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re:publica

"Unsere Gedanken werden dem Staat gehören"

"Wir müssen bald handeln, sonst ist es zu spät." In einem packenden und vielbeklatschten Vortrag plädierte Eben Moglen, Jus-Professor an der Columbia University und Vordenker der Free-Software-Bewegung, auf der re:publica einmal mehr für freie Soft- und Hardware als Voraussetzung für freie Medien, die den Nutzer nicht ausspionieren. Moglen zufolge stehe unsere Gesellschaft heute am Scheideweg und würde gefährlich nahe dran sein, die Freiheiten aufzugeben, die in den letzten Jahrhunderten erkämpft wurden. "Wir sind die letzte Generation menschlicher Gehirne, die ohne Anschluss an das Netz geformt wurden", so Moglen - und die letzte Generation, die beide Welten - die Offline- als auch die Online-Ära - kennen würde.

Staaten wollen Datamining
Im heutigen Internet ist Moglen zufolge Anonymität kaum mehr möglich. "Die Dinge, die wir lesen, lesen uns, wir werden getrackt, überwacht und berechnet", so Moglen. Egal ob bei Facebook, Google, Apple oder Amazon - über ihre Geräte und Dienste würden wir heute sehr viel über uns selbst freiwillig verraten. "Google gehört das Suchfeld, und wir geben dort alle unsere Träume und Wünsche ein. Auf Facebook teilen wir alles mit unseren Freunden und unserem Super-Freund, der die Daten jedem gibt, der danach fragt und dafür zahlen kann." Moglen warnte davor, dass Staaten wie die USA auf den Zugang zu diesen Daten drängen würde, um Datamining zu betreiben. "Dem Staat werden unsere Gedanken gehören", zeichnete er ein düsteres Zukunftsszenario.

Sollte das Realität werden - und die Chancen dafür stünden nicht schlecht -, würde sich die Gesellschaft zurück in die Zeit der Bücherverbrennungen und der Inquisition begeben. "Früher musste man Menschen foltern und zwingen, damit sie ihre Freunde verraten", heute würde Mark Zuckerberg den Job der Stasi erledigen. "Facebook-Datencenter beinhalten nicht nur die Gedanken, sondern auch die Taten von bald einer Milliarde Menschen. Jede Sicherheitsbehörde strebt nach diesen Daten."

Freie Medien
"Wir brauchen freie Medien, oder wir verlieren die Meinungsfreiheit", plädierte Moglen für freie Software, freie Hardware und freie Bandbreite. Zudem brauche es sehr bald auch neue Regeln für den Datenverkehr - Provider und Internet-Firmen sollte es nicht erlaubt sein, die Datenpakete zu öffnen. So solle Amazon etwa nicht analysieren dürfen, wer was auf seinen E-Readern liest und nach welchen Begriffen sucht. Medien sollten den Bedürfnissen der Anwender dienen und nicht den Servern, mit denen sie verbunden sind.

Moglen leistete sich auch einen kontroversen Sager, in dem er den verstorbenen Apple-Gründer Steve Jobs mit Architekten der Nazis verglich. "Der Tod von Steve Jobs war ein willkommener Moment, weil er sich als Künstler sah, der glaubte, alles erfunden zu haben und nichts teilen wollte", meinte Moglen in Bezug auf die restriktive Apple-Welt.

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