Cruise Missile der Hisbollah ist eigentlich eine Tupolev Tu-143
Kürzlich haben die israelischen Streitkräfte ein Video veröffentlicht. Dieses zeigt angeblich einen Luftangriff auf ein Wohnhaus, in dem die Hisbollah eine Cruise Missile versteckt hat (ab 1:18):
Die Meldung ging durch viele Medien. Manche machten aus der „DR-3 Cruise Missile russischer Produktion“ einen „fortschrittlichen Marschflugkörper“. Tatsächlich ist die DR-3 aber überhaupt nicht fortschrittlich und ursprünglich nicht mal ein Marschflugkörper.
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Aufklärungsdrohne aus Sowjetzeiten
Es handelt sich um eine Tupolev-143 Reys. Reys ist russisch und bedeutet in etwa Flug oder Reise. Es ist eine Fernaufklärungsdrohne, die 1976 bei der sowjetischen Armee in Dienst gestellt wurde. Dort hatte sie den Namen WR-3 (deutsche Übersetzung) bzw. DR-3 (englische Übersetzung).
Die Drohne fliegt einen voreingestellten Kurs ab. Normalerweise lässt man sie in Richtung Feind starten. Dort macht sie dann einen Bogen und fliegt ins eigene Gebiet zurück, um per Fallschirm zu landen. Dann kann man die Filmkamera bergen, die während des Überflugs nach unten gefilmt hat und das Aufklärungsmaterial sichten.
Spätere Versionen konnten Livebilder zu einer Bodenstation übertragen oder waren mit Strahlungsmessgeräten ausgestattet. Die anfängliche Reichweite von lediglich 70 Kilometer wurde auf bis zu 200 Kilometer erhöht. Vermutlich wurden etwa 950 Stück gebaut.
Die Tu-143 hat eine große Schwester
Die Drohne ist 8 Meter lang und hat eine Flügelspannweite von 2,24 Meter. Das Startgewicht beträgt 1.230 kg. Optisch sieht sie wie eine geschrumpfte Version der Tupolev Tu-141 aus.
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Auch diese ist eine Aufklärungsdrohne, hat aber eine Reichweite von 1.000 Kilometer. Die Tu-141 ist 14,33 Meter lang und 6.215 kg schwer. In der sowjetischen Armee hatte sie die Bezeichnung WR-2, nachdem sie 1975 in Dienst gestellt wurde.
Zum Marschflugkörper umgebaut
Laut der israelischen Armee hat die „DR-3 Cruise Missile“ eine Reichweite von 200 Kilometer und kann einen Sprengkopf mit 300 kg tragen. Damit wäre sie eine der Raketen mit der höchsten Reichweite und größten Sprengkraft im Arsenal der Hisbollah.
Diese Angaben sind plausibel, schreibt TWZ. Denn sie decken sich mit denen eines anderen Landes, dass die Tu-143 zu einer Waffe umgebaut hat: die Ukraine. Erstmals tauchten solche Tu-143s im Juni 2022 auf, also recht früh im Kriegsverlauf, nachdem Russland Ende Februar in der Ukraine einmarschiert ist. Auch die größeren Tu-141, die ebenfalls aus Sowjetbeständen stammten, wurden zu Marschflugkörpern umgebaut.
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Tu-143 ist weniger präzise als richtige Marschflugkörper
Im Gegensatz zu modernen Marschflugkörpern nutzt die Tu-143 kein GPS. Dass die Ukraine oder Hisbollah ein GPS-gesteuertes Lenksystem nachgerüstet haben, gilt als äußerst unwahrscheinlich.
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Der Kurs muss vom Startpunkt aus einprogrammiert werden. Wird das nicht korrekt gemacht, sinkt die Präzision. Die ist ohnehin nicht besonders hoch, da das System alt ist und nie dafür gedacht war, die bis zu 950 km/h schnelle Drohne im Boden einschlagen zu lassen.
Für die Hisbollah ist das nicht so wichtig: Sie hätte die Tu-143 vermutlich einfach Richtung Zentrum einer israelischen Großstadt fliegen lassen, anstatt ein militärisches Ziel, wie etwa eine Kaserne oder ein Flugfeld, damit anzugreifen.
