Elon Musk bei der Präsentation seiner Pläne zur Kolonialisierung des Mars
Elon Musk bei der Präsentation seiner Pläne zur Kolonialisierung des Mars
© REUTERS/STRINGER

Peter Glaser: Zukunftsreich

Mann ohne Mars und Ziel

Der kleine Elon möchte gern aus dem Milliardärsfantasieparadies abgeholt werden. Er möchte nämlich gern zum Mars und seine Mama muß ihm möglichst schonend beibringen, dass es damit wohl vorerst nichts wird. Der kleine Elon regt sich über Realitätskorrekturen an seinen vermeintlichen Visionen immer furchbar auf. Visionen sollten eigentlich riskante Blicke des erwachsenen Elon aus der Gegenwart in eine ungewisse Zukunft hinaus sein, aber es fällt ihm nicht wirklich etwas ein, außer, manisch um einen Platz in der Visionärsgeschichte bemüht, sein vieles Geld auszugeben und Visionen aus seiner Kinderzeit aufzuwärmen. Reisen zum Mars beispielsweise, mit denen sich nebenbei noch das technische Vornsein seiner Raketenfirma SpaceX demonstrieren ließe.

100 Leute, 10 Milliarden Dollar

Ende September erläuterte Elon Musk auf dem Internationalen Astronautischen Kongress im mexikanischen Guadalajara, wie er eine Kolonie auf dem Mars etablieren möchte. 2026 sollen Menschen mit SpaceX auf dem Mars landen, eine 10 Milliarden Dollar teure Rakete mit einer 100-köpfigen Besatzung, aus der dann eine Kolonie von einer Million Menschen hervorgehen solle. Amerikaner lieben die Zahl eine Million. Dass jemand freiwillig sein Leben auf dem Mars verbringen möchte, erscheint ähnlich wahrscheinlich wie sein Leben in der Antarktis verbringen zu wollen.

Für den deutschen Raketenwissenschaftler Eugen Sänger war die Nützlichkeit eines solchen Unterfangens bereits Ende der Fünfzigerjahre klar: „Die Frage nach dem Sinn solcher Unternehmen hat Papst Pius XII. im Herbst 1956 gegenüber Teilnehmern des Internationalen Astronautischen Kongresses in Rom mit der offiziellen Erklärung beantwortet: ‘Der Herrgott, der ins Menschenherz den unersättlichen Wunsch nach Wissen legte, hatte nicht die Absicht, dem Eroberungsdrang des Menschen eine Grenze zu setzen.’ “

Selbstmordbereite Sonderlinge

Der große Elon hält immer noch an den Inspirationen des kleinen Elon fest und möchte, nein, nicht selber mitfliegen, sondern 100 Leute auf einen - wie wir von kundigen Marsrovern immer detaillierter wissen - öden und lebensfeindlichen Planeten schicken, um zu Hause auf der Erde als großer Fortschrittsbringer gefeiert zu werden. Musk sind die Risiken, die Menschen für ein solches Projekt eingehen müssten, offenbar ziemlich schnuppe. Er sucht selbstmordbereite Sonderlinge, die sich der von ihm bereitgestellten Technik ausliefern: „Im Grunde läuft es auf die Frage hinaus: Bist du bereit zu sterben? Wenn das für dich ok ist, bist du ein Kandidat für die Reise.“

Neben möglichen technischen Problemen und Langzeitfolgen wie Muskel- und Knochenschwund sind Menschen im All einer Reihe spezieller Gesundheitsrisiken ausgesetzt, zu denen eine „Raumkrankheit“ genannte Kombination aus anhaltendem Schwindel und Übelkeit ebenso gehört wie Rückenschmerzen und Sehstörungen, die durch Veränderungen im Sehnerv und der Retina des Auges entstehen. Ebenso verändern sich das Immunsystem und der Flüssigkeitshaushalt. Diese Symptome werden hauptsächlich an Astronauten in der Internationalen Raumstation beobachtet, die gerade mal 400 Kilometer über der Erde ihre Runden dreht.

Explodierende Raketen, tödliche Software

Der große Elon kann erfolgreiche kosmische Großtaten gerade gut gebrauchen. Bei einem Testlauf explodierte neulich eine seiner Falcon 9-Raketen und zerstörte dabei einen Kommunikationssatelliten. Anfang Mai 2016 war eines der eleganten Elektromobile aus Musks Firma Tesla in einen tödlichen Unfall verwickelt. Der Wagen raste in einen LKW-Auflieger – die umgebungs-eruierende Software des Tesla Model S vermochte den weißen Anhänger nicht vor dem hellen Hintergrund zu erkennen.

Der MIT-Professor David Mindell hält die Idee vom autonomen Fahren überhaupt für verfehlt. Er weist dazu auf das Apollo-Programm hin, für das ursprünglich ebenfalls autonome Raumfahrzeuge geplant waren. Die Astronauten sollten nur wie die Marmelade in einem Krapfen mittransportiert werden. Allerdings führt ein größeres Automations-Level nicht notwendigerweise zu besseren Ergebnissen. Das Zusammenspiel von Hardware und Software in den Mondlandemodulen sollte nicht Menschen ersetzen, sondern ihnen bessere Kontrollmöglichkeiten geben.

Alles, was der große Elon angeht, muss richtig groß sein. Die neue Akkufabrik von Tesla soll angeblich so lang sein, dass man sich immer noch vor dem Gebäude befindet, wenn die Batterie im Wagen wieder erschöpft ist. Einige Tage nach Bekanntwerden des Tesla-Crashs Anfang Juli brachte das Wirtschaftsmagazin Fortune der Öffentlichkeit zur Kenntnis, dass „das Unternehmen und sein Gründer von dem tödlichen Unfall [wussten], als sie im Mai Aktien im Wert von zwei Milliarden Dollar veräußerten.“ Richtig groß eben.

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Peter Glaser

Peter Glaser, 1957 als Bleistift in Graz geboren, wo die hochwertigen Schriftsteller für den Export hergestellt werden. Lebt als Schreibprogramm in Berlin und begleitet seit 30 Jahren die Entwicklung der digitalen Welt. Ehrenmitglied des Chaos Computer Clubs, Träger des Ingeborg Bachmann-Preises und Blogger. Für die futurezone schreibt er jeden Samstag eine Kolumne.

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