Corona-Krise macht die Luft sauberer
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Anfang März konnte man auf Satellitenbildern klar erkennen, dass die Konzentration von Stickstoffdioxid in China rasant abgenommen hat. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass dasselbe Phänomen auch in Norditalien beobachtet werden konnte.
In beiden Fällen dürften wohl Ausgangsbeschränkungen im Kampf gegen das Coronavirus den Ausschlag gegeben haben. Nach Inkrafttreten dieser Maßnahmen in Österreich sieht es so aus, als ob die Schadstoffbelastung hierzulande ebenfalls zurückgeht.
Gefährliches Nebenprodukt
Stickstoffdioxid (NO2) entsteht großteils als Nebenprodukt bei der Verbrennung von Treibstoff im Straßenverkehr. Gemeinsam mit Stickstoffmonoxid zählt das Gas zu den Stickoxiden, die für Menschen besonders schädlich sind. NO2 beeinträchtigt die Lungenfunktion und fördert Herz-Kreislauferkrankungen. Außerdem führt es zur Bildung von bodennahem Ozon und Feinstaub.
"In Norditalien war die Stickstoffdioxid-Belastung bisher so hoch, weil die Po-Ebene ein Wirtschaftszentrum und zudem relativ dicht besiedelt ist. Dort gibt es viel Verkehr, es werden viele fossile Brennstoffe verbrannt", sagt Stefan Schreier vom Institut für Meteorologie und Klimatologie der Universität für Bodenkultur in Wien. "Außerdem gibt es dort häufig stabile Wetterbedingungen, die Emissionen bleiben sehr konzentriert."
Im Gegensatz zu anderen Gasen ist NO2 sehr kurzlebig. Man entdeckt es deshalb bei guten Wetterbedingungen (z.B. wenig Wind) genau dort, wo es ausgestoßen wird. Quellen lassen sich dadurch gut eingrenzen, erklärt Jens Borken-Kleefeld vom Forschungsinstitut IIASA, das u.a. die EU-Kommission in Fragen der Umweltgesetzgebung berät. "Wo weniger NO2 auftaucht, entstehen im selben Maß auch weniger Treibhausgase wie Kohlendioxid." Was gut ist für die Luftqualität, ist also indirekt auch gut für das Klima.
Sauberere Luft auch in Österreich
Dass die Schadstoffemissionen durch Corona-Schutzmaßnahmen zurückgehen, sieht Borken-Kleefeld als logische Konsequenz. "Es gibt deutlich weniger Flugverkehr, die Industrieproduktion wird zurückgefahren, der Energieverbrauch sinkt." Stefan Schreier ist überzeugt, dass es auch in Österreich zur Verbesserung der Luftqualität kommt.
Beim Ansehen von Messdaten aus Wien sei ihm ein Hinweis darauf bereits aufgefallen: "Am Dienstag waren die Werte ungewöhnlich. Es ging kaum Wind, an solchen Tagen erreichen Konzentrationen von Stickstoffdioxid für Wiener Verhältnisse außerordentlich hohe Werte. Am Dienstag waren sie aber auf jeden Fall niedriger als an normalen Arbeitstagen." In ein bis zwei Wochen werde man wahrscheinlich Genaueres sagen und Vergleiche mit Werten aus dem Vorjahr ziehen können.
Das österreichische Umweltbundesamt meldet seinerseits noch keine deutliche Abnahme der Schadstoffbelastung. "Längerfristig sollte aber eine Verringerung der Luftschadstoffbelastung zu beobachten sein", heißt es auf Anfrage der futurezone.
Wie gemessen wird
Gemeinsam mit Kollegen nimmt Stefan Schreier Messungen in Wien durch bodengestützte Sensoren vor. Dabei werden mittels Spektroskopie Abweichungen in der Farbzusammensetzung des Lichts analysiert. Spurengase (also alles in der Atmosphäre außer Stickstoff, Sauerstoff und Argon) absorbieren Licht in spezifischen Wellenlängenbereichen, weshalb man ihre Konzentrationen in der Luft genau angeben kann.
Die Messdaten, mit denen die sinkenden NO2-Konzentrationen in China und Italien festgestellt wurden, stammen vom europäischen Satelliten Sentinel-5P. Mit der beschriebenen Methode misst er die NO2-Werte rund um den gesamten Globus. Der 2017 im Rahmen des Copernicus-Programms gestartete Satellit liefert dabei eine Auflösung von 3 x 7 Kilometer. "Damit sehen wir schon die Werte einzelner Städte", meint Schreier. Obwohl man durch bodengestützte Messungen örtliche Unterschiede noch genauer messen kann, sei dies ein großer Schritt für die weltweite Erfassung von NO2-Konzentrationen.
Über den europäischen Atmosphärenüberwachungsdienst sind die Messdaten für Forscher in aller Welt frei verfügbar. So kam es, dass die Nachricht über den NO2-Rückgang in China zuerst von der NASA verbreitet wurde. "Die waren einfach am schnellsten", sagt Schreier.
Krise zeigt, was möglich ist
Die Corona-Krise wirkt sich nun also positiv auf die Luftqualität und auf die Reduktion von Treibhausgasemissionen aus. Wenn radikale Einschränkungen, wie es sie derzeit gibt, offensichtlich so wirksam sind, wären sie im Kampf gegen die Klimaerwärmung nicht generell empfehlenswert?
"Was wir derzeit haben, ist ein unerwünschtes Notfallprogramm", meint Jens Borken-Kleefeld. "Aber wir können daraus lernen. Der Umstieg von persönlichen Treffen und Konferenzen auf elektronische Medien ist natürlich im ersten Moment eine Einschränkung, aber man sieht auch, dass dadurch sparsamer mit Zeit und Ressourcen umgegangen wird. Die Politik kann daraus lernen, wie sich Menschen neuen Gegebenheiten anpassen und welche Verhaltensänderungen möglich sind."
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