Tu-143 startet mit JATO-Hilfstriebwerk
Laut des israelischen Militärs bereitet sich die Hisbollah im Video gerade vor, die Tu-143 zu starten – aus dem Haus heraus, indem sie versteckt ist. Einen improvisierten Marschflugkörper aus dem Wohnzimmer starten: Geht das überhaupt?
In dem Video sieht man, wie eine Außenwand geöffnet wird. Es ist anzunehmen, dass diese Wand schon zuvor eingerissen und nur provisorisch abgedeckt wurde, damit die Tu-143 bei Bedarf schnell gestartet werden kann. Möglicherweise wurde die Tu-143 auch zuvor durch dasselbe Loch ins Haus transportiert.
Die Tu-143 ist nicht besonders anspruchsvoll, was den Start angeht. Ursprünglich war sie gedacht, um von einem Anhänger aus gestartet zu werden. Es gibt auch Lkw, die direkt den Startcontainer montiert haben.
Im Grunde reicht aber ein einfaches Schienensystem auf einer Rampe. Um so ohne Startbahn vom Boden aus abzuheben, hat sie ein JATO.
Das ist ein Hilfstriebwerk, das nach dem Start abgeworfen wird. JATOs werden etwa auch von den USA verwendet, um von kurzen Pisten starten zu können.
Bei der Tu-143 befindet sich das JATO unten am Rumpf. Es verleiht den nötigen Aufwärtsschub, bis das Haupttriebwerk gezündet wird.
Weil das eigentliche Triebwerk minimal verzögert startet, entstehen weniger Schäden bzw. Abnutzungen am Startanhänger. Im Falle des Hisbollah-Hausstarts, hätte man aber dennoch Feuerlöscher bereithalten sollen, damit in der Bude nichts zu brennen anfängt.
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Hisbollah versteckt Raketen in Tunnelsystemen
Laut der israelischen Armee wurden auch andere Waffensysteme von der Hisbollah in Wohnhäusern versteckt. Dazu gehören ballistische Raketen und Drohnen. Diese stammen nicht nur aus Sowjetbeständen, sondern wurden auch im Iran und Syrien hergestellt.
Besonders stolz ist die Hisbollah auf ihr angebliches Tunnel-Netzwerk, das man sich vom Iran abgeschaut hat. In einem Video sieht man, wie darin mehrere Lkw mit Startern für Khaibar-1-Raketen unterwegs sind.
Diese 302mm-Raketen werden in Syrien gebaut. Sie sind ungelenkt, haben eine Reichweite von etwa 100 Kilometern und einen Gefechtskopf mit 150 kg.
Über welche Raketen, Kamikaze-Drohnen und Marschflugkörper die Hisballoh genau verfügt und wie viele sie davon hat, ist unbekannt. Israel geht von mehr als 150.000 Stück aus, wobei hier viele kleinere Raketen mit geringer Reichweite miteingerechnet sind.
Loitering Munition gegen Raketen in Häusern
Rüstungsexperten hegen vorsichtige Zweifel an dieser hohen Menge. Selbst mit Höhlen, Tunneln und Wohnhäusern, die zu Raketenstartplätzen umgebaut werden, ist das schon eine große Menge an Material, das die Hisbollah verstecken muss. Das Unterbringen der Waffen in Häuser ist aber primär nicht dem Platzmangel geschuldet, sondern soll sie tarnen. Außerdem rechnet die Hisbollah damit, dass Israel Wohnhäuser nicht angreifen wird, um Kollateralschäden zu vermeiden.
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Israels „Lösung“ dafür scheinen Präzisionswaffen mit weniger Sprengkraft zu sein. Werden Raketen der Hisbollah getroffen, dürften die Sekundärexplosionen, wenn die Gefechtsköpfe hochgehen, ohnehin genug Zerstörung anrichten. Und Israel kann sagen, nur die Waffe angegriffen zu haben und nicht das Haus.
So wurde die Tu-143 laut Israel durch eine „Man-in-the-Loop“-Waffe zerstört. Damit ist etwa Loitering Munition (Kamikaze-Drohne) oder eine mit Raketen bewaffnete Drohne gemeint, die automatisch ins Zielgebiet fliegt, dort kreist und erst auf Befehl angreift. Aufgrund der Kameraperspektive wurde die Tu-143 vermutlich mit Loitering Munition zerstört, wie etwa der israelischen Harop.
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