Störungsfreier Empfang für 100 Millionen Handys
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Ein Vorteil von Mobiltelefonen ab der Mobilfunkgeneration UMTS ist, dass sie gleichzeitig Daten senden und empfangen können, was bei der mobilen Nutzung von Internet und E-Mail eine wichtige Rolle spielt. Da sowohl der Empfang als auch das Senden über einen einzigen RF Transceiver Chip abgewickelt werden, kann es dazu kommen, dass Teile des Sendesignals das Empfangssignal überlagern und eine Störung verursachen. Wird auch über UMTS telefoniert, kann sogar ein Gesprächsabbruch die Folge sein.
Funkzelle
„Das Problem tritt im Normalfall dann auf, wenn man sich am Rande einer Funkzelle, also weit weg von der Basisstation befindet“, erklärt Universitätsprofessor Mario Huemer, der zusammen mit Christian Lederer am Institut für Vernetzte und Eingebettete Systeme an der Uni Klagenfurt den Filter entwickelt hat. „Während das Sendesignal aufgrund der Entfernung sehr stark ist, ist das Empfangssignal aufgrund der großen Entfernung zur Basisstation sehr schwach. Durchlaufen die Signale nun die unterschiedlichen Komponenten auf dem Chip, kann es zu einem Übersprechen des Sendesignals und somit zur Störung des Empfangspfads kommen“, so Huemer im Gespräch mit der futurezone.
Schon bisher hatte man das Problem im Griff, allerdings kamen aufgrund der unterschiedlichen Frequenzbänder in verschiedenen Ländern meist mehrere externe Filter zum Einsatz, die nicht direkt auf dem Chip inkludiert waren. Auf der Suche nach einer platz-, energiesparenden und vor allem auch kostengünstigeren Lösung haben die Forscher in Klagenfurt in vier Jahren Arbeit einen hocheffizienten Algorithmus entwickelt, der diese Filter ersetzt und zudem für alle weltweiten Standards funktioniert.
Weniger Platz, Energie und Kosten
In Hardware verpackt benötigt der adaptive Digitalfilter nur einige Quadratmikrometer und kann direkt auf dem Chip platziert werden. „Wir sprechen hier zwar nur von Einsparungen im Quadratmillimeter-Bereich, aber für die Handyhersteller, die immer mehr Funktionen auf sehr begrenzter Leiterplattenfläche unterbringen müssen, ist das ein nicht zu vernachlässigender Wert. Dazu kommt die Energieeinsparung, weil die Signale nicht mehr vom Chip zum externen Filter und wieder zurück geschleust werden müssen. Bei Stückzahlen von mehreren Hundert Millionen spielt zudem auch der Kostenfaktor eine große Rolle“, sagt Huemer.
Als einer der größten Vorteile des eingesetzten Algorithmus gilt, dass er unabhängig von den verwendeten Frequenzbändern funktioniert, die in den verschiedenen Ländern für Mobilfunk vorgesehen sind. Anders als die bestehenden Lösungen ist der Filter nicht fix eingestellt, sondern passt sich an die Gegebenheiten an. So muss er auch im laufenden Betrieb nachjustieren, da sich die Sendeleistung je nach Aufenthaltsort des Mobilfunk-Kunden ständig verändert. Diese Adaptionen dauern dabei nur wenige Mikrosekunden.
Theorie und Praxis
Dass die Theorie, den Anteil von Störungssignalen am Empfangssignal mittels eines ausgeklügelten Algorithmus genau schätzen und schließlich wieder herausrechnen zu können, in der Praxis auch tatsächlich so gut und effizient umzusetzen ist, hat die Forscher selber überrascht, wie Huemer im Gespräch mit der futurezone zugibt. Über die in Linz angesiedelte Intel-Tochterfirma DMCE, welche die Nummer 2 am Weltmarkt für RF-Transceiver ist und auch den Anstoß zum Forschungsprojekt gegeben hat, wird der innovative Filter in den kommenden fünf Jahren in etwa Hundert Millionen Smartphones und Handys landen. DMCE zählt praktisch alle führenden Hersteller zu seinen Kunden – über genaue Verträge übt sich die Branche ja bekanntermaßen in Stillschweigen.
Damit der digitale Filter nicht Nachahmern zum Opfer fällt, wurden bereits die entsprechenden Patente – unter anderem in den USA – angemeldet. Die Rechte an der Erfindung wurden bereits an DMCE abgetreten. „Das Projekt ist ein perfektes Beispiel für die Zusammenarbeit von Industrie und Forschung. Ohne einen Industriepartner, der einen mit entsprechender Technologie – in diesem Fall die Mobilfunk-Chips – unterstützt, kommt man als Universität in diesem speziellen Forschungsfeld nicht weit“, erklärt Huemer. Und auch die angestrebte Patentierung stelle für Unis ein hohes Risiko dar, da diese mit großen Geldsummen verbunden sei, so Huemer.
Handy-Technologie „Made in Austria“
Die Klagenfurter Entwicklung, die in Linz in die Serienproduktion überführt wurde, ist neben dem Leiterplatten-Hersteller
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