Thomas Uher, Vorstand Erste Bank
Thomas Uher, Vorstand Erste Bank
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Standort Österreich

Erste Bank: "Der Pessimismus-Tsunami muss aufhören"

Start-ups sind derzeit nicht zuletzt durch den Auftritt von Christian Kern beim Pioneers-Festival in aller Munde. Wird das Thema in Österreich gerade überhypt?
Thomas Uher:
Es stimmt, dass da ein bisschen ein Hype entstanden ist, aber das ist auch gut so. In einem Land wie Österreich, das nicht unbedingt von einer Entrepreneurship-Tradition gesegnet ist, braucht es solche Leuchtturmprojekte und Vorbilder, um Menschen zum Gründen zu animieren. Dass sich heute auf der WU viel mehr Studierende und Absolventen vorstellen können, ein Start-up zu gründen als „nur“ in einem Großkonzern Karriere zu machen, ist ein gutes Zeichen. Und auch die Investorenszene beginnt langsam zu wachsen!

Wie die Agenda Austria aufgeschlüsselt hat, wird der überwiegende Großteil an Private Equity, also an privaten Investorengeldern im Gegenzug für Beteiligungen, in Österreich durch staatliche Programme aufgestellt. Ist das eine zukunftsweisende Lösung?
Staatliche Förder- und Investitionsprogramme sind gut und wichtig, können aber maximal eine Übergangslösung sein. Dass es in Österreich viel zu wenig Risikokapital gibt, ist kein Geheimnis. Wir müssen folglich Investoren dazu bringen, ihr Geld und ihre teilweise große Business-Erfahrung zu mobilisieren. Das geht über steuerliche Anreize, wie etwa der Möglichkeit Beteiligungen abzuschreiben bzw. den geforderten Beteiligungsfreibetrag. Das wird sich auch für den Finanzminister sicher rechnen, zumal Gewinne ohnehin versteuert werden müssen.

ABD0055_20160204 - WIEN - ÖSTERREICH: Der Vorstandsvorsitzende der Erste Bank Thomas Uher während der Pressekonferenz zum Thema "Umbruch in Österreichs Bankenlandschaft" am Donnerstag, 04. Februar 2016, in Wien. - FOTO: APA/HERBERT PFARRHOFER
Was können traditionelle Banken wie die Erste Bank tun, um der Gründerszene unter die Arme zu greifen?
Wir sehen uns als äußerst aktiven Teil der Szene. Wir haben8 Gründer Center, in denen wir Start-ups in puncto Geschäftsmodell, Business-Plänen, Fördermöglichkeiten und natürlich der Finanzierung beraten. Gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Österreich zeichnen wir im Rahmen desi2bBusinessplan-Wettbewerbs auch besonders vielversprechende Start-ups aus. Runtastic war da etwa dabei oder auch die Flohmarkt App Shpock und Nixe Bier.

Was Sie ansprechen, sind vor allem beratende Leistungen. Wie schaut es mit der Finanzierung von Start-ups aus?
Es werden jeden Tag zwei Gründungen von uns finanziert. Im Vergleich zu anderen Unternehmungen sind Start-up-Finanzierungen aber tatsächlich nicht immer einfach für uns. Oft haben die jungen Gründer eine gute Idee, aber fast kein Eigenkapital und auch keinen Investor. Dazu kommt, dass gerade bei Start-ups, die mit digitalen Ideen punkten, auch physische Besicherungen wie Geschäftsräume, Möbel, Maschinen oder ähnliches fehlen. Und eine Bank kann ohne diese Besicherung nun einmal nicht das gesamte unternehmerische Risiko übernehmen.

Die Bank könnte ja auch selber Geld in die Hand nehmen und in Start-ups investieren.
Banken sind über Bankkredite in erster Linie Fremdkapitalgeber. Abgesehen von den sehr strengen gesetzlichen Auflagen – wenn der Aufschlag für einen Kredit bei 4 Prozent liegt, heißt das vom Geschäftsmodell her, dass bei 25 Krediten maximal einer ausfallen darf. Einen Eigenkapitalgeber stört hingegen nicht, wenn vier von fünf risikoreichen Investitionen scheitern, wenn die fünfte ihn reich macht. Diese beiden völlig unterschiedlichen Zugänge sind gerade für Banken kaum vereinbar. Wenn wir Eigenkapital in die Hand nehmen, dann indirekt, etwa über Beteiligungen am aws Gründerfonds.

Die Konjunktur will in Österreich nicht so recht in Schwung kommen, vor allem in den vergangenen Jahren ließen uns Nachbarländer wie Deutschland in puncto BIP-Wachstum weit hinter sich. Welche Erklärungen haben Sie dafür?
Wenn man sich die BIP-Entwicklung genau ansieht, dann sieht man, dass wir vor allem bei den Investitionen extrem zurückgefallen sind. Die Leute sind pessimistisch und extrem verärgert – und das obwohl die Zahlen aus 2015 quer durch alle Branchen wirklich gut waren. Viele Indikatoren wie die Zinsentwicklung, aber auch die künstlich niedrige Inflation, suggerieren zudem, dass wir auch auf europäischer Ebene die Trendwende geschafft haben.

Warum ist die Stimmung im Land aber dennoch so pessimistisch?
Ich sehe drei Gründe. Zum einen haben die geopolitischen Entwicklungen mit Themen wie Syrien, Russland, Ukraine und natürlich der Migration zu Verunsicherungen geführt. Zum anderen herrscht eine große Unzufriedenheit mit der Politik, die laut Ansicht vieler ihren Job nicht machte. Der große Ärger über die Registrierkassen oder die Steuerreform, die Unternehmern außer einer Neiddebatte nichts gebracht hat, sind ja nur Symptome dieser Frustration. Das psychologisch vermutlich größte Problem verursacht allerdings die Europäische Zentralbank (EZB), die in der Person von Mario Draghi dauernd von der schwierigsten aller Krisen spricht, selbst wenn die Anzeichen längst auf eine positive Entwicklung deuten. Der Pessimismus-Tsunami muss endlich aufhören!

Die EZB-Politik und die Flüchtlingskrise erklären aber noch nicht, warum Deutschland zuletzt besser dastand als Österreich.
Das ist richtig, aber der Unterschied ist eben, dass die Regierung in Deutschland die letzten Jahre viel reformbereiter war, als unsere. Deutschland ist Exportweltmeister und läuft mit stolzgeschwellter Brust ein, wie wir einst 2001 eingelaufen sind. Diesen Optimismus brauchen auch wir wieder. Unternehmen investieren nicht, wenn der Kredit billiger wird, sondern wenn sie glauben, dass sich die Investitionen lohnen und sie ihr Geld wieder zurückbekommen.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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