Das SpaceShipTwo-Projekt wird wohl eine starke Verzögerung erleben, obwohl hunderte TIcket-Besitzer bereits auf ihren Flug warten
Das SpaceShipTwo-Projekt wird wohl eine starke Verzögerung erleben, obwohl hunderte TIcket-Besitzer bereits auf ihren Flug warten
© APA/EPA/MARK GREENBERG/VIRGIN GALACTIC / HANDOUT

Raumfahrt

Reisen ins All: SpaceShipTwo-Absturz ist nicht das Ende

Die private Raumfahrtindustrie hat eine rabenschwarze Woche hinter sich. Am vergangenen Dienstag explodierte eine Antares-Rakete mit dem Raumfrachter Cygnus des Unternehmens Orbital Sciences an Bord kurz nach dem Start. Am Freitag stürzte das SpaceShip Two von Virgin Galactic bei einem Testflug ab. Bei ersterem Vorfall ging Material im Wert von über 200 Millionen Dollar in Flammen auf. Beim SpaceShip-Two-Absturz starb ein Pilot, ein zweiter Testpilot ist schwer verletzt.

Rückschlag

Die Unglücksfälle sind herbe Rückschläge für die private Raumfahrt. Dass es weitergeht, daran zweifelt aber niemand. Auch All-Touristen lassen sich durch die Abstürze nicht abschrecken. "Es ist sehr tragisch", sagt der österreichische Transportunternehmer Franz Haider, der bei Virgin Galactic für rund 160.000 Euro ein Ticket ins All erworben hat. "Dass ein Pilot gestorben ist und ein anderer verletzt wurde, macht mich traurig, aber ich halte grundsätzlich an meinem Plan fest. Wenn das Projekt weiterläuft, will ich fliegen."

Der Weltraumtourismus ist nur ein kleiner, wenngleich sehr auffälliger Teil der privaten Raumfahrt. Unternehmen wie Virgin Galactic spezialisieren sich darauf, Menschen für kurze Zeit knapp über die Grenze zum All (100 Kilometer Seehöhe) zu befördern. Rund 700 Leute, darunter Tom Hanks, Angelina Jolie und zahlreiche weitere Hollywood-Stars, haben wie Haider bereits Flüge gebucht.

Verankert

Privatunternehmen sind fest im milliardenschweren Raumfahrtgeschäft verankert. Vor allem seit dem Ende des Space-Shuttle-Programms der NASA vergibt die US-Weltraumagentur zahlreich Aufträge an die aufstrebende Industrie. Gerade bei neuen Entwicklungen sind Fehler aber an der Tagesordnung – selbst in der Raumfahrt, die für akribische Planung bekannt ist.

"Durch diese Phase müssen alle durch", meint Andy Aldrin. Der Raketenexperte und Sohn von Raumfahrer-Legende "Buzz" Aldrin (zweiter Mann am Mond) war in der Vorwoche zu Gast beim Pioneers Festival in Wien.

"Raumfahrt ist hart. Raketenstarts sind hart. Jedes Mal, wenn man etwas an einem Vehikel verändert, geht man ein Risiko ein. Daraus ergibt sich eine relativ langsame Einführung neuer Technologien im Raketenbau." Aldrin erwartet sich eine äußerst genaue Untersuchung der Vorfälle: "In dieser Branche muss man Kunden vermitteln, dass man die Gründe für den Fehler genau versteht." Bei der Entwicklung neuer Raumfahrttechnologien spiele die Routine eine wichtige Rolle. Eine typische Lernkurve beinhalte eben auch Rückschläge.

Triebkraft

Im Weltraum sehen viele Unternehmer ein riesiges Potenzial. Einige Firmen setzen auf die Konstruktion von Satelliten oder den Frachttransport in den Erdorbit. Es geht aber auch anders: Planetary Ressources will etwa Bergbau auf Asteroiden betreiben oder sogar Asteroiden einfangen.

Das private Projekt Mars One will sogar eine bemannte Mars-Kolonie errichten. Siedler sollen den Nachbarplaneten dauerhaft besiedeln und dabei live von TV-Kameras verfolgt werden. Finanziert werden soll der Plan durch den Verkauf von Übertragungslizenzen sowie Sponsoring. Die Idee konnte über 200.000 All-Enthusiasten überzeugen, sich als Raumfahrer-Kandidaten zu bewerben.

Einer davon ist der Wiener Physiker Christopher Vasko. Für ihn sind die jüngsten Ereignisse kein Grund, seine Bewerbung zu überdenken: "Raumfahrt ist und bleibt schwierig und gefährlich, die beiden Abstürze werden nicht die letzten Unfälle bleiben. An meiner Motivation hat das nichts geändert."

Anlässlich des Pioneers Festival gastierte vergangene Woche Andy Aldrin in Wien. Der Raketenexperte und Raumfahrt-Unternehmer ist mit der Raumfahrt groß geworden. Sein Vater Buzz Aldrin betrat am 21. Juli 1969 als zweiter Mensch nach Neil Armstrong den Mond. Die futurezone interviewte Aldrin nur wenige Stunden nach der Zerstörung des Raumfrachters Cygnus.

