
Künstliche Intelligenz: "Wir stehen erst Anfang"
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Vor 20 Jahren hat Jaan Tallinn die Online-Tauschbörse Kazaa und den Internet-Telefoniedienst Skype mitgegründet und damit viel Geld verdient. Heute warnt der 45-jährige Este vor den Folgen künstlicher Intelligenz. Die Situation vergleicht er mit einem Flugzeug, bei dem der Pilot kurz vor dem Abheben bemerkt, dass ihm die Möglichkeiten fehlen, es zu steuern. "Künstliche Intelligenz ist von einem Randthema zu einem Mainstream-Dogma geworden", sagt Tallinn beim Pioneers Festival, das Donnerstag und Freitag in der Wiener Hofburg stattfand: "Wir müssen Möglichkeiten finden, sie zu kontrollieren."
Sonst könne es passieren, dass der Mensch von Computersystemen, die sich laufend selbst verbessern, einfach zur Seite gedrückt werde, weil er mit dem Tempo der Maschinen nicht mehr mithalten könne, warnt der Entwickler, der dem Future of Life Institute vorsteht, das existenzielle Risiken für die Menschheit untersucht ."Es ist Zeit einzugreifen."
Bei dem Start-up-Event stand Tallinn mit seiner dystopischen Sicht der Zukunft aber eher alleine da. Wozu künstliche Intelligenz bereits in der Lage ist, demonstrierte zuvor Behshad Behzadi, der für Googles digitalen Assistenten zuständig ist. "Unser Ziel ist es, jede mögliche Frage beantworten zu können", sagt Behzahdi.
Intelligente Alltagshelfer
Der Google Assistent kommt etwa auf Android-Smartphones oder dem intelligenten Lautsprecher Google Home zum Einsatz und kann Informationen, die er aus verschiedenen Quellen bezieht, in Zusammenhänge setzen und fließend mit seinem menschlichen Gegenüber parlieren. Er erkennt Berge von Fotos, gibt ihre Höhe korrekt an, oder merkt sich aus dem E-Mail-Verkehr oder anderen Online-Interaktionen Vorlieben, übersetzt auf Befehl Gespräche und kann auf Basis von Fotos angeben, wie viele Kalorien das Abendessen hat. Auch Fragen wie "Wie heißt der Film, in dem Tom Cruise Pool spielt und dabei tanzt?" (Anm: "Die Farbe des Geldes") kann Googles Assistent heute problemlos beantworten.

© Pioneers Festival
Automatische Übersetzungen
Eine solche zeigte Vasco Pedro vom Start-up Unbabel, das künstliche Intelligenz bei der Übersetzung von Sprachen zum Einsatz bringt. Die noch nicht veröffentlichte App Cast des US-Start-ups transkribiert Texte aus Online-Videos, erstellt Untertitel und übersetzt sie automatisch in mehrere Sprachen. Dabei helfen bei Unbabel noch tausende über den Erdball verteilte menschliche Übersetzer mit, die die maschinellen Übersetzungen verfeinern und korrigieren und dem Rechner damit auch die Möglichkeit geben, dazuzulernen. "Wir verbessern die Algorithmen", sagt Pedro. "Irgendwann werden wir dazu in der Lage sein, Sprachen von Gehirn zu Gehirn in Echtzeit zu übersetzen."
Künstliche Intelligenz könne zur Lösung vieler Probleme zum Einsatz kommen, sagt Babak Hodjat, dessen Start-up Sentient Technologies Techniken des maschinellen Lernens etwa beim Marketing oder in der Werbung anwendet. Durch die Analyse von Interaktionen mit Kunden könne etwa die Umsätze im Online-Handel beträchtlich gesteigert werden, sagt Hodjat. Die Herausforderung liege darin, Probleme richtig zu benennen, damit künstliche Intelligenz sie lösen könne.
"Viele werden ihre Jobs verlieren"
Thema waren auch die Auswirkungen der neuen Technologien und künstlicher Intelligenz auf den Arbeitsmarkt. Die technische Entwicklung könne nicht aufgehalten werden, sagt Hodjat. "Wer sollte Firmen daran hindern, menschliche Arbeitskräfte durch Maschinen zu ersetzen, die günstiger und effizienter sind?" Die Gesellschaft müsse sich eben um die kümmern, die vom technischen Fortschritt zurückgelassen würden.

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