp prognostiziert trotzdem ein Erlösplus von 1,3 Prozent auf 28,1 Milliarden Euro fürs Gesamtjahr.

Im Jahr 2013 sieht die bunte Welt der Unterhaltungselektronik sehr recht trist aus, in ganz Europa. Die Absatzzahlen sinken, der Preisdruck ist enorm. Die letzten Hersteller von Fernsehern in Europa kämpfen ums Überleben. Auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin stemmt sich ab kommenden Freitag eine einst strahlende Branche gegen ihren Niedergang.

Absatz von TV-Geräten gesunken

Das dürfte ihr gerade in diesem Jahr schwer fallen. Im vergangenen Jahr sorgte noch Fußball-EM für eine kurze Verschnaufpause im TV-Markt. Doch heuer gibt es nichts dergleichen. Der Absatz von Fernsehgeräten ging in Deutschland dem Marktforscher GfK zufolge im ersten Halbjahr binnen Jahresfrist um ein Viertel zurück, der Umsatz sackte wegen des brutalen Preiskampfs noch etwas stärker weg. Im Segment für große Fernseher mit einer Bildschirmdiagonale über 50 Zoll fiel der Marktpreis um ein Fünftel.

"Es ist so, dass wir im Fernsehermarkt auf eine gewisse Sättigung stoßen", erklärt GfK-Experte Jürgen Boyny. In vielen Haushalten stehen bereits zwei, drei oder mehr Geräte. Viele haben bereits 3D und Internetzugang. Hinzu kommt die Übermacht der koreanischen Hersteller Samsung und LG, die der japanischen und europäischen Konkurrenz schwer zusetzen. "Es gab noch nie eine Situation, in der zwei Anbieter mehr als 50 Prozent des Marktes haben", sagt Boyny.

Digicams als Ladenhüter

Aber auch andere Segmente der Verbraucherelektronik leiden. So entwickeln sich herkömmliche Digitalkameras und Navigationssysteme zum Ladenhüter. "Es gibt die Theorie, dass die Anzahl der digitalen Geräte bereits stark zugenommen hat, die sich in ihrem Nutzen teilweise ersetzen", erklärt Acer -Europachef Oliver Ahrens. "Zweitens ist das natürlich auch eine Budget-Frage." Des Konsumenten Liebling mit begrenztem Budget sind Smartphones und Tablet-PCs. "Es ist nicht mehr so, dass der Fernseher das attraktivste Produkt ist. Tablets und Smartphones sind da interessanter", sagt Boyny.

Die beiden Produktsegmente wachsen stark und sorgen so dafür, dass der Umsatzeinbruch bei digitalen Geräten insgesamt lediglich drei Prozent beträgt. Zugleich graben sie aber zumindest teilweise anderen Waren die Käufer ab. "Man kann auf dem Notebooks Videos oder Bilder gucken, auf dem Tablet, auf dem Smartphone. Es gibt eine massive Überlappung", sagt Ahrens. Im Grund gehe es bei fast jedem Gerät mittlerweile darum, ob man damit ins Internet kann. "Das Display ist das Fenster zur Welt", meint Boyny. "Wir brauchen nur verschiedene Bildschirmklassen. Es ist natürlich etwas anderes, wenn ich mir 'Avatar' in 3D zu Hause auf dem Sofa angucken oder nur einen Blick auf den Wetterbericht werfen will. Für das Wetter reicht mir das Smartphone."

Harter Preiskampf bei Tablets

Die absatzstarken Tablet-Hersteller blicken mit Sorge auf die Preisentwicklung ihrer Produkte. In Deutschland lag der Durchschnittspreis für die flachen Computer zuletzt noch bei 339 Euro, 20 Prozent weniger als vor einem Jahr. Auf dem Weltmarkt sank er bereits auf 280 Euro. "Das ist bei Konsumentenelektronik schon fast traditionell so. Der Preiskampf reicht von Apple bis zu Medion."

Auch in anderen Segmenten seien die Anschaffungskosten für die Verbraucher in der Vergangenheit rasch gesunken, bei DVD-Geräten sei der Preisverfall vor einigen Jahren sogar schlimmer gewesen. Die Tablets seien heute noch sexy, aber bereits auf dem üblichen Weg zur Massenware. "Irgendwann wird das zu einem Produkt für Discounter und Kaffeeröster oder eine Prämie für Zeitschriftenabos oder an Tankstellen."

"Keine revolutionäre Technik"

Mit großen Innovationen kann die Funkausstellung, auf der vor 85 Jahren erstmals das Fernsehen gezeigt wurde, im Jahr 2013 nicht aufwarten. "Es gibt keine neue revolutionäre Technik", urteilt Boyny. Die Branche konzentriere sich auf Verbesserung des Bestehenden, etwa noch höhere Bildschirmauflösungen oder noch mehr Vernetzung. Allenfalls Samsung dürfte für etwas Aufsehen sorgen, wenn die Asiaten voraussichtlich ihren Multifunktionscomputer für das Handgelenk präsentieren und damit dem US-Rivalen Apple zuvorkommen. "Der Trend geht zu Vernetzung und den internetbasierten Diensten. Da wird in den kommenden Jahren noch viel passieren. Wohl vor allem bei den sogenannten Wearables, wie Smart Watches oder Datenbrillen", sagt Bitkom-Experte Michael Schidlack.

Allerdings zeichnet sich am Messehorizont bereits die Zukunft der Fernsehtechnik ab. Samsung und LG präsentieren Prototypen von sogenannten OLED-Bildschirmen. Die neuartigen Leuchtdioden versprechen für die Zukunft ultradünne, durchsichtige oder rollbare Fernseher mit hoher Auflösung und großer Farbbrillanz. Insidern zufolge will Samsung ein erstes OLED-Modell im herkömmlichen Design für 9000 Dollar Verkaufspreis vorstellen. LG experimentiert bereits mit gewölbten Bildschirmen. Gartner-Analyst Paul O'Donovan rechnet allerdings erst in etwa zehn Jahren damit, dass die OLED-Technologie richtig die Märkte bewegt.

Die Vorreiterrolle der Koreaner illustriert auch die Ohnmacht der westlichen und verschwindenden deutschen Konkurrenz. Die Gesellschaft für Unterhaltungselektronik (gfu), die die IFA traditionell ausrichtet, hat keinen Vertreter eines deutschen Unternehmens mehr in ihrem Aufsichtsrat. Kanzlerin Angela Merkel, die so oft die Messe eröffnet hat, spart sich im Wahljahr den Besuch. Nicht einmal Wirtschaftsminister Philipp Rösler will beim Auftakt als Stargast dabei sein. So muss der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit der Branche Trost spenden.

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