Start-up züchtet lebende Knochen-Implantate
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Etwa 1,5 Gigabyte an Daten sind in jeder menschlichen Zelle gespeichert. Geht man von geschätzten 37 Billionen menschlichen Zellen aus, weist ein durchschnittlicher Mensch unfassbare 56 Milliarden Terabyte an genetischen Daten auf. Bislang blieben das Stammzellen-Potenzial und damit verbundene Regenerationsfähigkeiten für den menschlichen Körper nicht zuletzt auch durch ethische Bedenken in der Medizin weitgehend ungenutzt. Das will ein US-Start-up im Bereich von Knochenimplantaten nun ändern.
Ökosystem aus Zellen
„Bisher wurde der menschliche Körper eher wie eine Maschine behandelt, die aus verschiedenen Einzelteilen besteht. Geht ein Teil – etwa ein Organ – kaputt, versucht man es auszutauschen – sei es über künstliche Implantate oder ein Spenderorgan eines anderen Menschen oder Tieres“, erklärte EpiBone-Gründerin Nina Tandon auf der EMC World in Las Vegas. „Wenn man einmal verstanden hat, dass der Körper vielmehr ein lebendes Ökosystem aus Zellen ist, aus denen die erforderlichen Körperteile gezüchtet werden können, erlaubt das völlig neue Ansätze“, sagte Tandon.
Mit ihrem Start-up, das bereits sechs Millionen Dollar an Investitionen gesammelt hat und etwa auf dem World Economic Forum als „Technology Pioneer“ ausgezeichnet wurde, will Tandon einen radikal neuen Ansatz bei Knochentransplantationen verwirklichen. Anstatt der ihren Aussagen zufolge „brutalen Methode“, Knochenteile aus dem eigenen Körper herauszuschneiden und dann an anderer Stelle wieder einzusetzen, züchtet EpiBone mithilfe von adulten Stammzellen maßgeschneiderte Implantate im Labor.
Knochen aus dem Bioreaktor
Nach einem CT-Scan, auf dessen Basis das benötigte Knochenstück in 3D-Passform visuell festgehalten wird, erfolgt die Herstellung des Implantat-Gerüsts. Danach werden aus Fettzellen des Patienten Stammzellen entnommen, die zusammen mit einem Gerüst in einem kleinen Bioreaktor landen, der die natürliche Umgebung im Körper hinsichtlich Temperatur, Feuchtigkeit, Säuregehalt und Nährstoffe simuliert. Dadurch werden die Stammzellen zu knochen-erzeugenden Zellen, welche das Gerüst besiedeln und innerhalb von drei Wochen in ein „lebendes“ Knochenimplantat verwandeln.
Die Vorteile liegen für Tandon auf der Hand. Anders als bei starren synthetischen Prothesen aus dem 3D-Drucker oder Fremdimplantaten, handelt es sich bei den gezüchteten Implantaten um Versatzstücke, die aus den körpereigenen Zellen gebildet wurden und vom Körper folglich auch nicht abgestoßen werden. Da es sich um lebendes Material handelt, sollen die Implantate sich im Körper auch besser anpassen und etwa Gefäßneubildungen begünstigen.
Körper 3.0
Bis erste Tests an Menschen durchgeführt werden, dürfte es noch ein bis zwei Jahre dauern. In Tierversuchen – unter anderem bei Schweinen – konnten die Biomediziner ihre Methode aber bereits erfolgreich anwenden. „Dass aus jeder Zelle in der richtigen Umgebung praktisch jedes Organ wachsen kann, ist eine faszinierende neue Sichtweise, die ich mit Körper 3.0 umschreiben würde. Wie wird eine Zelle zu Knochen, Haut, Muskeln? Da gilt es enorm viele Metadaten zu entschlüsseln, was genau wie ablaufen muss, damit sich ausgerechnet ein bestimmtes Gewebe entwickelt“, sagt Tandon.
Selbstwachsendes Haus?
Abgesehen von der Medizin eröffne das Feld der Zellforschung aber auch komplett neue Ansätze in völlig anderen Bereichen. So könne mittlerweile auch Leder im Labor gezüchtet werden. Eine Forscherin entwickelte aus Pilzen ein Körpergewand, das die Zersetzung des Körpers im Sarg auf natürliche Weise beschleunigt. In anderen Experimenten wachsen Baumaterialien wie Beton durch den Einsatz bestimmter Bakterien heran. „In Zukunft könnte das bedeuten, dass wir Gebäude nicht mehr bauen, sondern wachsen lassen. Wäre das nicht cool?“, schloss Tandon ihren Vortrag auf der Konferenz.
Disclaimer: Die Reisekosten zur EMC World wurden von EMC übernommen.
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