SInd Atomkraftwerke bald Geschichte?
SInd Atomkraftwerke bald Geschichte?
© dpa/Armin Weigel

Peter Glaser: Zukunftsreich

Internet-Energie

Die vermeintliche Zukunftsvision ist bereits in Arbeit: Es ist die selbe Grundidee, die das Netz selbst so erfolgreich gemacht hat, die uns nun auch einer nachhaltigen Energiewirtschaft entgegenführt: Dezentralisierung. Viele Überallkraftwerke statt weniger Zentralkraftwerke.

Netze im Wandel - digitale und elektrische

Zur selben Zeit, als das Internet in der Öffentlichkeit auftauchte, vollzog sich auch bei den Stromversorgern eine stille Revolution: Anfang der neunziger Jahre war in Deutschland das Stromeinspeisungsgesetz in Kraft getreten - das heutige Erneuerbare-Energien-Gesetz -, das Energiekonzerne erstmals dazu verpflichtete, ihre Kunden nicht mehr nur als Stromkonsumenten wahrzunehmen, sondern auch als potentielle Anbieter.

Bis dahin hatte die Stromversorgung funktioniert wie das Fernsehen: Ein Sender belieferte viele Empfänger. Dann begannen die Netze sich zu wandeln, die digitalen wie auch die elektrischen: Nun gab es nicht mehr nur eine Flußrichtung, sondern viele. Wie die Feuerzeugflammen im Dunkel einer Konzerthalle, an denen man sieht, dass es dem Publikum gefällt, leuchten seither immer mehr individuelle Energiepunkte auf – Dächer mit Solarpanels, Kleinturbinen an Bächen, you name it – und verbinden sich mit dem Netz.

Die öffentliche Batterie

Das Fernsehen hat uns immer nur in einer Richtung mit Nachrichten beliefert, das Stromnetz als Einbahn mit Energie. In den neuen Netzen kann jeder nehmen und geben. Das Ausschlaggebende daran ist nicht primär die Menge – nicht die Kilowattstunden, die jemand mit seiner Biogasanlage ins Stromnetz speist und nicht die Anzahl an Blogbeiträgen, die einer ins Internet stellt. Das Ausschlaggebende ist, dass wir uns durch diese Veränderung in den Netzen eine Gewißheit zurückholen können: Ich kann etwas tun! (und nicht nur die Welt konsumieren).

In Zukunft wird die Energiegewinnung um ein Vielfaches kleinteiliger und wendiger sein als heute. Nicht mehr neue Kraftwerkskolosse, sondern ein intelligentes System aus immer mehr Energiequellen wird zu einer stabilen Versorgung beitragen. Elektroautos etwa können in Verbindung mit einem flexiblen Netz auch als Stromspeicher fungieren und die gefürchteten wetterabhängigen Schwankungen bei der Erzeugung regenerativer Energie ausgleichen. Wie viele Hunderttausend andere könnte ich dann, während mein Auto wie so oft stundenlang auf dem Parkplatz steht, einem Energieversorger zwischendurch bezahlten Zugriff auf meine Batterie erlauben, um Spitzenlasten im Netz abzufedern.

Das tanzende Kraftwerk

Schon jetzt können Hightech-Energiebedürftige auf eine eindrucksvolle Auswahl an sozusagen Strom-Erfrischungen zurückgreifen, vom Solarsegel für den Laptop über den Kinderwagen, der beim Schieben nebenher die Smartphone-Akkus wieder befüllt, bis hin zum „DanceCharger“ – einem Ladegerät, das seine Energie aus den Bewegungen beim Tanzen gewinnt. Energiepfiffigkeit ist etwas, zu dem das Internet auch als erdumspannender Marktplatz der Ideen die Inspiration beflügelt – ob Drehtüren, die sich zu Riesendynamos umfunktionieren lassen, um Energie aus dem steten Strom an Menschen zu ernten, oder um Fußböden, die Energie erzeugen, wenn man schlichtweg auf ihnen geht. So gibt es etwa im Londoner Nachtclub „Surya“ eine stromerzeugende Tanzfläche, die das Soundsystem mit Strom versorgt. Die holländischen Entwickler haben ihren Bodenbelag auch schon auf einem Bürgersteig im französischen Toulouse erprobt. Wenn Passanten darüberspazieren, produziert er genug Strom, um abends Straßenlampen leuchten zu lassen.

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Peter Glaser

Peter Glaser, 1957 als Bleistift in Graz geboren, wo die hochwertigen Schriftsteller für den Export hergestellt werden. Lebt als Schreibprogramm in Berlin und begleitet seit 30 Jahren die Entwicklung der digitalen Welt. Ehrenmitglied des Chaos Computer Clubs, Träger des Ingeborg Bachmann-Preises und Blogger. Für die futurezone schreibt er jeden Samstag eine Kolumne.

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