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Social Media

Facebook-Hetze gegen Germanwings-Piloten

Bei einer Pressekonferenz wurde am Donnerstagnachmittag der Name des Copiloten, der die Germanwings-Maschine offensichtlich mit Vorsatz zum Absturz gebracht haben soll, vor laufenden Kameras von der Staatsanwaltschaft vollständig veröffentlicht. Viele Medien übernahmen diesen Namen vollständig. Damit werden nun aber einerseits auch die Familie des Angehörigen, andererseits sämtlichen Personen, die ebenfalls so heißen wie der Copilot, dem öffentlichen Pranger ausgeliefert.

Es dauerte auch nicht lange, bis das erste Foto des Copiloten im Netz auftauchte, das ihn vor der berühmten Golden Gate Bridge in San Francisco zeigen soll. Das Foto stammte offenbar aus seinem Facebook-Profil. Was sich kurz danach auf sämtlichen Social Media-Kanälen im Internet abspielte, war nur noch eine Frage der Zeit. Die Online-Hetze gegen den Germanwings-Piloten ist voll entbrannt. Dabei sind die Ermittlungen noch gar nicht vollständig abgeschlossen und die Ursachen für sein Handeln nicht bekannt.

Eigene Facebook-Seiten

Nicht nur Medien aus aller Welt stürzen sich auf jegliche Informationen, die sie über den Copiloten herausfinden können, sondern auch der Online-Mob mischt kräftig mit. „Das ist das Monster“, ist etwa auf einer neu gegründeten Facebook-Page, die auf den vollständigen Namen des Piloten lautet, zu lesen.

„Seine Facebook Seite wurde mittlerweile von irgendjemanden, der wohl Zugriff auf sein Passwort hatte, deaktiviert? Wer wusste noch vorher, dass er vor hatte über 150 Menschen kaltblütig in den Tod zu reißen“, heißt es auf der Seite. Diese hat mittlerweile knapp 1000 Follower.

Viele Facebook-Nutzer sehen die Seite als Ventil, dort ihren Dampf abzulassen, den toten Copiloten aufs Übelste zu beschimpfen oder Verschwörungstheorien zum Flugzeugabsturz aufzustellen. Die Meldungen reichen von persönlichen Beleidigungen bis hin zu wilden Beschimpfungen. Er möge "in der Hölle verrotten" ist dabei noch eine der nettesten Formulierungen.

"Lynchwütige Masse"

Einige Meldungen weisen darauf hin, dass es nicht angebracht bzw. geschmacklos sei, eine Seite im Namen des Copiloten zu erstellen. Es ist allerdings nicht die einzige Page auf Facebook, die mit dem Namen des Copiloten ins Leben gerufen wurde. Es sprießen neue Seiten im Minutentakt aus dem Boden.

Bei den Facebook Pages finden sich aber immer häufiger Wortmeldungen wie „Ich melde eure Seite, das was ihr macht, ist das Schüren von Hass“. Bei vielen Internet-Nutzern gibt es mittlerweile ein Gespür für Grenzwertiges und Verwerfliches. "Ich weiß nicht, was mir mehr Angst macht, ein verrückter Co-Pilot oder eine zu allem bereite, lynchwütige Masse?" schreibt etwa Schriftsteller Franzobel auf seiner Facebook-Page.

Doch alles in allem ist das, was sich gerade im Netz dazu abspielt, erst der Beginn einer gigantischen Hetze, bei der vor allem die Angehörigen sowie alle, die eine Namensgleichheit mit dem Copiloten aufweisen, die Leidtragenden sein werden. Bereits in der Vergangenheit kam es zu Online-Hetzen, sei es nach dem Attentat beim Boston Marathon im April 2013 oder nach der Misshandlung eines Hundes am U-Bahn-Bahnsteig. Es ist ein Internetphänomen, das sich nur schwer kontrollieren lässt.

Stammtisch Internet

Das Internet ist für viele wie ein Stammtisch, viele Menschen verwechseln Social-Media-Kanäle aber auch einfach mit dem Wirtshaus, wo sie sich über das Ereignis austauschen können, ohne Rücksicht auf Verluste oder Konsequenzen. Äußerungen im Netz sind aber von allen einsehbar, auch die Hinterbliebenen der Verstorbenen können die Einträge lesen. Die Einträge können dabei auch zu rechtlichen Konsequenzen führen - nur dessen sind sich scheinbar noch immer nicht genug Menschen bewusst.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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