ATLAS: Autonomer Roboter-Panzer mit 25mm-Kanone
Geht es nach den Visionen der großen Rüstungskonzerne, wird künftig nahezu jedes Großgerät unbemannt sein. Bis Kampfpanzer, Stealth-Fighter und Lenkwaffen-Korvetten ohne Besatzung unterwegs sind, wird es aber noch dauern.
Als Zwischenlösung wird an Roboter-Kriegsgerät gearbeitet, das Seite an Seite mit Menschen kämpfen soll – bei Flugzeugen wird das Konzept „Loyal Wingman“ genannt. Der Rüstungskonzern BAE will das jetzt für Bodentruppen umsetzen und hat einen „Combat Wingman“ vorgestellt: ATLAS.
Schützenpanzer ohne Besatzung
Der volle Name des unbemannten Fahrzeugs lautet Autonomous Tactical Light Armor System (ATLAS) Collaborative Combat Variant (CCV). Grob übersetzt: Autonomes taktisches leichtes Panzersystem in der Variante für gemeinsame Kampfeinsätze.
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BAE stellt sich vor, dass ATLAS künftig Seite an Seite mit Menschen kämpfen wird. Dabei könnte es teilweise die Aufgaben eines Schützenpanzers übernehmen. Schützenpanzer erfüllen meist eine Doppelrolle als Mannschaftstransporter und Kampffahrzeug, wie etwa der M2 Bradley.
ATLAS ist zwar nicht ausgelegt, um Truppen zu transportieren. Aber es könnte wie der M2 Bradley Feuerschutz für vorrückende Infanterie liefern. Zudem hat es mehrere Tonnen Stauraum, um kämpfende Soldaten an der Front mit Munition, Treibstoff oder Lebensmitteln zu versorgen.
ATLAS soll Kampfpanzer unterstützen
Als Combat Wingman soll sich ATLAS in Panzergruppen einfügen. Dort kann es den Flankenschutz übernehmen, Ablenkungsangriffe übernehmen und regulär mitkämpfen.
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BAE verspricht, dass ATLAS’ Mobilität mit der von Kampfpanzern mit Kettenantrieb und Radpanzern mithalten kann. Dazu hat es 8 Räder mit Allradantrieb. Alle 4 Achsen steuern mit. ATLAS beherrscht zudem den Crabwalk (Krabbengang), kann also bei Bedarf diagonal bzw. seitlich fahren. Das hilft um in engen Umgebungen Hindernisse zu umfahren.
Ein weiterer Einsatzzweck von ATLAS ist die Aufklärung. Es soll gegnerische Stellungen oder Kampfverbände aufspüren, während die menschlichen Truppen in sicherer Entfernung warten. Dazu hat es 360-Grad-Sensoren, normale Kameras und Wärmebildkameras und Mikrofone um Tonquellen aufzuspüren. In der Rolle als Aufklärer kann ATLAS auch als Beobachter dienen, um Artilleriefeuer zu koordinieren oder Ziele für Luftangriffe zu markieren.
25mm Bushmaster-Kanone
ATLAS ist mit einer M242 Bushmaster bewaffnet. Dabei handelt es sich um eine Maschinenkanone im Kaliber 25mm. Diese ist weit verbreitet bei NATO-Streitkräften und kommt vor allen bei Schützenpanzern zum Einsatz, aber auch auf Schiffen.
Die Feuerrate liegt bei 200 Schuss pro Minute. BAE gibt die effektive Reichweite der M242 bei ATLAS mit 2.500 Metern an. Durch die vollständige Stabilisierung der Kanone soll auch beim Feuern während der Fahrt eine hohe Präzision erreicht werden.
ATLAS kann zwischen 2 Munitionstypen hin- und herschalten und hat insgesamt 260 Schuss an Bord. So kann etwa, je nach Situation, zwischen panzerbrechender und hochexplosiver Munition gewählt werden.
25mm-Kanone hat sich in der Ukraine bewährt
Zur Bekämpfung von Kampfpanzern ist die M242 Bushmaster eigentlich nicht gedacht, weshalb ATLAS sich auf Schlachtfeldern eher nicht mit russischen T-90s oder chinesischen Type 99s anlegen sollte. Sie wurde entwickelt um gegen leicht gepanzerte Fahrzeuge und Hubschrauber eingesetzt zu werden.
Dennoch ist die Feuerkraft nicht zu unterschätzen. Ein M2 Bradley konnte in der Ukraine damit einen technischen Kill gegen einen T-90 erzielen.
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BAE hebt hervor, dass die Kanone einen Schwenkbereich von 70 Grad nach oben hat. Dadurch kann ATLAS zur Flugabwehr und zur Bekämpfung von Kamikaze-Drohnen genutzt werden. Auch dafür ist die M242 eigentlich nicht ausgelegt und auch hier haben M2 Bradleys in der Ukraine gezeigt, dass es dennoch möglich ist.
Alternative Bewaffnung mit Mörser
Laut BAE könne die Bewaffnung von ATLAS geändert werden. Für den Antidrohnen-Einsatz würde sich etwa eine moderne 25mm- oder 30mm-Kanone anbieten, die Airburst-kompatibel sind.
