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© Gregor Gruber

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Jaybird Run im Test: Marathon mit Aussetzern

Wer gerne laufen geht und dabei Musik hört, wird sich schon des Öfteren über lästige Kabel geärgert haben. Seien es Kopfhörer mit Klinkenstecker oder Bluetooth-Ohrhörer, die per Kabel oder Bügel miteinander verbunden sind - bei jedem Schritt schlackert etwas mit. Kabellose Alternativen waren lange rar und mit wesentlichen Nachteilen verbunden: Teuer, schwache Akkulaufzeit, leicht zu verlieren, schwache Audioqualität und nicht für den Outdoor-Einsatz geeignet.

2016 hauchte Apple dem jahrelang stagnierenden Markt für Bluetooth-Ohrhörer neues Leben ein. Der Kopfhöreranschluss am iPhone 7 wurde gestrichen, als Alternative sollen künftig die AirPods dienen. Obwohl der Kopfhöreranschluss (noch) nicht von allen Smartphones verschwunden ist, zogen andere Hersteller mit kompakten Bluetooth-Ohrhörern nach. Der Markt für diese Ohrhörer ist überschaubar, wächst aber langsam. Der jüngste Neuzugang ist der Jaybird Run, der sich mit „Schweißbeständigkeit und Wasserfestigkeit“ vor allem an Sportler richten soll. Die futurezone hat die unscheinbaren Ohrhörer der US-Marke näher unter die Lupe genommen.

Extrem hoher Tragekomfort

Die Jaybird Run sind neben Bragis “The Headphone” und Apples AirPods die mitunter kleinsten Bluetooth-Ohrhörer auf dem Markt. Mit Maßen von 14,3 mal 19,5 mal 19 Millimeter ragen die In-Ear-Ohrhörer kaum aus dem Ohr heraus. Die Ohrhörer werden über einen “Flossen”-ähnlichen Aufsatz im Ohr fixiert, Jaybird liefert davon drei verschiedene Größen mit. Zudem gibt es insgesamt sechs verschiedene In-Ear-Aufsätze. Die Lösung funktioniert deutlich besser als bei anderen Bluetooth-Ohrhörern, die sich meist auf den durch das In-Ear-Design erzeugten Unterdruck verlassen. Besonders bei starker Aktivität, beispielsweise schnellem Laufen, kann sich das jedoch lösen und die Ohrhörer fallen heraus.

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Diese Gefahr bestand bei den Jaybird Run nicht, die Ohrhörer saßen stets fest und angenehm im Ohr. Da der Unterdruck deutlich niedriger ausfällt, können die Run problemlos über mehrere Stunden hinweg verwendet werden. Der Tragekomfort war stets hoch, Schmerzen habe ich auch nach einer dreistündigen Session keine verspürt. Oftmals habe ich die Ohrhörer auch einfach als Schallschutz verwendet, beispielsweise bei längeren Zugfahrten oder Flügen. Aktives Noise Cancelling oder ein Pass-Through-Modus - man kann die Umgebungsgeräusche kurzfristig hören, ohne die Ohrhörer aus dem Ohr zu nehmen - werden jedoch nicht unterstützt.

Leicht zu übersehen

Das Format gepaart mit dem unscheinbaren Design sorgt auch dafür, dass sie im Alltag gerne übersehen werden. So haben mich in den vergangenen Wochen viele Menschen angesprochen, ohne zu bemerken, dass ich Ohrhörer trage. Auch nachdem ich auf das Ohr gedeutet habe, war vielen immer noch nicht klar, weswegen ich sie nicht hören konnte.

Hier zeigt sich auch das erste Problem mit dem ungewöhnlichen Format der Ohrhörer: Sie lassen sich nur mühsam verstauen. In der Hosentasche zieht man oftmals versehentlich die Kopfhörer- und “Flossen”-Aufsätze ab. Das eiförmige Gehäuse ist zudem zu groß, um es bequem in einer Hosen- oder Jackentasche zu verstauen. Wer die Ohrhörer verliert, kann diese per App suchen. Allerdings ist die Funktion nur eingeschränkt sinnvoll, denn es wird lediglich jene Position angezeigt, an der das Smartphone zuletzt mit den Ohrhörern verbunden war. Wer einen Ohrhörer im Raum verlegt hat, muss weiterhin auf Glück hoffen. 

Nur für kurze Strecken

Für den Sport sind die Jaybird Run ideal. Sie fielen über die mehrwöchige Testphase nie aus dem Ohr heraus oder verloren den Halt. Für Triathleten oder Marathon-Läufer sind sie allerdings nur eingeschränkt brauchbar. Die Kopfhörer werden zwar mit „Schweißbeständigkeit und Wasserfestigkeit“ beworben, eine IP-Zertifizierung fehlt jedoch. Damit sind sie nicht wasserdicht und sollten nicht zum Schwimmen mitgenommen werden. Für längere Einsätze fehlt zudem die Ausdauer.Die beiden Ohrhörer haben 80-mAh-Akkus verbaut, die laut Hersteller bis zu vier Stunden durchhalten sollen. Im Test machten die vollständig geladenen Ohrhörer aber meist nach dreieinhalb Stunden schlapp - für so manchen Marathon könnte das zu knapp werden.

