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Spieletest: Sam ist sauer in Splinter Cell: Blacklist

Der Vorgänger, Conviction, hat für viele eingefleischte Splinter Cell Fans zu sehr auf Action und zu wenig auf Schleichen wert gelegt. Dem Titel wurde vorgeworfen, sich zu stark an Deckungs-Shootern zu orientieren und damit an die Action-Gamer anbiedern zu wollen. Mit Blacklist (PS3, Xbox360, PC, Wii U, ab 18 Jahren) will Ubisoft nun den Spagat schaffen. Die Schleicher sollen zurück ins Boot geholt werden, ohne Action-Fans die Gameplay-Türe vor der Nase zuzuknallen. Die futurezone hat das Spiel getestet.

Nach den Ereignissen von Conviction ist Sam Fisher wieder im Dienst für die US-Regierung – natürlich so geheim, dass diese die Existenz der Gruppe Fourth Echelon bestreitet. Fisher ist der Boss dieses Teams und soll eine Terroristengruppe namens Engineers stoppen, die verheerende Anschläge in den USA planen.

My Home is my Plane

Die Basis von Fourth Echelon ist das Flugzeug Paladin. Hier findet jegliche Interaktion vor und nach einer Mission statt und ist ein gelungener Ersatz für die sonst üblichen, starren Auswahlmenüs. Als Sam erkundet man das Flugzeug, spricht mit Grimm, wenn man die Zentrale upgraden will, mit Charlie, wenn es um Ausrüstung geht oder nutzt den Display-Tisch des SMI, um Story- oder Nebenmissionen zu starten. Auffällig dabei ist, dass Sams Gesicht deutlich detaillierter modelliert wurde als die der Nebencharaktere. Während man bei dem gealterten Agenten meint Falten und weiße Haare einzeln zählen zu können, wirkt Grimms Gesicht und Frisur starr – hier wurde wohl mehr Wert auf die korrekte Darstellung des Dekolleté gelegt.

Auch der Großteil der Story-relevanten Zwischensequenzen finden auf Paladin statt. Darin wird deutlich, dass Sam ein Aggressionsproblem hat. Anscheinend hat ihm das höhere Alter zu einem Grantler gemacht – im Laufe des Spiels legt er sich mit jedem mal verbal an und auch die anderen Team-Mitglieder scheinen streitlustig.

Diese „du bist schuld“-Grundstimmung soll wohl die angespannte Situation widerspiegeln, die aufgrund des Zeitdrucks herrscht, um den nächsten Terroranschlag zu verhindern. Der Zeitdruck ist nur Teil der Hintergrundgeschichte, als Spieler gibt es (erfreulicherweise) nur ganz wenige Situationen in Levels, in denen man sich beeilen muss. Dennoch hat man das Gefühl, dass die Streitigkeiten im Team übertrieben sind, vor allem, wenn es schon in der nächsten Zwischensequenz wieder heißt: Nur gemeinsam sind wir stark.

Solo Schleicher

Bei den Missionen der Story-Kampagne heißt Teamarbeit üblicherweise: Sam ist unterwegs und Charlie und Grimm funken ihn Mission-Updates zu. Die Levels sind, verglichen zum Vorgänger, überraschend flexibel. Es gibt zwar ein klares Ziel zu erreichen, aber das auf mehrere Wege und Arten, wodurch eine hohe Anzahl an Varianten entstehen. Ein Beispiel: Man muss sich in ein Haus schleichen. Will man die Vordertüre nehmen, könnte man von Deckung zu Deckung huschen und Gegner die zu nahe kommen, mit einem Noise Maker ablenken.

Oder man macht dasselbe und erschießt oder betäubt die Wachen. Man könnte sich aber auch über die Dachrinne des Nebengebäudes zum offenen Fenster hangeln, oder durch einen Kanalschacht gehen. Eine andere Möglichkeit wäre, mit der ferngesteuerten Drohne vorher das Gebiet zu erkunden und mit dem eingebauten Elektro-Pfeilwerfer unaufmerksame Gegner zu betäuben. Vielleicht lockt man aber auch lieber die 2 Wachen zusammen, in dem man einen Scheinwerfer mit der schallgedämpften Pistole kaputt schießt und wirft ihnen eine Schlafgasgranate vor die Füße…

Gespielt wird aus der klassischen Third-Person-View. Die automatische Kameraeinstellung macht einen sehr guten Job – in 9 Stunden Spielzeit ist es nur einmal vorgekommen, dass ein Körperteil von Sam den Gegner, auf den gezielt wurde, verdeckt hat. Das Deckungssystem wurde vom Vorgänger Conviction übernommen und funktioniert meist auch gut – nur selten springt die Markierung nicht auf die Deckung, hinter die man als nächstes hechten will. Wichtig ist auch wieder Licht und Schatten. Im Schatten wird man schwerer entdeckt. Wo kein Schatten ist, kann man ihn schaffen. So kann man Lichtquellen kaputt schießen oder einfach den Schalter betätigen, wenn man ihn findet.

