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TON-TÜFTLER

Harman: Lauschangriff im Soundlabor


Sie sitzen bequem auf einer Wohnzimmer-Couch und hören den ganzen Tag lang Musik: Soundtester zu sein, stellt man sich einfach vor. Doch in Wahrheit braucht man dafür ein exzellentes Gehör und viel Geduld. Im Hauptquartier des Audio-Spezialisten Harman in Northridge, Los Angeles, wird auf vielen Wegen nach dem besten Klang gesucht. Neben zahlreichen Wissenschaftlern gibt es dort auch eine kleine Gruppe, die zu Klangtestern ausgebildet wird. Dort müssen sie täglich in Referenzräumen Hörtests absolvieren und Boxen praktisch blind nach ihrem Klang beurteilen.

Der Hörtest der Profis hat es dabei in sich: Die Klangspezialisten müssen sechs verschiedene Frequenzbereiche auf Anhieb exakt voneinander unterscheiden können. "Unsere Klangtester analysieren, ob ein Musikstück besonders viele Höhen, Mitten oder Bässe hat", erklärt Sean Olive, Leiter der Akustik-Forschungsabteilung. Dadurch wird das Gehör intensiv geschult, selbst feine Unterschiede werden sofort wahrgenommen.

"Nicht geschulte Personen beurteilen den Klang im Vergleich zwar meist ähnlich, aber die Bewertung der Profi-Hörer erweist sich als exakter", fügt Olive, hinzu. "Profi-Hörer sind hier effektiver - und langfristig betrachtet auch billiger."

Nur der Klang der Boxen zählt

Die Hörtests sind allerdings nur das Vorprogramm. Es geht schließlich darum, die eigenen Boxen mit denen der Konkurrenz zu vergleichen. In einem schallisolierten Raum stehen insgesamt fünf Systeme versteckt hinter einer schwarzen Abdeckung, sodass die Optik - also das Gehäuse des Lautsprechers - nicht in die Bewertung mit einfließt. Jedes Produkt wird beim Test gleich laut aufgedreht. Auch die Entfernung bleibt gleich und die Reihenfolge, in der die Musikstücke abgespielt werden, erfolgt nach dem Zufallsprinzip. Die Hörer wissen nicht, welchen Lautsprecher sie gerade hören.

"Bei dieser Beurteilung müssen unsere Produkte am besten abschneiden, sonst werden sie wieder zurück ins Labor geschickt", erklärt Olive, der seit 1993 beim Unternehmen ist. Die Boxen sollen dabei möglichst neutral klingen und den Sound so wiedergeben, wie ihn der Künstler im Studio aufgenommen hat.

Doch hat nicht jeder einen unterschiedlichen Geschmack? "Musik kann einem unterschiedlich gut gefallen, aber wenn es um die Qualität des Klangs geht, haben die meisten Leute ähnliche Präferenzen", erklärt Floyd Toole, der lange Zeit die Forschungsabteilung bei Harman geleitet hat. "Jeder weiß bis zu einem gewissen Grad, was gut klingt und was nicht."

iPod-Generation mit "Schweinsohren"

"Die einzige Ausnahme hier ist die "iPod-Generation", die ganz bewusst auf guten Klang verzicht", so Toole. Im Vergleich zur Expertengruppe schneiden die jungen Hörer - vor allem Studenten - besonders schlecht ab: Sie erreichen nur etwa vier Prozent des Levels der geschulten Hörer. "Es ist deprimierend, wohin sich die Wiedergabe von Musik entwickelt hat", meint Toole.

Die Jugend verzichtet bewusst auf CD-Qualität und nimmt eine starke Komprimierung der Musik-Files in Kauf, um möglichst viele Songs auf den Musikplayer zu bekommen. Toole hofft jedoch, dass sich dieser Trend durch die sinkenden Preise beim Massenspeicher bald wieder zurück entwickelt, damit auch die iPod-Generation wieder Musik in guter Qualität genießen kann. Produktmanager Andy Wehmeyer meint dazu: "Wenn die Kids einmal hören, wie gut Musik klingen kann, wollen auch sie nicht mehr darauf verzichten."

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(Barbara Wimmer, Los Angeles)

Über Harman:

Das Unternehmen wurde 1953 von Sidney Harman gegründet. Harman entwickelt Audioprodukte für Profis und Laien, zu den bekanntesten Marken zählen JBL, harman kardon und Infinity. 1993 hat Harman das österreichische Unternehmen AKG Acoustics vor einer drohenden Insolvenz für einen symbolischen Kaufpreis von einem Schilling übernommen.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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