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Als vor ein paar Tagen der Nasa-Astronaut Eugene Cernan im Alter von 82 Jahren starb, hat es den letzten Menschen hingerafft, der auf dem Mond war. Aber hätten Sie sich erinnert? An irgendeinen der Astronauten einer Mondlandung, die Neil Armstrong und der ersten Mondlandung nachfolgten?
In den Fünfzigerjahren hatte der Himmel sich in ein technisch lösbares Problem verwandelt. Er hieß nun Weltraum und hatte sich aus der duftigen Sphäre der Religion zu einem handfesten politischen Interesse verdichtet. Im Oktober 1957 setzten die Russen Sputnik I in eine Erdumlaufbahn aus, den ersten künstlichen Himmelskörper.
Raketen mit Schwarzpulver-Eigenmischung
In den Sechzigerjahren fühlte man sich als kleiner Bub ganz selbstverständlich mit aufgerufen, an der Eroberung des Weltraums teilzunehmen. Ich habe, mit einer Schwarzpulver-Eigenmischung betrieben, natürlich auch selbst Raketen gebaut. Der zentrale Ort der Weltraumerstürmung aber wurde Cape Canaveral.
Wernher von Braun soll eine Geschichte von Arthur C. Clarke benutzt haben, um Präsident Kennedy von der Notwendigkeit der bemannten Raumfahrt und von Flügen zum Mond zu überzeugen. Die Illustratoren populärer Magazine wie „Colliers” oder „Popular Mechanics” und Wunderwelten-Profis wie Walt Disney entwarfen grandiose Bilder von Raumstationen und Reisen durchs All. Sie entzündeten die Fantasien einer zukunftshungrigen Generation. Alle waren verliebt in die großartige Technik.
Bald nachdem im Fernsehen mit dem Raumkreuzer Orion VII die erste Raumpatrouille gestartet war, hatte das US-Raumfahrtprogramm mit Griffen in den antiken Götterhimmel - Mercury, Gemini, Apollo - das der Sowjets überflügelt. Machtpolitischer Nebel verstellte die Sicht auf Zwangsarbeiter in Peenemünde und die Anfänge der Raketentechnologie im Deutschland des 2. Weltkriegs. Am 24. Juli 1950 wurde der Weltraumbahnhof auf Cape Canaveral mit dem Start der ersten mehrstufigen Rakete, einer ausgebauten V2-Rakete namens „Bumper 8”, eingeweiht.
Die Einflugschneise ins Erwachsenwerden
Wir Kinder bauten aus Draht und Isolierband die Strahlenwaffen der Orion-Crew nach und laserten einander damit von den Juniorfahrrädern. Wenn die Raumpatrouille flog oder ein Lift-off von Cape Kennedy anlag (das später wieder in Cape Canaveral rückbenannt wurde), galt eine Ausnahmeregelung entgegen der sonst strikt dosierten elterlichen Fernseherlaubnis. So waren die Raketenstarts für mich zugleich auch die Einflugschneise hinauf ins Erwachsenwerden: Fernsehen, stundenlang, während eine mächtige Saturn-V-Rakete im Startturm wartete, Kältewolken von den Tankwänden wehten und Professor Heinz Haber im Studio technische Hintergründe erläuterte.
Verflogener Zauber
Die erste Mondlandung sah ich in einem Landgasthaus in Hirschegg auf der Pack. Die nachfolgenden Mondlandemissionen, mit denen die Siebzigerjahre begannen, waren langweilig und grau wie der Mond.
Als die Ära der Space Shuttles begann, war der Zauber bereits verflogen, mit dem sich die Saturn-Raketen aus der Erdschwere erhoben hatten. Shuttle-Starts im Fernsehen waren banal, so als würde man die Abfahrt eines Schnellzugs übertragen. Das eigentliche Produkt der Mondlandemission war längst eingefahren: Es war nie um Forschung gegangen, sondern immer nur darum, Wolkenkratzer zu bauen, die fliegen können. Als der deutsche Raketenpionier Eugen Sänger 1958 sein Buch „Raumfahrt - technische Überwindung des Krieges” veröffentlichte, genügte zur moralischen Begründung der Raumfahrt ein Zitat des Papstes.
Phantastische Verheißungen
Bemannte Raumfahrt ist Religion hinter der Maske von Maschinen. Wieder und wieder versucht die Priesterschaft der Raumfahrtingenieure jenes besondere Gemeinschaftsgefühl hervorzurufen, mit dem wir uns dem unendlichen Schweigen der Natur entgegenstellen: „Hello World“ – wir sind die Menschheit! Das hat aber nur einmal richtig funktioniert, nämlich bei der ersten Mondlandung.
Längst hat die Erde sich in einen Schleier aus Satelliten gehüllt. Die phantastischen Verheißungen des Himmels sind nun wieder auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Heute sieht man im „Rocket Garden” in Cape Canaveral das paradoxe Gegenteil dessen, wozu die Anlage ursprünglich gebaut worden ist: liegende Raketen, die auch noch am Boden festgeschraubt sind.
Längst haben wir damit begonnen, das All auf technologischem Weg nach Innen zu verlegen. Das Internet ist die Demokratisierung der Raumfahrt. Jetzt kann jeder mitfliegen.
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