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Huawei P20 und P20 Pro im Kurztest: Intelligente Nachteule

Huawei hat am Dienstag kurzerhand zehn Generationen übersprungen. Obwohl das neueste High-End-Smartphone nach dem üblichen Schema eigentlich P11 heißen hätte müssen, entschied man sich kurzerhand für P20. „Das ist so ein großer Sprung, das muss man deutlich machen“, erklärte Richard Yu, CEO von Huaweis Consumer-Sparte, den Namenswechsel. Welcher große Sprung? Die Kamera-Technologie, die erstmals auf drei Kameras im Verbund setzt.

So soll man auch bei Nacht gestochen scharfe Aufnahmen machen, verlustfrei Zoomen sowie ohne manuelles Anpassen mit den perfekten Einstellungen fotografieren können. Versprechen, die man immer wieder von Smartphone-Herstellern hört. Ist es beim P20 und P20 Pro anders? Die futurezone hat die beiden Smartphones ausprobiert.

Fast perfekt verarbeitet

Optisch hat sich Huaweis P-Generation sichtlich verändert. Weg vom kompakten matten Aluminium-Gehäuse, hin zum abgerundeten, rahmenlosen Glas-Korpus mit Metall-Rahmen. Hier nähert sich der chinesische Hersteller spürbar Apple und Samsung an - und kann zumindest letzterem hervorragend Paroli bieten. An die hochwertige Verarbeitung des iPhone X oder Googles Pixel 2 XL reichen allerdings sowohl P20 als auch P20 Pro nicht ganz heran.

Bei den Maßen unterscheiden sich die beiden Smartphones nur geringfügig, dennoch lag das knapp drei Millimeter schmalere P20 etwas besser in der Hand als das P20 Pro. Auch das geringfügig niedrigere Gewicht machte sich positiv bemerkbar. Abgesehen davon war die Verarbeitung nahezu ident und ebenso hochwertig. Bei beiden Modellen eher unpraktisch: Der Fingerabdrucksensor ist nach wie vor vorne zu finden. Durch den deutlich größeren Bildschirm ist dieser nur schwer zu erreichen. Glücklicherweise hat Huawei dem Smartphone nun aber auch Gesichtserkennung spendiert, sodass es auch ohne Fingerabdruck entsperrt werden kann.

Sinnloser „Notch“

Ein weiterer Unterschied, der sich sofort bemerkbar macht: Während beim P20 ein LCD-Panel zum Einsatz kommt, setzt man beim P20 Pro auf AMOLED. Letzteres punktete mit einem sichtbar besseren Kontrast und kräftigen Farben. Bei der Helligkeit konnten beide Modelle ähnlich gut abschneiden. Da die Auflösung bei beiden Geräten gleich ist (2244 mal 1080 Pixel), weist das P20 aber dank kleinerem Bildschirm (5,8 vs. 6,1 Zoll) die höhere Pixeldichte auf. Das lässt sich mit freiem Auge aber nicht erkennen.

Beide Bildschirme verfügen zudem über den eher unästhetischen „Notch“, der aber im Vergleich zum iPhone X deutlich kompakter ausfällt. Einen Nutzen kann man daraus vorerst nicht ziehen - außer dass das Smartphone womöglich kurzzeitig mit dem iPhone X verwechselt wird. Beim Entfernen von Apps vom Homescreen wurde aber der „Deinstallieren“-Button geschickt in einer der Ecken platziert.

Aufpreis zahlt sich aus

Das wahre Highlight stellt jedoch die Kamera dar. Hier zeigt sich auch, warum man für das Pro-Modell einen Aufpreis von 200 Euro bezahlen muss. Das P20 ist mit einer leicht verbesserten Version der Dual-Kamera aus dem Mate 10 Pro ausgestattet. Darin enthalten: Ein Monochrom-Sensor mit 20 Megapixel sowie ein Farbsensor mit 12 Megapixel, die kombiniert gewohnt gute Aufnahmen machen und verlustfrei bis zu zweifachen optischen Zoom bieten.

Beim P20 Pro ist die Ausstattung durchaus üppiger: Die Dual-Kamera besteht aus einem Farbsensor mit 40 Megapixel und einer 8-Megapixel-Kamera mit dreifachem optischen Zoom. Unterstützend dazu kommen eine Monochrom-Kamera mit 20 Megapixel, ein Laser-Autofokus sowie ein Farbtemperatursensor hinzu. Die 8-Megapixel-Kamera verfügt zudem über einen optischen Bildstabilisator, andere Aufnahmen werden über einen „KI-gestützten“ Software-Stabilisator gestützt.

Nervige KI

Das Ergebnis soll, zumindest wenn man Benchmark-Firma DxOMark Glauben schenkt, die mit Abstand beste Smartphone-Kamera auf dem Markt sein. Und tatsächlich lieferte das Pro-Modell im Kurztest bei schlechten Lichtbedingungen hervorragende Ergebnisse. Meist ärgerte die „Kamera-KI“, die über 500 verschiedene Szenarien erkennen und dazu passend die optimalen Einstellungen wählen soll, jedoch etwas. Besonders bei künstlichem Gegenlicht zeigte sie sich sehr sprunghaft und wechselte im Sekundentakt den Weißabgleich und die gewählte Szene.

Da das Testgerät aber noch keine finale Software hatte und sich der KI-Assistent einfach deaktivieren lässt, dürfte das kein großes Problem darstellen. Auch die Zoom-Funktion lieferte überraschend gute Ergebnisse. Hier ist man allerdings auf eine maximale Auflösung von zehn Megapixel beschränkt. Verlustfreie 40-Megapixel-Aufnahmen mit Fünffachzoom sind dementsprechend nicht möglich. 

Verdächtiger ISO-Wert

Huawei verspricht unter anderem, dass sich der ISO-Wert auf bis zu 102.400 hochschrauben lässt. Beim Testgerät lässt sich dieser Wert im manuellen Modus nicht auswählen - hier ist bei ISO 3200 Schluss. Und auch bei Aufnahmen, die an absolute Dunkelheit grenzten, wurde im Automatik-Modus kein derart hoher Wert gewählt. Meist riet der KI-Assistent zu einer vom Bildstabilisator gestützten Langzeitbelichtung. Dabei ist man aber wiederum auf eine maximale Auflösung von zehn Megapixel beschränkt, auch wenn die Aufnahmen sehr gut gelungen sind.

Inwieweit man hier von einem Marketing-Gag sprechen kann, ist unklar. Selbst Canons Profi-Modell 5D Mark IV weist trotz Vollformatsensor (immerhin ein um den Faktor 20 größerer Sensor) sichtbares Rauschen bei einer derart hohen Lichtempfindlichkeit auf. Fakt ist jedoch: Nachtaufnahmen profitieren sichtbar vom Bildstabilisator und der automatischen Szenenerkennung über den KI-Chip.

Fazit

Huawei verspricht bereits seit dem P8, dass ihre Smartphone-Kameras „DSLR-Qualität“ bieten können. Auch wenn das nach wie vor illusorisch ist, das Huawei P20 Pro zählt ohne Zweifel zu den besten Smartphone-Kameras auf dem Markt. Ob es sich, wie DxOMark behauptet, auch um die Beste handelt, muss aber in einem Langzeittest überprüft werden.

Beide Smartphones machen dennoch einen vielversprechenden Eindruck und sind eine kostengünstige Alternative zum Apple iPhone X und Samsung Galaxy S9.

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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