Dabei wird die Entfernung zum Ziel gemessen und das Geschoss so programmiert, dass es beim Ziel explodiert. Dadurch steigt die Trefferwahrscheinlichkeit gegen kleine, sich bewegende Ziele – wie eben Drohnen.
Ebenfalls möglich sei die Bewaffnung mit einem 120mm-Mörsersystem. Dadurch kann ATLAS indirekte Feuerunterstützung geben, also etwa Ziele hinter Hügeln, Häusern oder in Grabenstellungen bekämpfen. Im Verbund mit einer Panzergruppe kann es so zu einer Art Mini-Artillerie werden, was die taktischen Möglichkeiten erweitert und schnellere Feuerunterstützung liefert als wenn diese erst per Funk angefordert werden muss.
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Alles autonom, außer das Schießen
Damit ATLAS alle diese Aufgaben erfüllen kann, hat es einen hohen Grad an Autonomie. Der Mensch gibt ATLAS einen Befehl, der dann autonom ausgeführt wird. Dieser kann etwa sein „begleite mich“, „fahre zu diesem Zielpunkt“, „patrouilliere auf dieser Strecke“ oder „übernimm hier die Wache“. ATLAS plant selbstständig die nötige Route, erkennt Hindernisse und reagiert in Echtzeit darauf.
Objekte und Bedrohungen werden ebenfalls selbstständig erkannt und klassifiziert. Auch das Anvisieren mit der Kanone macht ATLAS automatisch. Lediglich der Waffeneinsatz ist „Human in the Loop“ – muss also von einem Menschen freigegeben werden. Das hat keine technischen Gründe, sondern ethische: Noch haben ein paar Armeen Skrupel davor, dass Roboter selbstständig entscheiden, wann und welche Menschen sie töten. Die Betonung hier liegt auf „noch“.
ATLAS soll seine Befehle bei Bedarf nicht nur von der Zentrale, sondern direkt von Menschen im Kampfverband erhalten. So könnte etwa der Kommandant eines M1A2 Abrams dem Roboter den Befehl für ein Flankenmanöver oder für Feuerunterstützung geben.
BAE zufolge wird ATLAS aber nicht nur mit Menschen zusammenarbeiten können, sondern auch mit anderen Maschinen. Das ermöglicht Schwarmangriffe, bei denen mehrere ATLAS’ gemeinsam das Ziel attackieren. Auch Hinterhalte könnten so gelegt werden, bei denen eine Gruppe von ATLAS-Robotern aktiv wird, wenn Feinde einen bestimmten Punkt auf der Straße erreicht haben.
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Größe und Gewicht
Bei den technischen Angaben hält sich BAE noch bedeckt. Als Gewicht werden 10 Tonnen angegeben, zur Reichweite des Dieselantriebs gibt es keine Angabe. Auch zur genauen Größe fehlen die Daten. Laut BAE passt ATLAS in einen 20-Fuß-ISO-Container. Diese haben Innenmaße von 5,9 x 2,35 x 2,38 Meter. Damit ist ATLAS kompakt und leicht genug um per Transportflugzeug, wie etwa der C-130 Hercules, transportiert zu werden.
Auch beim Preis gibt es, wie üblich von Rüstungsherstellern, keine klaren Informationen. BAE nennt ATLAS „kosteneffizient“. Weil es keine Crew benötigt, würde dies die gesamten Betriebskosten senken.
Um Armeen dieser Welt zu überzeugen, müsste ATLAS aber vermutlich günstiger als ein aktueller Schützenpanzer sein. Ein M2 Bradley kostet der USA derzeit etwa 4,1 Millionen US-Dollar pro Stück. Der moderne Schützenpanzer Puma der deutschen Bundeswehr, der wegen seiner hohen Kosten seit Jahren in Kritik steht, hat einen Stückpreis von etwa 17 Millionen Euro.
Laut BAE könne man bei ATLAS bei der Bewaffnung Kosten sparen. Da die M242 weit verbreitet ist, könne man vorhandene Kanonen aus dem Arsenal in den Roboter-Panzer einbauen. Das würde die Anschaffungskosten reduzieren. Außerdem hat es den Vorteil für BAE, dass der Export des Rüstungsguts einfacher wird, wenn ATLAS „unbewaffnet“ verkauft wird.
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ATLAS hat Konkurrenten: Ripsaw M5 und Type X
Konkurrenzlos ist ATLAS jedenfalls nicht. Mit dem Ripsaw M5 testet die US-Armee einen autonomen Roboter-Panzer mit Kettenantrieb, der ua. mit einer 30mm-Maschinenkanone ausgestattet werden kann.
In dieselbe Kerbe schlägt der Milrem Type X, der einen Diesel-Hybridantrieb nutzt. Der Roboter-Panzer kann mit Maschinenkanonen in den Kalibern 25mm bis 50mm oder mit einem Starter für Loitering Munitions (Kamikaze-Drohnen) ausgestattet werden.
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