© Katie Zhuang, Duke University

Forschung

Gekoppelte Affenhirne steuern Roboter

Das Gehirn verarbeitet Reize durch elektrische und chemische Impulse. Je mehr Neuronen dabei im Spiel sind, desto leistungsfähiger ist die Signalverarbeitung. Neue Forschungsergebnisse legen nahe, dass es keine Rolle spielt, ob die beteiligten Gehirnzellen sich dabei im selben Kopf befinden. Wenn die Gehirne von drei Affen über Elektroden verbunden werden, können die Tiere lernen, gemeinsam einen virtuellen Roboterarm zu kontrollieren. Das haben Forscher der Duke University unter Miguel A. Nicolelis kürzlich demonstriert. Die vernetzten Gehirne erzielen in Versuchen bessere Ergebnisse als Einzeltiere. “Wir verwenden einen Computer, um die Hirne der drei Affen zu verbinden. So entsteht ein Supra-Hirn mit 780 Neuronen. Die Hirnaktivität wird synchronisiert, das funktioniert gut, um Bewegung zu kontrollieren”, erklärt Nicolelis gegenüber der futurezone.

Arbeiten als Kollektiv

Die Steuerung des Roboterarms müssen die zusammengeschalteten Affen erst erlernen, genau wie es auch einzelne Tiere tun. Dabei arbeiten die Forscher mit Belohnungen. Die Grundlagen für die Arbeit mit den Affen wurde in einem Experiment mit Ratten gelegt, bei der drei Rattengehirne mittels Elektroden direkt verknüpft wurden. Das erlaubt es, die drei Gehirne als einfache Informationsverarbeitungsmaschine zu verwenden. Die Ratten wurden etwa darauf abgerichtet, auf zwei verschiedene Reizsignale kollektiv entweder mit synchronisierter oder nicht-synchronisierter Hirnaktivität zu antworten. Das hat im Labor in 87 Prozent der Fälle geklappt, ein Wert den einzelne Tiere üblicherweise nicht erreichen. “Im Prinzip führen sie als Gruppe eine Berechnung durch. Es gibt leider keine Möglichkeit festzustellen, wie das für die einzelne Ratte ist. Wir können nur sagen, dass es funktioniert. Wir können Information manipulieren und verarbeiten”, sagt Nicolelis.

Bei den Versuchen mit Affen ist der Aufbau komplexer. Die Gehirne sind in diesem Fall nicht direkt, sondern über einen Computer verbunden. “Das Ergebnis entspricht dem Produkt der drei Hirne. Die einzelnen Affen wissen dabei nicht, dass sie Hilfe haben. Die Synchronisation der Hirne funktioniert über das visuelle System und Belohnungen. Eine große Überraschung war, dass ein kleines Signal genug war, um zu synchronisieren”, erklärt Nicolelis. Das entstehende Supra-Hirn ist dabei relativ anpassungsfähig und kann auch einen schwächeren Teilnehmer ausgleichen. “Ist ein Affe abgelenkt oder nicht voll bei der Sache, erhöhen die anderen beiden ihre Leistung, um zu kompensieren, weil sie sonst ja keine Belohnung bekommen.

Dasselbe passiert auch im menschlichen Hirn oder in großen Gruppen. Wenn 1000 Leute zusammenarbeiten, werden einige nicht arbeiten und andere werden das kompensieren. Die Affen haben das spontan auch gemacht”, sagt der Forscher.

Supra-Hirn hat kein Bewusstsein

Dass das virtuelle Gehirn, das aus den zusammengeschalteten Neuronen besteht, ein eigenes Bewusstsein entwickeln könnte, glaubt Nicolelis nicht. “Es entsteht kein Bewusstsein mit unserer Art der Verbindung. Ich halte das auch theoretisch für ausgeschlossen, genau wie das Entstehen von Bewusstsein bei Systemen mit künstlicher Intelligenz. Die Gründe dafür beschreibe ich in meinem Buch ‘The Relativistic Brain’. Emergentes Verhalten, das nicht aus den Individuen vorhersagbar ist, wäre aber möglich.

Trotzdem hat die Technik laut dem Forscher ein enormes Potenzial. “Der Prozess ist skalierbar, sowohl was die Neuronenzahl im Individuum als auch was die Zahl der Tiere angeht. Vergangenes Jahr konnten wir mit 2000 überwachten Neuronen pro Tier einen neuen Rekord aufstellen. Heute können wir technisch tausende Neuronen in fünf bis zehn Tieren verbinden”, sagt Nicolelis. Die Anforderungen können dadurch entsprechend erhöht werden. In einer noch nicht veröffentlichten Studie wurden zwei Affen verbunden, die dann auch komplexere Aufgaben mit mehrere Freiheitsgraden übernehmen konnten. “In diesem Experiment wissen die Tiere, dass sie Hilfe haben. Das verändert das Ergebnis, was interessant für die Verhaltensforschung ist”, sagt Nicolelis.

Superintelligenter Menschenschwarm?

Das Verbinden von menschlichen Gehirnen ist aus mehreren Gründen problematisch. Einerseits können hier nicht einfach Elektroden in Köpfe verpflanzt werden und andrerseits ergäben sich durch die Möglichkeit von kollektiven Entscheidungen auch ethische Probleme, etwa wenn es um die Verantwortung für Konsequenzen ginge. “Wir können das mit Menschen machen, mittels EEG. Wir wollen erforschen, ob die Technik vielleicht in der Neuro-Rehabilitation eingesetzt werden kann. Die Signalqualität von EEG ist allerdings nicht so gut wie bei implantierten Elektroden”, sagt Nicolelis.

Einen Knäuel von Experten, das mit ihren vernetzten Gehirnen gemeinsam die komplexesten Probleme löst, wird es in absehbarer Zeit nicht geben. “Es gibt derzeit keinen Hinweis, dass die geistige Leistungsfähigkeit zweier Individuen kombiniert werden kann. Die Kraft der Gefühle aber vielleicht schon. Menschen könnten für einfache Aufgaben zusammenarbeiten, das muss aber erst demonstriert werden. Ich bin kein Science Fiction Autor. Wir arbeiten daran, ein Physiotherapie-Protokoll zu implementieren”, sagt der Forscher.

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Markus Keßler

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