„Cruise Missile der Zukunft“: F-35 bekommt Mini-Marschflugkörper
Das britische Verteidigungsministerium feiert in einer Aussendung die Spear 3. Der „hypermoderne Mini-Marschflugkörper“ wurde zum ersten Mal von einem Kampfjet aus auf ein Ziel abgefeuert.
Stattgefunden hat der Test der „Cruise Missile der Zukunft“ bereits Mitte Oktober in Vidsel in Schweden. Robotförsöksplats Norrland ist ein Raketen- und Flugzeugsversuchsgelände, das nicht nur von der schwedischen Armee, sondern auch von vielen Rüstungskonzernen genutzt wird.
Für Waffentests gibt es dort ein Sperrgebiet mit einer Fläche von etwa 1.650 km². MBDA, Hersteller der Spear 3, ist Stammgast und hat dort etwa auch schon seine Rakete Brimstone 3 getestet.
Spear 3 für Senkrechtstarter
Für den Test wurde die Spear 3 von einem Eurofighter Typhoon gestartet. Die britische Luftwaffe nutzt zwar ebenfalls Eurofighter, aber wenn Spear 3 in Dienst gestellt wird, soll sie zuerst beim Stealth-Fighter F-35B genutzt werden.
Bis Ende des Jahres wird Großbritannien 37 F-35Bs haben. Insgesamt umfasst diese erste Tranche 48 Exemplare. Die Senkrechtstarter werden ua. auf den 2 Flugzeugträgern der britischen Marine eingesetzt, der HMS Queen Elizabeth und HMS Prince of Wales.
Erstmals gelenkt auf Ziel abgefeuert
Die Spear 3 wurde bei dem Test „aus hoher Höhe mit hoher Geschwindigkeit“ gestartet. Ihr Ziel war ein ausgedienter Panzer, den sie ansteuerte und wie geplant, aus einem steilen Winkel, getroffen hat. Statt einem Gefechtskopf hatte sie eine Telemetrie-Einheit an Bord, um Daten zum Flugverhalten zu sammeln.
Eigentlich ist es schon der zweite Flug der Spear 3. 2016 wurde ein Prototyp von einem Eurofighter gestartet.
MBDA betont aber, dass sie dabei ungelenkt war. Es war lediglich eine Flug-Demonstration, ohne die Technologie zum Erkennen und Finden von Zielen. Der jetzt erfolgreich durchgeführte „Ende-zu-Ende“-Test sei ein Meilenstein, um die Spear 3 bereit für die Indienststellung zu machen.
Großbritannien braucht dringend die Spear 3
Dass das Verteidigungsministerium für britische Verhältnisse beinahe überschwänglich den erfolgreichen Test der Spear 3 feiert, hat einen Grund. Der Mini-Marschflugkörper wurde mehrfach verschoben. Der Rüstungskonzern MBDA wurde schon 2010 mit der Entwicklung beauftragt. 2016 kam der Folgeauftrag, die Spear 3 für die F-35B kompatibel zu machen.
Ursprünglich war die Indienststellung für 2025 geplant – der erste Waffentest hätte schon 2023 stattfinden sollen. Danach hieß es, Spear 3 soll frühestens 2028 voll einsatzbereit sein. Zuletzt sagte das britische Verteidigungsministerium nur noch „bis zum Ende der Dekade“, weshalb Rüstungsexperten aktuell eher mit 2030 bis 2035 rechnen.
Und langsam wird die Zeit knapp. Großbritannien hat keine einzige Luft-Boden-Rakete für die F-35B. Gegen Bodenziele kann sie nur die Paveway-IV-Lenkbombe nutzen oder die Bordkanone.
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Die Paveway IV hat zwar mit ihrer Masse von 230 kg ausreichend Durchschlagkraft, ist aber nicht mal eine Gleitbombe. Das heißt: Die Reichweite ist sehr gering. Die F-35B müsste also sehr nahe am Ziel sein. Auch, wenn sie Tarnkappeneigenschaften hat, ist das ein enormes Risiko in umkämpften Luftraum.
Die Spear-Familie
Spear steht für Selective Precision Effects At Range. Bei den britischen Streitkräften heißen so Lenkwaffen, die von der Luft aus auf Bodenziele abgefeuert werden.
