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Spielen in der Wolke: OnLive im Test

Immer stärker sinkende Verkaufszahlen sorgen derzeit für ein Umdenken in der Spielebranche. Denn obwohl die Zahl der in herkömmlichen Geschäften verkauften Spiele seit Jahren stetig im Sinken begriffen ist, verzeichnet das Downloadgeschäft über Plattformen wie Steam oder EAs Origin neue Rekordzahlen. Viele Spieler empfinden es als komfortabler einfach per Mausklick ein Spiel zu erwerben. Allerdings hat dieses System noch immer einen empfindlichen Nachteil: das Spiel muss heruntergeladen werden. Das kann bei Spielen mit bis zu 15 Gigabyte an Daten des Öfteren zur Geduldsprobe verkommen.

Hier könnte OnLive Abhilfe schaffen. Der Cloud Gaming-Dienst verspricht dem Spieler sofortigen Zugriff auf das Spiel. Möglich ist das durch die Auslagerung der Spieldaten auf die Server von OnLive: das eigentliche Spiel läuft auf einem leistungsfähigen Gerät in einem Datencenter der Firma. Der Spieler bekommt lediglich einen komprimierten Videostream auf seinem Bildschirm zu sehen.

Onlive startet im September in Europa
Mit diesem Konzept sorgte OnLive bereits zu seiner Ankündigung 2009 für Aufsehen. Ein Jahr nachdem der Dienst in den USA startete findet OnLive nun auch seinen Weg nach Europa: am 22. September fällt der Startschuss in Großbritannien. Dafür wurde eigens ein neues Datencenter in Luxemburg errichtet, das künftig auch andere europäische Länder mit Videospielen versorgen soll. „Wir arbeiten hart daran, OnLive auch für den Rest Europas verfügbar zu machen. Möglicherweise wird uns das in Deutschland und einigen anderen europäischen Ländern noch bis Ende dieses Jahres gelingen.“, kommentierte Tom DuBois, Executive Producer bei OnLive, die Expansionspläne auf der diesjährigen Games Developer Conference.

Bedienung
Die Oberfläche von OnLive selbst ist sehr übersichtlich gestaltet und bietet nur einige wenige Menüpunkte. Die Bedienung kann, unabhängig von der eingesetzten Plattform, sowohl mittels Gamepad als auch über Tastatur und Maus erfolgen. Der neue drahtlose Universalcontroller, der im Laufe des vierten Quartals erscheinen wird, lässt sich über Bluetooth auch mit Tablets verbinden. Da bislang nur wenige Spiele tatsächlich eine Bedienung über das Touch-Interface unterstützen, wird man hier wohl auch zumeist auf das Gamepad zurückgreifen müssen. Wem ein 10 Zoll Bildschirm nicht ausreicht, kann das Tablet auch als Ersatz für das 99 US-Dollar teure OnLive Game System nutzen, das für Spielen am Fernsehgerät benötigt wird.

Den anderen über die Schulter schauen
Eines der interessantesten Features von OnLive ist die sogenannte Arena, in der aktuelle Spielsitzungen von anderen OnLive-Spielern mitbeobachtet und per Voice-Chat kommentiert werden können. So simpel dieses Feature klingen mag – der Unterhaltungsfaktor ist enorm. Das hat auch OnLive erkannt und zusätzlich zur Arena die Brag Clips eingeführt. Da OnLive ohnehin die Bildschirminformationen komprimiert und zwischenspeichert, werden standardmäßig die jeweils zehn letzten Sekunden des Spiels aufgezeichnet. Gibt es nun einen Moment im Spiel, den der Spieler gerne mit anderen teilen möchte, so kann er per Knopfdruck nun ebendiese zehn Sekunden speichern lassen. Diese Technik dient allerdings nicht nur der Unterhaltung – bei Programmfehlern wird ebenso ein Clip angelegt und mit der Fehlerbeschreibung verknüpft. Entwickler können auch, ähnlich der Arena, Spielsitzungen von anderen Spielern beobachten und so analysieren, welche Aspekte des Spiels verbesserungswürdig wären. Allerdings bietet OnLive seinen Spielern die Möglichkeit, Spielsitzungen vor fremden Blicken zu schützen.

