Corona wird zum Problem für die Wettervorhersage
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Flugzeuge transportieren nicht nur Fracht, Urlauber und Geschäftsreisende. Sie stellen auch eine wichtige Datenquelle für Meteorologen dar. Was viele Menschen bislang womöglich gar nicht wussten, tritt nun durch die Corona-Krise zu Tage. Weil viele Staaten Einreisestopps verhängt und viele Passagiere ihren Flug storniert haben, bleiben immer mehr Flugzeuge am Boden. Viele Fluglinien haben ihren Betrieb gänzlich eingestellt. Meteorologen stehen dadurch weniger Informationen über Temperatur, Druck, Luftfeuchtigkeit und Windverhältnissen in unterschiedlichen Höhen zur Verfügung.
Rückgang um 65 Prozent
Verkehrsflugzeuge zeichnen solche Messdaten üblicherweise während des gesamten Fluges auf. Per Funk werden sie dann der Flugverkehrskontrolle übermittelt. Fluglinien, die am internationalen Programm "Aircraft Meteorological Data Relay" (AMDAR) teilnehmen, geben diese Daten für die Wettervorhersage frei. Sie fließen dann in weltweite Prognosemodelle (siehe unten) ein. Das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) hat nun seit Anfang März einen Schwund bei Wetterdaten von Flugzeugen um 65 Prozent beobachtet. Im Rest der Welt betrug der Rückgang währenddessen 42 Prozent. Die Tendenz ist in jedem Fall sinkend.
Vertikalprofile
Wie wichtig sind Wetterdaten von Flugzeugen für die Erstellung von Prognosen? "Beim Wetter stehen Verhältnisse in unterschiedlichen Höhen im Zusammenhang", erklärt Nikolas Zimmermann vom internationalen Wetterdienst UBIMET, der seinen Sitz in Wien hat. "Wenn man Wettervorhersagen erstellt, arbeitet man von oben nach unten." Da Flugzeuge während Aufstieg, Reiseflug und Landung durchgehend Wetterdaten aufzeichnen, könne man vollständige Vertikalprofile zu Temperatur, Druck, Wind etc. vom Boden bis zum Flugniveau erstellen.
Labile Atmosphäre
"Zwischen der Temperatur in 10.000 Metern und in 1500 Metern Höhe kann es große Unterschiede geben. Je größer die sind, desto labiler ist die Atmosphäre", erklärt Zimmermann. Was man daraus gut ableiten kann, sei etwa die Gewitterwahrscheinlichkeit. Fallen Flugzeugdaten weg, so kann man etwa weniger genau vorhersagen, ob es in einer bestimmten Region zu Gewittern kommt. "Wenn man sich auf rein automatisierte Prognosen verlässt, wie sie etwa die meisten Wetter-Apps verwenden, kann es sein, dass die Qualität nachlässt."
Für allgemeine Wettervorhersagen wird dies kaum problematisch sein, meint Zimmermann. In speziellen Bereichen kann es aber zu Beeinträchtigungen kommen. Flugzeugpiloten müssen sich auf weniger präzise Angaben zu Zonen einstellen, in denen es zu Turbulenzen kommen kann. Wanderer sind einem höheren Risiko ausgesetzt, dass es trotz anderslautender Prognose auf ihrer Route zu einem Gewitter kommt.
Gegenmaßnahmen
Weil Daten von Flugzeugen wegfallen, haben einige Wetterdienste bereits begonnen, öfter am Tag Radiosonden an Heliumballons aufsteigen zu lassen. "Aber das ist ein Tropfen auf den heißen Stein", meint Zimmermann. Vier statt bisher zwei Sonden loszuschicken anstatt täglich Daten von zehntausenden Flügen zu erhalten, sei eine reine Notmaßnahme.
Einen gewissen Ersatz bieten auch Daten vom europäischen Satelliten Aeolus, der seit 2018 die Erde umkreist. Er ist der erste Satellit, der mittels Laser die Windbedingungen in der Atmosphäre untersucht. Aber auch er liefert Daten nicht in jener Fülle, wie sie durch Flugzeuge ermittelt wurden.
Eine weitere Möglichkeit, um Unschärfen zu vermeiden, sei laut Zimmermann das Kombinieren mehrerer Prognosemodelle. "Wir haben ein Verfahren namens Hydra entwickelt, bei dem Modelle je nach Region unterschiedlich gewichtet werden." Bestimmte Wetter-Apps wie Windy oder Meteoblue arbeiten ähnlich.
Prognosemodelle
Berechnung
Das Um und Auf in der Wettervorhersage sind Computermodelle. Aus Tausenden Parametern leiten sie ab, wie sich das Wetter in Zukunft entwickelt. Superrechner sind dafür notwendig.
Die zwei Großen
International gibt es zwei große Modelle: Das US-amerikanische Global Forecast System (GFS) und das Modell des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF). GFS können Wetterdienste und App-Anbieter gratis nutzen, ECWMF hat eine höhere Auflösung und ist kostenpflichtig.
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