- Spear 1 ist die gelenkte Bombe Paveway IV
- Spear 2 ist die Luft-Boden-Rakete Brimstone (nicht mit britischer F-35B kompatibel)
- Spear 3 ist der Mini-Marschflugkörper
- Spear 4 ist ein geplantes Upgrade für den Marschflugkörper Storm Shadow
- Spear 5 wird die Nachfolge von Storm Shadow, die gegen Bodenziele und Schiffe eingesetzt werden soll
Hohe Reichweite dank Flügel
Die Spear 3 wird laut dem britischen Verteidigungsministerium eine Reichweite von mindestens 100 km haben, laut MBDA sind es mehr als 140 km. Möglich ist die hohe Reichweite, obwohl sie sehr kompakt ist, durch ausklappende Flügel. Daher ist sie auch mehr ein Mini-Marschflugkörper als eine gewöhnliche Luft-Boden-Rakete.
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Sie fliegt auf ihr Ziel mit hoher Unterschallgeschwindigkeit zu. Dazu nutzt sie GPS und Trägheitsnavigation (INS). Im finalen Zielanflug verwendet sie ihren Suchkopf, der Radar, Infrarot und Laser unterstützt.
Spear 3 kann Ziele autonom identifizieren und verfolgen. Über eine Datenverbindung kann der Pilot oder die Einsatzzentrale der Spear 3 ein neues Ziel zuweisen – wenn zB. im Einsatzgebiet oder auf dem Weg dahin ein wichtigeres Ziel entdeckt wurde. Außerdem kann die Spear 3 eine vorprogrammierte Route zum Einsatzgebiet fliegen, etwa um Luftabwehrstellungen auszuweichen, die auf dem Weg liegen.
Bis zu 8 Mini-Marschflugkörper in einer F-35B
Der Mini-Marschflugkörper soll gegen Schiffe, Luftverteidigung, Panzer, befestigte Stellungen und schnell-fahrende Fahrzeuge eingesetzt werden. Angaben zur Durchschlagskraft gibt es noch nicht. Da die gesamte Spear 3 weniger als 90 kg wiegen soll, wird der Gefechtskopf vermutlich unter 40 kg wiegen. Das scheint wenig, allerdings wurde Spear 3 von Beginn an als Präzisionswaffe entwickelt, um Kollateralschäden zu vermeiden.
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Der Vorteil des geringen Gewichts: Eine F-35B wird bis zu 8 Spear 3 transportieren können. Da sie lediglich 1,8 Meter lang ist, passen die alle in die internen Waffenschächte des Kampfjets und müssen nicht unter den Flügeln angebracht werden. So bleibt die Radarsignatur des Stealth-Fighters möglichst gering, um nicht von der feindlichen Luftabwehr entdeckt zu werden.
Eine einzelne F-35B könnte also 8 verschiedene Panzer oder Luftabwehrstellungen gleichzeitig bekämpfen und dabei in einem einigermaßen gemütlichen Sicherheitsabstand von über 100 km bleiben.
Für Langstrecken-Luftabwehrsysteme, wie etwa das russische S-400 und S-500 reicht das nicht – diese haben Reichweiten von über 300 km.
Die weit mehr verbreiteten Kurz- und Mittelstreckensysteme kommen aber meist nur 20 bis 40 km weit. Ein Beispiel dafür ist die russische Pantsir-Reihe.
Spear-EW als Köder
Neben der Spear 3 arbeitet MBDA simultan an der Spear-EW. Statt einem Gefechtskopf mit Sprengstoff hat diese einen für elektronische Kriegführung. Damit kann sie Signale blockieren oder Radarsignale von größeren Raketen und Flugzeugen imitieren.
So soll die Spear-EW als Köder agieren, um die Luftabwehr abzulenken. Die Idee ist, dass Spear 3 und Spear-EW im Verbund agieren. Während die Luftabwehr ihre Raketen auf die Spear-EW abfeuert, kann Spear 3 sich von einer anderen Richtung annähern und die Feuerleitzentrale bzw. die Starter der Luftabwehrbatterie zerstören.
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Für andere Kampfjets geeignet
Auch wenn die britische Regierung bei Spear 3 aktuell nur vom Einsatz für die F-35B spricht, könnte sie ebenso für die Eurofighter genutzt werden. 2018 wurde bei einer Flugshow ein Konzept für einen Pod gezeigt, der 3 Spear 3 beinhaltet.
Ein Eurofighter könnte mindestens 4 solcher Pods tragen. Trotzdem hätte er immer noch Platz für zusätzliche Treibstofftanks und Luft-Luft-Raketen.
Außerdem gibt es mit Italien bereits einen zweiten Abnehmer für Spear 3. Dort soll der Mini-Marschflugkörper nicht nur mit der F-35B, sondern auch der F-35A genutzt werden. Im Gegensatz zur F-35B ist die A-Variante für reguläre Pistenstarts gemacht.
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