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Neustart

Internet Explorer wird konkurrenzfähig

Seit fünf Jahren verliert Microsofts Internet Explorer Marktanteile und musste einen Rückgang von rund 90 Prozent auf aktuell 57 Prozent hinnehmen. Zu träge und veraltet lautete die Kritik an den vergangenen Versionen des Redmonder Browsers. Konkurrenten wie Firefox und Chrome gewannen hingegen mit innovativen Funktionen massenhaft Nutzer.

Microsoft hat heute, Dienstag, nun den „Internet Explorer 9“ (IE9) veröffentlicht. Die Fehler der Vergangenheit sind ausgemerzt, die Software ist gleichauf mit Chrome 10 und Firefox 4 (RC). Einziges Manko: Aus technischen Gründen steht IE9 nur für „Vista“ und „Windows 7“ zur Verfügung. Unter XP ist die GPU-Beschleunigung - ein Kernstück neuer Webbrowser - nicht verfügbar.

Durchdachte, praktische Funktionen
Viele der neuen Features sind für versierte Surfer nicht neu, kennt man sie doch aus Produkten der Konkurrenz. Microsoft hat bei Version Neun starke Anleihen bei Chrome und Firefox genommen - was für die Nutzer durchaus positiv zu werten ist. Und: Anregungen der 36 Millionen Beta-Tester wurde ebenso beherzigt und integriert. Somit ist die finale Version eine Software, die vor allem mit kleinen Details punktet, die wiederum in der intensiven, alltäglichen Nutzung umso mehr auffallen. Ein Beispiel hierfür ist etwa die Funktion, ein Hintergrund-Tab schließen zu können, ohne es auswählen zu müssen.

Zu den offensichtlichen Neuerungen zählt vor allem die Adressleiste. Sie ist nun auch Suchfeld (siehe Chrome). Tippt man Begriffe ein, werden dazu Bing, Google oder andere Dienste befragt. Durch das Zusammenführen mehrerer Funktionen in der Leiste wird Platz gespart, das eigentliche Surf-Fenster erhält mehr Raum. Auch die Größe der Hinweis-Meldungen, etwa bei Downloads (siehe Chrome), wurde minimiert. Einzig Warnmeldungen bei dubiosen Dateien oder Seiten sind weiterhin gut sichtbar.

Tabs nun besser zu verwalten
Was man von der Konkurrenz seit langem kennt, kann nun auch IE9: Die Reiter können nun frei verschoben und angeordnet werden. Zieht man eines aus dem Browser heraus, öffnet sich ein neues Fenster. Auf diese Art lassen sich Webseiten einfacher gruppieren. Tabs sind zudem nun besser voneinander getrennt: Kommt es innerhalb eines Tabs zu Problemen und einem Absturz, hat dies auf die anderen Reiter weniger Einfluss. Der Browser wird somit stabiler. Eine Funktion, die im IE9 abgeht, ist das Gruppieren von Tabs, wie man es bereits von Opera kennt. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um ein grobes Versäumnis.

Entlastet durch Grafikkarte
Der Browser greift erstmals auf die Leistung der Grafikkarte zurück, was den Prozessor und das gesamte System entlastet. Da Ressourcen besser verteilt werden, wird laut Microsoft damit die Akku-Laufzeit bei Laptops verbessert. In der Praxis fällt dies jedoch kaum auf. Ganz im Gegensatz dazu die Beschleunigung von Videos und Spielen: Diese werden deutlich schneller geladen, ruckelnde Darstellung gibt es kaum.

Abgesehen davon laden Webseiten nun grundsätzlich deutlich schneller. Microsoft hat hierfür die JavaScript Engine (Chakra) deutlich überarbeitet. Im Vergleich zum IE8 ist der Geschwindigsgewinn enorm, im Alltagsvergleich zu Chrome 10 oder Firefox 4 ist hingegen kaum ein Unterschied zu merken.

