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Streaming

Apple Music im Test: Bono auf Rumkugeln

Am Dienstag schaltete Apple mit einem Update seines Betriebssystems iOS und seiner Musik-Software iTunes seinen Musikabo-Dienst Apple Music frei und spielt jetzt etwas verspätet auch beim Streaming mit. Vom Repertoire und vom Preisniveau her unterscheidet sich das Apple-Streamingangebot kaum von den Konkurrenten Spotify, Deezer, Rdio, Tidal oder Napster. Rund zehn Euro werden für ein Abo fällig. Einzig mit der dreimonatigen kostenlosen Probephase und einem Familienangebot von knapp 15 Euro hebt sich Apple von den Rivalen ab. Dafür gibt es - wie etwa bei Spotify - kein werbefinanziertes Gratisangebot.

Hat man das iTunes- bzw. das iOS-Update heruntergeladen und den hellen Knopf mit der violett-rot-blauen Note gedrückt landet man in einem erneuerten iTunes-Interface, das - hat man die Musik-Software auch schon davor genutzt - zunächst die eigene Musikbibliothek anzeigt. Über die Menüpunkte "Für dich", "Neu", "Radio" und "Connect" kann man dann in den neuen Apple-Musikkosmos vordringen.

Apple Music erscheint nach anfänglicher Eingewöhnungsphase klar strukturiert und bietet viele Möglichkeiten neue Musik zu entdecken. Neben dem Webradio-Sender, sind dies Playlisten, die vom Apple-Team, Kuratoren von Musikmagazinen wie Pitchfork oder dem Rolling Stone erstellt wurden oder auf spezielle Aktivitäten ("Chillen", "Duschen", "Frühstücken") zugeschnitten sind.

Im Unterschied zu Spotify ist es bei Apple Music nicht möglich, Playlisten mit anderen Nutzern zu teilen bzw. auf fremde Playlists zuzugreifen. Während es bei Spotify Tausende, von Nutzern generierte Listen zu finden gibt, ist man bei Apples Streaming-Dienst also auf die offiziell vorgegebenen Playlists beschränkt.

Ebenfalls nicht vorhanden ist bei Apple Music die fixe Integration vom Musik-Dienst Last.fm. Wer seine gehörte Musik scrobblen will, muss auf allen Plattformen zusätzlich die entsprechende Last.fm-App installieren. Im Rahmen des futurezone-Tests war es unter Mac OS aber trotz installierter Last.fm-App nicht möglich, die gehörte Musik zu scrobbeln. Beim Konkurrenten Spotify ist Last.fm in den jeweiligen Apps direkt integriert, bei Google Music ist auch die externe App notwendig.

Über die Eingabe von bevorzugten Musikrichtungen und Künstlern wird für jeden Nutzer eine individuelle Seite mit Musikempfehlungen generiert ("Für dich"), die zumindest - so ein erster Eindruck - nicht weit daneben liegt und recht brauchbare Vorschläge liefert, eine gar nicht mal schlecht gelungene Mischung aus menschlicher und maschineller Intelligenz.
Der Musikkatalog von Apple Music deckt sich großteils mit denen der Konkurrenz. Insgesamt ist von rund 30 Millionen Songtiteln die Rede. Im stichprobenartigen Vergleich kann Apples Angebot vor allem mit Aktualität punkten. So ist im Unterschied zu Spotify etwa Bob Dylans aktuellstes Studioalbum Shadows in the Night verfügbar. Die Wiener 5/8erl in Ehr’n sind überhaupt nur auf Apple Music vertreten, genauso wie die US-Sängerin Taylor Swift. Gleichzeitig kann Spotify ebenfalls mit Exklusivinhalten punkten: Rammstein-Fans werden etwa nur dort fündig.

Insgesamt lässt sich sagen, dass das Angebot von Apple Music enorm umfangreich ist und dass bis auf wenige Ausnahmen wohl die Hörer aller Genres auf ihre Kosten kommen werden.

Eine weitere Stärke ist die nahtlose Integration der iTunes-Bibliothek in den Dienst - So lassen sich etwa Playlisten aus gekauften, getauschten und gerippten Songs gemeinsam mit dem Apple-Repertoire erstellen.