Herr Aldrin, Sie haben jahrelang für die Raketenhersteller Boeing und United Launch Alliance gearbeitet und haben einigen Einblick in die Raketentechnik. Was sagen Sie zum Absturz des Raumfrachters Cygnus?
Andy Aldrin:
Ich habe tieferen Einblick in die Raketentechnik, ich habe das Absturzvideo auch einige Male gesehen, aber ich weiß nicht, was bei diesem spezifischen Start passiert ist. Raumfahrt ist hart. Raketenstarts sind hart. Wenn es einen Fehlschlag gibt, dann untersucht man alle möglichen Fehlermöglichkeiten. Das ist ein intensiver Prozess, bei dem man eine Fehlerquelle nach der anderen ausschließt, bis eine kleine Sammlung an möglichen Begründungen übrig bleibt, und am Ende die Wurzel des Unglücks. Ich bin sicher, Orbital Sciences wird das sehr gründlich machen - und sie werden keinerlei Informationen darüber preisgeben, bis sie sich ganz sicher sind. Dann aber werden sie damit an die Öffentlichkeit gehen, weil man Kunden in der Start-Industrie vermitteln muss, dass man die Gründe für den Fehler genau versteht.

Haben Sie während Ihrer Zeit bei ULA und Boeing jemals selbst so eine Untersuchung durchführen müssen?
Ich habe glücklicherweise niemals selbst einen Start-Misserfolg erlebt. Wir erlebten jahrelang keinen Fehlschlag. Das ist absolut bemerkenswert. Wenn man in die Geschichte der US-Start-Industrie zurückblickt - und in Europa wird es ähnlich sein: Wenn neue Vehikel entworfen werden, absolvieren sie ihre ersten paar Starts, dann kommt es zu einem Fehler, dann behebt man die, hat ein paar weitere Starts, weitere Fehler. Das ist eine Erfolgskurve, in deren Verlauf man immer mehr Starts durchführt. Bei United Launch Alliance hatten wir hunderte Starts ohne Fehler. Der letzte Fehler geschah irgendwann in den späten 90er-Jahren. Das ist eine bemerkenswerte Leistung, aber es ist hart. Das ist auch der Grund dafür, warum ein Start so viel kostet.

Denken Sie, dass jedes neue Raumfahrtunternehmen diese Phase durchmachen muss?
Ja, durch diese Phase müssen alle durch. Jedes Mal, wenn man etwas an einem Vehikel verändert, geht man ein Risiko ein. Daraus ergibt sich eine relativ langsame Einführung neuer Technologien im Raketenbau. Denn am Ende des Tages geht es nur um eines: Die erfolgreiche Lieferung einer Fracht ins All für einen Kunden.

Jetzt, wo Sie in der privaten Raumfahrtindustrie arbeiten, erleben Sie da dieselben Anfangsprobleme bei der Entwicklung neuer Vehikel?
Ja, natürlich erleben wir die, aber wir fliegen ja noch nicht mal. Aber wir haben auch eine sehr andersartige Entwicklungsphilosophie als ein traditionelles Luft- und Raumfahrtunternehmen. Dieses würde zuerst ein Raumschiff planen, dann bauen und dann fliegen. Wir bei Moon Express testen dagegen von Anfang an einzelne Komponenten und bauen das endgültige Raumschiff schichtweise auf.

Ihr Raumschiff MX-1 soll ein Allroundgerät sein, das Satelliten transportieren und bis zum Mond fliegen soll. Wann wird es erstmals ins All abheben?
2016. Wir haben bereits einige Kunden.

Die US-Verkehrssicherheitsbehörde NTSB untersucht den Absturz von SpaceShip-Two, der einen einen Testpiloten das Leben gekostet hat. Erste Vermutungen, dass ein neues Treibstoffgemisch eine Explosion in 13 Kilometern Flughöhe auslöste, haben sich nicht bewahrheitet.

Auf den Aufnahmen der Kameras, die für den Testflug im Cockpit installiert wurden, ist zu sehen, dass ein Pilot einen Entriegelungshebel zu früh betätigt hat. Laut der NTSB werden die Untersuchungen noch Monate dauern. Man könne nicht ausschließen, das dies der einzige Grund für den Unfall sei.

Noch am Sonntag hat der Milliardär Richard Branson verkündet, dass sein Unternehmen Virgin Galactic weiter an SpaceShipTwo arbeiten werde.

Ergebnisse abwarten

Für Niki Lauda kommt diese Aussage zu früh: "Priorität sollte sein herauszufinden, was passiert ist. Ich hätte aus Respekt vor dem verunglückten und dem verletzten Piloten abgewartet, was bei der Untersuchung rauskommt, bevor man sagt, dass es weitergeht."

Die im Internet kursierende Theorie, dass den Piloten die Schuld zugeschoben wird, um einen technischen Defekt zu vertuschen, ist für ihn unglaubwürdig: "Die NTSB weiß was sie tut, man sollte bei solchen Unglücken keine Theorien aufstellen, die nicht stimmen."

Entgegen andere Medienberichten hat Lauda kein Ticket für einen Weltraumflug. Branson habe ihm zwar ein paar Jahren eine Kooperation angeboten "aber nach meiner Zusage hat er sich nicht mehr gemeldet", sagt Lauda.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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