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Die Ohrhörer können ausschließlich mit der mitgelieferten Ladeschale geladen werden. Diese hat ausreichend Akku, um die Ohrhörer zwei Mal vollständig zu laden und verlängert somit - zumindest theoretisch - die Laufzeit auf bis zu zwölf Stunden. Auf einen längeren Lauf wird jedoch kaum jemand die Ladeschale mitnehmen. Fünf Minuten Laden sollen laut Hersteller bereits für eine Stunde Wiedergabedauer ausreichen, ein vollständiger Ladevorgang kann bis zu zwei Stunden dauern.

Nicht fehlerfrei

Im wohl wichtigsten Punkt, dem Klang, wissen die Run zu überzeugen. Die Wiedergabe ist klar und laut möglich, wobei sich bei hoher Lautstärke ein leichtes Grundrauschen bemerkbar machte. Auch der Bass ist trotz der relativ kleinen Lautsprecher - sechs Millimeter Durchmesser - gut gelungen. Das Audioprofil kann über die mitgelieferte App an die eigenen Vorlieben angepasst werden. Dort finden sich auch Voreinstellungen für verschiedene Musikgenres. Jaybird hat zudem die bekannten Ultramarathon-Läufer Timothy Olson und Rory Bosio verpflichtet und deren bevorzugten Audioprofile und Playlists veröffentlicht.

Den guten Eindruck trüben allerdings zwei Probleme. Bei der Wiedergabe von Videos gab es erhebliche Probleme. So gab es meist eine Verzögerung von einer halben bis zu einer Sekunde. Dieses Problem ließ sich auf mehreren Smartphones reproduzieren. Die Kopfhörer blieben zudem bei Videos in einigen populären Apps, beispielsweise Facebook, stumm. Meist musste man die Wiedergabe pausieren und erneut starten, damit der Ton auch auf den Ohrhörern wiedergegeben wurde. Das zweite wesentliche Problem stellt die Verbindung dar.

Abgehackt

Der rechte Ohrhörer ist die “Zentrale”. Er hält die Verbindung zum Smartphone sowie dem linken Ohrhörer aufrecht. So soll gewährleistet werden, dass die Wiedergabe zumindest auf einem Ohrhörer weiterläuft, sollte die Verbindung abreißen. Leider war das die Regel statt der Ausnahme. Vor allem neben stark befahrenen Straßen riss die Verbindung mehrmals pro Minute ab, gelegentlich verstummten die Ohrhörer sogar komplett. Wenn das Smartphone die Verbindung zu den Ohrhörern verliert, wird die Wiedergabe automatisch pausiert - so ist zumindest gewährleistet, dass man nichts verpasst. Dennoch waren die ständigen Ausfälle frustrierend, insbesondere da die Probleme scheinbar wahllos auftreten. Jaybird hat mittlerweile ein Firmware-Update veröffentlicht, das die Probleme beheben soll. Tatsächlich war danach die Verbindung stabiler, dennoch kommt es häufig zu Teilausfällen. Erneutes manuelles Verbinden war nie notwendig, dennoch ist es frustrierend, wenn die Musik bei einem längeren Lauf plötzlich nur mehr auf einem Ohr zu hören ist, als hätte man gerade einen Hörsturz erlitten.

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Die Bedienung ist auch verbesserungswürdig. Während viele andere Hersteller mittlerweile auf Touch-Bedienung setzen, wurde die Außenfläche der Ohrhörer als physische Taste ausgeführt. Über den rechten Ohrhörer wird die Wiedergabe gesteuert (einmal drücken startet und pausiert die Wiedergabe, doppeltes Drücken überspringt den aktuellen Titel), auf dem linken Ohrhörer wird der Sprachassistent gestartet. Da man meist etwas kräftiger drücken muss, kann das auf die Dauer recht unangenehm sein.

Auf Audio konzentriert

Im Vergleich zu anderen Ohrhörern dieser Preisklasse verfügen die Jaybird Run über relativ wenige Zusatzfunktionen. Neben der Audiowiedergabe werden lediglich zusätzlich Sprachassistenten unterstützt - unter iOS handelt es sich dabei um Siri, bei Android-Geräten antwortet der Google Assistant. Eine praktische Funktion, wenn man unterwegs rasch eine SMS verschicken, eine Notiz anfertigen oder jemanden anrufen möchte, ohne das Smartphone in die Hand zu nehmen. Das Mikrofon funktioniert relativ gut, Sprache wurde stets zuverlässig erkannt. Lediglich bei lauteren Umgebungen sowie mit einer Haube musste man doch zum Smartphone greifen.

Andere Bluetooth-Ohrhörer sind hier deutlich üppiger ausgestattet. Bragis Dash Pro will beispielsweise eine eierlegende Wollmilchsau sein und ist mit MP3-Player, Pulssensor und GPS ausgestattet. So soll man stets das Smartphone zuhause lassen können. Das hat allerdings auch einen deutlich höheren Preis: 349 Euro verlangt der deutsche Hersteller für sein aktuelles Top-Modell.

Fazit

Die Jaybird Run sind ein guter Begleiter für das Fitnesscenter oder kurze Läufe, einige Kleinigkeiten verhindern aber eine Empfehlung. Insbesondere die Verbindungsabbrüche und die schmerzhafte Steuerung sorgen in Anbetracht des hohen Preises (199 Euro UVP) doch dafür, dass man sich einen Kauf zweimal überlegt. Der Hersteller wird sich in der kommenden Generation dieser Probleme hoffentlich annehmen. Alternativ gibt es mittlerweile Jabras Elite 65t (wasser- und staubdicht nach IP55) und Boses SoundSport Free, die in einer ähnlichen Preisklasse erhältlich sind.

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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