Geld für alles

Egal wie man das Level bestreitet, man wird dafür belohnt. Blacklist teilt die Aktionen des Spielers in die Kategorie Ghost (völlig unbemerkt), Panther (lautloser Killer) und Assault (Kampf) ein. Schleicht man an Gegnern vorbei, gibt es dafür Punkte, die am Ende des Levels in Geld umgewandelt werden. Schleicht man durch Lüftungsschächte oder klettert man Fassaden entlang, gibts Punkte. Betäubt oder tötet man ein Gegner lautlos und unbemerkt: Punkte. Auch für das Beseitigen von Feinden in einer offenen Kampfhandlung werden Punkte gutgeschrieben. Zwar etwas weniger als für lautlose Kills, dafür trifft aber meist Verstärkung ein – mehr Gegner, mehr Punkte.

Das Geld wird genutzt um Paladin upzugraden, was etwa eine Radar-Anzeige zum Hud hinzufügt oder eine schnellere Health-Generation. Die zweite Möglichkeit sein Geld loszuwerden, ist es in Ausrüstung und Waffen zu stecken. Um etwa die Splinter Cell typische Wärmebild-Sicht zu bekommen, muss man erst Upgrades für die Brille kaufen. Viele Gadgets, wie Schlafgas, Armbrust mit Elektropfeilen oder Flashbangs, müssen ebenfalls erst gekauft werden.

Arsenal

Auch bei den Waffen gibt es diesmal eine große Auswahl, wovon alle nochmals mit verschiedenen Upgrades verbessert und modifiziert werden können. Schade ist, dass ziemlich schnell klar ist, dass die Prototypen-Waffen die ultimativen Werkzeuge im Kampf gegen das Böse sind und man sich so erst gar nicht durch die anderen durchprobieren muss. In Blacklist gehört das Karambit zu Sams Grundausstattung. Mit dem Messer werden Feinde im Nahkampf oder aus dem Hinterhalt ausgeschaltet. Alternativ können Gegner auch mit bloßen Händen betäubt werden, ohne sie zu töten.

Wirkliche Geldsorgen hat man eigentlich nicht – vor allem wenn man zwischen der Story auch Nebenmissionen allein oder im Koop spielt. Diese spülen ordentlich Geld in die geheime Kriegskasse. Aber zumindest ist nicht so viel da, dass man sich alles auf einmal leisten kann. So kann man nicht nach nur ein paar Missionen die jeweils beste Waffe einer Kategorie besitzen und die beste Version des Kampfanzuges.

Neben den Kampfanzug können auch die Handschuhe, Hosen und Stiefel aufgerüstet werden. Dabei hat man die Auswahl, ob man durch die Ausrüstung eher den Schutz erhöhen will oder Sams Schleichfertigkeiten. Natürlich kann man auch die Teile und Konfigurationen mischen, meist macht es aber mehr Sinn, sich auf eine Sache zu konzentrieren.

Es sich selbst schwer machen

Abgesehen von ein paar unfairen Stellen in Levels, sollten alle Schwierigkeitsgrade für erfahrene Splinter-Cell-Spieler zu schaffen sein. Auf der anderen Seite kann selbst der einfachste Schwierigkeitsgrad für Action-Stealth-Genre-Neulinge frustrierend sein.

Blacklist lässt aber den Spieler den Schwierigkeitsgrad in beide Richtungen nahezu stufenlos beeinflussen, in dem man sich etwa eigene Ziele setzt oder bestimmte Aursütungs-Kombinationen verwendet. Will man es schwerer, verzichtet man auf das Radar oder setzt sich selbst zum Ziel, komplett unbemerkt und ohne Feindkontakt durch die Levels zu bekommen. Vielleicht doch zu schwer? Dann könnte man versuchen, nur mit nicht tödlichen Mitteln die Gegner auszuschalten oder nur die Waffen zu verwenden, die im Tom Clancy Roman Rainbow 6 von der Spezialeinheit genutzt wurden.