Mit Beats 1, das am Dienstag mit der ersten Sendung des früheren BBC-Moderators Zane Lowe Premiere feierte, will Apple mit einem globalen Webradio-Sender reüssieren. Beats 1 ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Es biedert sich nicht an und ist eigenwillig und mitunter exzentrisch. Lowe bleibt auch auf dem Apple-Sender seiner Tradition treu, Songs, die ihm gefallen, zwei Mal hintereinander zu spielen. Zum Debüt wurde diese Ehre Pharell Williams "Freedom" zu Teil, der exklusiv auf Apple Music verfügbar ist. Williams hat auch eine eigene Show auf dem Sender. Der Apple-Sender, der unter anderem auch Dr Dre, St Vincent, Drake und Elton John (!) zu seinen Moderatoren zählt, kann auch ohne Abo angehört werden.

Die zusätzlich angebotenen Genre-Radios unterscheiden sich nicht wesentlich von Konkurrenzangeboten. Musik von der Stange.
Apple Music enthält auch eine soziale Komponente, nämlich iTunes connect, über das Nutzer Musikern folgen können. Default-mäßig wird man mit Musikern und Bands aus der eigenen iTunes-Bibliothek verbunden und bekommt Video-Happen, Live-Sets oder ausgewählte Tracks serviert. iTunes connect ist eine zeitgemäße Version von MySpace, nicht so intim und trashig, ein bisschen geleckt, aber nichtsdestotrotz eine gute Möglichkeit, um mit Neuigkeiten aus dem eigenen musikalischen Universum versorgt zu werden.

Wer Apple Music derzeit nutzen möchte, ist bei den Plattformen und Geräten noch relativ eingeschränkt. Der Musikdienst lässt sich derzeit nur auf Macs, PCs, iPhones und iPads nutzen. Auf AppleTV und Android soll Apple Music ab Herbst verfügbar sein. Dazu ist jeweils iTunes notwendig, einen Web-Player, wie etwa bei Spotify, Google Music oder Amazon, gibt es nicht.

Hier ist Spotify schon ein gutes Stück weiter, da der Dienst nicht nur auf Rechnern, Smartphones und Tablets, sondern auch auf anderer Hardware wie etwa AV-Receiver oder Autoradios direkt nutzbar ist.

Gestreamt wird mit 256 kbps im AAC-Format. Spotify, Deezer und Google Music bieten für zahlende Abonnenten etwas höhere Raten von bis zu 320 kbps an. Spotify nutzt das quelloffene Ogg-Vorbis-Format, Google Music setzt etwa auf MP3. Bei Apple Music ist diese Datenrate außerdem fix vorgegebenen, bei Spotify lässt sie sich etwa vom Nutzer individuell anpassen. Das ist besonders dann ein hilfreiches Feature, wenn man mobil etwa Transfervolumen sparen will.

Auch ein Offline-Modus wird geboten, das ist für kostenpflichtige Angebote aber mittlerweile branchenüblich. Auch hier ist die Datenrate mit 256 kbps fix vorgegeben.

Alles in allem ist Apple Music ein gelungener Versuch, Musik-Streaming im Jahr 2015 zu interpretieren. Apple Music ist das Sense 8 unter den Streamingdiensten. Es lässt einen in einen in sphärische Farben getauchten globalen Musikkosmos eintauchen, wirkt bunt und vielfältig und ist dennoch Teil eines "walled gardens" - ein Einkaufszentrum, das Apple heißt.

Nach Newsgroups, Warez-Szene, P2P hat die Online-Musik das Anarchische nun wohl endgültig verloren. Musiker verdienen jetzt zwar auch nicht besser, Angebote wie Apple Music, Spotify oder Tidal tun aber nicht weh und erschrecken auch die Eltern nicht.

Wenn Spotify Rammstein ist und Tidal Jay Z, dann ist Apple Music U2 unter kontrolliertem psychedelischen Drogeneinfluss, ein Bono auf Rumkugeln.

Der Dienst wird wohl oder übel ein Erfolg werden, immerhin hat Apple einen treuen und loyalen Kundenstamm. Mit der Konkurrenz - Spotify, Tidal, Rdio oder Deezer fährt man aber auch nicht schlechter.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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Thomas Prenner

ThPrenner

Beschäftigt sich mit Dingen, die man täglich nutzt. Möchte Altes mit Neuem verbinden. Mag Streaming genauso gern wie seine Schallplatten. Fotografiert am liebsten auf Film, meistens aber mit dem Smartphone.

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