Digitale Stromzähler messen viel zu hohen Verbrauch
Digitale Stromzähler messen viel zu hohen Verbrauch
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Smart Meter

Trotz Opt-Out: Digitale Stromzähler kommen für alle

„Der Netzbetreiber hat den Wunsch eines Endverbrauchers, kein intelligentes Messgerät zu erhalten, zu berücksichtigen.“ Diese Formulierung wurde vom Parlament im Sommer 2013 in einer Gesetzesänderung für Verbraucher erkämpft, die keine intelligenten Stromzähler (Smart Meter) wollen. Doch seither wird intensiv darüber verhandelt, wie dieses „Opt-Out“ umzusetzen ist.

Einen Vorschlag zur Lösung des Problems, der aus der Energiebranche stammt, gibt es bereits. Laut E-Control sollen künftig trotz Ausstiegsmöglichkeit alle Kunden einen digitalen Zähler bekommen. Die Funktionen, die den Zähler „intelligent“ machen, sollen jedoch via Software deaktiviert werden. Dazu zählt etwa die Erfassung der Verbrauchswerte im 15-Minuten-Intervall sowie die Erfassung eines Tageswertes. Diese Funktionen sollen bei den „dummen“ Geräten beim Einbau deaktiviert werden.

"Standardzähler"

„Im Grunde handelt es sich daher um einen ganz gewöhnlichen Standardzähler, der wie bisher den fortlaufenden Energieverbrauch des Kunden misst und einmal jährlich abgelesen wird“, erklärt E-Control-Vorstand Martin Graf. Rechtlich gesehen ist der digitale Zähler damit kein intelligentes Messgerät mehr, sondern nur noch ein „dummer, digitaler Zähler“.

Was jedoch bleibt, ist die Fernab- und anschaltfunktion beim Zähler. „Das ist keine Funktion, die das ElWOG (Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetz) in seinen Begriffsbestimmungen für ein intelligentes Messgerät erwähnt“, so die E-Control, die bei der Präsentation dieser Kompromisslösung durch „Österreich Energie“ im Wirtschaftsministerium dabei war.

Laufende Gespräche

„Digitale Messgeräte, die genau solche Basisfunktionen besitzen, wie sie jetzt diskutiert werden, sind in Österreich seit Jahren im Einsatz, etwa bei Photovoltaikanlagen“, sagt Graf. Ob die Netzbetreiber diese Lösung auch annehmen werden, ist unklar. Die Wiener Netze GmbH bestätigt gegenüber der futurezone lediglich „Gespräche“ darüber, ebenso die TINETZ-Stromnetz Tirol AG und die Salzburg AG. „Grundsätzlich sollen bei allen Zählerpunkten zukünftig elektronische Zähler zum Einsatz kommen, da diese auch der neuen Technologie entsprechen,“ erklärt Thomas Rieder, Leiter der Stabsstelle Smart Metering bei der Salzburg AG.

Bei der Energie AG Oberösterreich hat man den Vorschlag bereits in die Praxis umgesetzt. „Unsere Kunden bekommen alle digitale Zähler. Bei denjenigen, die die neuen Zähler ablehnen, werden die gleichen Zähler installiert, aber die smarten Funktionen werden deinstalliert. Alles andere wäre unwirtschaftlich“, erklärt Michael Frostel, Sprecher der Energie AG. In Oberösterreich wurden bereits rund 138.000 Zähler ausgetauscht.

Parlamentarische Anfrage

Für den Grünen Nationalratsabgeordneten Albert Steinhauser, der den parlamentarischen Abänderungsantrag für die Gesetzesgrundlage mitverhandelt hat, ist das eine „Mogelpackung“ – und zwar vor allem, weil die digitalen Zähler trotz allem über eine Fernabschaltfunktion verfügen sollen. Genau diese Funktion steht aber im Visier von Datenschützern und Sicherheitsexperten, weil sie die Zähler besonders anfällig macht für unerwünschte Hacker-Angriffe. „Die Kunden, die den Zähler aus Sicherheitsgründen ablehnen, haben damit keine Wahl“, so Steinhauser.

Der Grüne Justizsprecher bringt deshalb am Montag eine parlamentarische Anfrage an das Wirtschaftsministerium ein, die klären soll: Legt das Wirtschaftsministerium den Netzbetreibern eine gesetzeswidrige Auslegung nahe? „Der Gesetzespassus ist keine Höflichkeitsfloskel, sondern eine klare Anordnung“, sagt Steinhauser.

"Netzbetreiber sind Eigentümer"

Das Wirtschaftsministerium will gegenüber der futurezone nichts von einer gesetzeswidrigen Auslegung wissen. "Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Smart-Meter-Einführung wurden vom Parlament festgelegt. Inwiefern die Wünsche der Kunden berücksichtigt werden können, müssen jetzt die Netzbetreiber im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben entscheiden, da sie ja auch die Eigentümer der Stromzähler sind," sagt Volker Hollenstein, Pressesprecher des Wirtschaftsministeriums.

In Wien und Niederösterreich liegt die Einführung der schlauen Zähler unter anderem wegen dieser „offenen Frage“, wie man mit dem „Opt-Out“ umgehen soll, erst einmal auf Eis. Wer keinen neuen Zähler will, kann in Wien an post@wienernetze.at schreiben, bei der EVN an info@netz-noe.at. Beides geht auch per Brief oder Telefon. Ob diese Kunden dennoch einen digitalen Zähler bekommen werden (müssen), ist offen.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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