Oder soll es leichter sein? Dann ist zu Radar mit Sonar-Brillen-Upgrade empfohlen, und ein schallgedämpftes Sturmgewehr mit Reichweiten-Upgrade. So kann man die Gegner auch durch Wände hindurch markieren, um maximal 3 von ihnen, wenn sie danach im Sichtbereich sind, per Tastendruck der Y-Taste bequem gleichzeitig erledigen.

Herzklopfen

Wenn man nicht gerade Blacklist wie einen Deckungs-Shooter spielt und in Actionfilm-Manier mit der Schrotflinte im Anschlag durch die Levels stürmt, vermittelt das Spiel wieder das Herzklopfen, das man von Splinter Cell: Chaos Theory kennt.

Wenn man von Deckung zu Deckung huscht, gerade so in den Schatten kommt um nicht gesehen zu werden, oder an einer Röhre hangelnd einen Hinterhalt vorbereitet, hat man diese angenehme Anspannung. Und wenn dann der Plan auf geht, auch wenn es nur das komplizierte Heranschleichen an einen Gegner war, um ihn im Nahkampf auszuschalten, anstatt in einfach mit einem Scharfschützengewehr auszuschalten, entsteht ein wohliger Adrenalin-Endorphin-Cocktail im Körper. Obwohl die einzelnen Levels relativ lange dauern (je nach Spielstil), ist man dann doch meist enttäuscht, wenn es schon vorbei ist.

Weltenbummler

Abgesehen von den mehreren Wegen und Herangehensweisen, unterscheidet sich auch das Setting der Levels deutlich voneinander. Abgesehen von den USA gibt es Einsätze rund um den Globus, in denen Sam zu allen Tageszeiten, in verschiedenen Wetterlagen und Vegetationszonen schleicht. Mal in Gebäuden, mal an den Wänden davon entlang, in Ruinen, Tunneln oder modernen Komplexen – langweilig wird es nicht. Ein wenig seltsam sind die gezwungenen Action- und Kletter-Passagen, die aus anderen Genres geborgt wurden. Die dem Spieler aufgezwungenen Schleich-Passagen können zwar auch nervig sein, passen aber natürlich zum Stealth-Genre.

Hat man nach rund 9 Stunden (je nach Spielstil und Schwierigkeitsgrad länger oder kürzer) die Missionen der Einzelspieler-Kampagne durch, bleiben immer noch die 14 Nebenmissionen, die kooperativ zu zweit online, im Splitscreen oder teilweise auch allein gespielt werden können. Mal sind es reine Schleichmissionen, dann wieder Wellen-Verteidigungsmissionen oder eine Stealth-Action-Mischung, wie die Kampagnen-Missionen. Zu zweit macht es zwar Spaß, intensiv zusammenarbeiten muss man aber nicht, wie dies beim Koop-Modus von Chaos Theory der Fall war.

Ist auch das erledigt, gibt es noch den Spies vs. Mercs Multiplayer-Modus. Im klassischen Modus treten 2 Spione, die das Spiel wie gewohnt aus der Third Person View sehen, gegen 2 stark bewaffnete Söldner an, die in der First-Person-View spielen. Im Blacklist-Modus ist ein 4 vs 4 mit gemischten Rollen im Team möglich, sowie das Modifizieren der Ausrüstung.

Blacklist lebt fast ausschließlich Gameplay. Denn die Story ist ein wenig zu banal und der Zickenkrieg an Bord der Paladin ist nicht gerade ein Highlight. Dafür macht es einfach Spaß verschiedene Wege und Taktiken in den Missionen auszuprobieren. Dadurch gibt es auch einen hohen Wiederspielwert, weil man wissen möchte, wie man es anders hätte machen können und dabei womöglich weitere Wege und Strategien entdeckt, die man wiederum ausprobieren will.

Verfechter der Ur-Splinter-Cell-Games werden wohl auch mit Blacklist nicht ganz zufrieden sein, aber immerhin ist es eine gelungene Versöhnung nach Conviction. Wer mit Double Agent oder Conviction das Splinter-Cell-Universum kennen gelernt hat, wird Blacklist mögen. Neueinsteiger in die Serie könnten sich anfangs schwer tun, werden aber durch das gelungene Gameplay trotzdem gefallen an Blacklist finden, wenn sie dem Stealth-Genre nicht abgeneigt sind.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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Gregor Gruber

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