Mäßige Auswahl
Als größtes Manko von OnLive kann ohne Zweifel die sehr eingeschränkte Auswahl an Spielen bezeichnet werden. Derzeit stehen 107 Titel zur Auswahl – zum Vergleich: Steam bietet derzeit mehr als 1200 Titel an. Unter der Auswahl auf OnLive befinden sich neben aktuellen Spielen wie Duke Nukem Forever oder FEAR 3 auch einige ältere Titel wie Deus Ex. Nahezu jedes Spiel kann vor dem Kauf für 30 Minuten ohne Beschränkungen getestet werden. Wenn das Spiel anschließend erworben wird, wird sogar der Spielstand mit übernommen. Beim Kauf gibt es mehrere Optionen: einerseits den PlayPass, mit dem das Spiel dauerhaft oder auch nur für 3 oder 5 Tage gekauft werden kann, andererseits das sogenannte PlayPack, das für 9,99$ pro Monat vollen Zugriff auf knapp 80 Titel erlaubt.

Anforderungen: Minimal
Das Konzept von OnLive sorgt insbesondere unter erfahrenen Spielern immer wieder für Skepsis. Viele befürchten, da das Bild per Streaming zum Spieler gelangt, dass erhebliche Verzögerungen zwischen der Eingabe und dem Bild entstehen könnten. Das war bei unserem Test nicht der Fall, selbst schnelle Spiele wie die Shooter Homefront oder FEAR 3 ließen keine Verzögerungen erkennen. OnLive versucht nach eigenen Angaben die Verzögerung zwischen einer Eingabe und dem Erzeugen des nächsten Bildes (Frame) unter acht Millisekunden zu halten. Dafür benötigt man lediglich einen Internetzugang mit zumindest 2 Mbps, wobei OnLive für optimale Ergebnisse zu 5 Mbps oder mehr rät.

Qualität: hoch
Das Bild selbst kommt in einer Auflösung von 1280x720 Pixeln (720p) von den OnLive-Servern und entspricht der Standardauflösung moderner Konsolen. Die Qualität des Bildes ist allerdings von der Bandbreite des eigenen Internetanschlusses abhängig – dadurch kann das Ergebnis von gestochen scharfen Bildern bis hin zu groben Klötzen variieren. Eine entsprechende Bandbreite vorausgesetzt, ist auch 5.1-Sound oder Voice-Chat möglich.

Die Zukunft
„Was würden Sie mit der Leistung der Cloud tun?“ - Tom DuBois sprüht geradezu vor Begeisterung, als er den zahlreichen Vertretern der Videospielbranche seine Pläne für die Zukunft präsentiert. Als Beispiel führt er den Trailer zum aktuellen Titel Batman: Arkham City vor. Die gezeigten Szenen sind zwar bereits vorberechnet, doch über den Cloud-Dienst könnten solche Szenen in Videospielen bald in Echtzeit möglich sein. „In ein paar Jahren werden bereits Spiele über unseren Dienst verfügbar sein, die [technisch] nie auf einem Heimgerät wie einer Spielkonsole oder einem PC möglich wären.“

Fazit
Die Vorteile von OnLive liegen auf der Hand: keine umständlichen Installationen mehr, geringe bis gar keine Anschaffungskosten für Hardware und schneller Zugriff auf Spiele. Doch so revolutionär diese Technik für viele sein mag, muss sie sich doch dem harten Wettbewerb mit Microsoft, Sony und Nintendo stellen. Ohne umfangreiches Spieleangebot wird dieser Kampf wohl aussichtslos sein. Daran werden auch die abenteuerlichen Voraussagen von Tom DuBois nichts ändern: „Die nächste Konsolengeneration wird die letzte sein, die auf Einzelgeräte setzt. Cloud Gaming ist die Zukunft.“

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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