Kleben und Klicken
Eine Spielerei ist hingegen noch das Kontextmenü sowie das "Anheften": In der Windows-Task-Leiste können Webseiten abgelegt werden. So kann man beliebte Seiten anordnen, um sie schnell anklicken zu können. Das Logo der Webseite wird zwecks besserer Übersicht übernommen. In der Praxis ist dies jedoch eine Funktion, auf die man schnell vergisst. Ihr Nutzen wird sich erst weisen, wenn Web-Enwtickler beginnen, den Funktionsumfang voll auszuschhöpfen. So ist es laut Microsoft möglich, die Icons dynamisch mit Informationen zu bespielen. Heftet man etwa eine Webmail-Seite an die Taskleiste, kann im Icon die Anzahl neuer E-Mails eingeblendet werden.

Weiters können über ein Kontextmenü Untermenüs von - kompatiblen - Webseiten direkt angesteuert werden. Es handelt sich dabei um eine Art Abkürzung zu häufig verwendeten Sub-Seiten. Bei Facebook kann man etwa direkt auf Nachrichten oder Veranstaltungen klicken. Ob Nutzer den Rechtsklick für die Abkürzungen verinnerlichen, wird die Praxis zeigen.

Mehr Kontrolle bei der Sicherheit
Viel eher sind die Sicherheitsfunktionen hervorzuheben: IE9 gibt Nutzern mehr Kontrolle bei Add-Ons/ActiveX. So kann man nun zuerst alles verbieten, um dann punktuell Programme und Webseiten zu erlauben. Mit der Funktion „Tracking Protection“ kann Webseiten zudem verboten werden, Daten über den Nutzer zu sammeln (etwa Google Analytics, Facebook, etc.). Das Privatssphären-Feature zeigt, welche Webseiten oder Werbeeinblendungen die Daten des Nutzers speichern. Darüber hinaus laufen im Hintergrund häufig Dienste von Drittanbietern, die ebenfalls auf persönliche Daten der Nutzer zugreifen. Mit Hilfe eines Tracking-Schutzes kann dies unterbunden werden. Aktiviert der Nutzer den Tracking-Schutz, werden so genannte Listen wirksam, die vom Nutzer im Internet Explorer hinzugefügt und gefüllt werden. Diese Listen enthalten Websites, deren Zugriffe gesperrt werden. Der Anwender kann über Listen individuell verwalten, welche Seiten auf seine Daten zugreifen dürfen und welche Zugriffe er sperren will. Derart gesperrte Internetadressen werden nur aufgerufen, wenn der Nutzer sie durch direkte Eingabe abruft. Nutzer können mehrere Tracking-Schutz-Listen in den Internet Explorer einbinden. Vorinstallierte Listen sind nicht in den Browser integriert. Die Funktion bleibt zudem so lange aktiviert, bis der Nutzer sie wieder ausschaltet.

Der Ersteindruck ist gut
Der neue IE9, der optisch, aber auch punkto Tempo stark an den Durchstarter Google Chrome erinnert, macht vieles richtig. Version Neun muss sich nicht vor Chrome 10 oder dem Release Candiate von Firefox 4 verstecken. Die Bedienung ist gelungen, die Geschwindigkeit passt. Löblich ist auch die Unterstützung von Standards wie HTML5, Canvas oder SVG. Ob der Verzicht auf einen eigenen Appstore wie man ihn von Chrome oder Firefox (demnächst) kennt, ein großes Manko ist, wird sich allerdings erst weisen. Die kostenlose Browser-Software kann ab sofort geladen werden, später wird sie auch optional über Windows Update angeboten.

Marktanteile:
Dem Statistikdienst Net Applications zufolge liegt Microsofts Internet Explorer mit einem weltweiten Marktanteil von 57 Prozent auf Platz eins. Im Vergleich zu März 2010 ist dies ein Minus von 5 Prozent, zu 2009 ein Minus von 12 Prozent.
Firefox liegt mit 22 Prozent Marktanteil fast unverändert auf Platz zwei. Großer Gewinner ist Googles Chrome: Der 2008 gestartete Browser hält nun 11 Prozent und hat seinen Anteil im Vergleich zum Vorjahr somit verdoppelt.

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Benjamin Sterbenz

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