Runtastic: "Für uns ändert sich nicht viel"
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„Für uns ändert sich nicht viel, wir werden ganz normal weitermachen“, sagt Runtastic-Gründer Florian Gschwandtner, einen Tag nach der Übernahme des oberösterreichischen Fitness-App-Anbieters durch den Sportartikelkonzern adidas zur futurezone. Zunächst wolle man gemeinsam herausfinden, „wo es Synergien gibt, die wir abholen können“, erzählt Gschwandtner.
Wie am Mittwoch bekannt wurde, zahlt adidas 220 Millionen Euro für Runtastic. So viel wurde zuvor noch für kein anderes österreichisches Start-up bezahlt. Runtastic wird dem Sportartikelhersteller wohl dabei helfen, im Digitalgeschäft zu wachsen. Denn anders als beim US-Konkurrenten Nike verliefen die Bemühungen des deutschen Konzerns auf diesem Gebiet mit überschaubaren Erfolg. Adidas könnte Runtastic im Gegenzug bei der Expansion in die USA unterstützen. Dort zählte Runtastic bislang 10,5 Millionen seiner weltweit rund 70 Millionen registrierten Nutzer. Es gibt Luft nach oben.
Auch in Asien (derzeit rund sieben Millionen Nutzer), vor allem in China und Japan, will das Unternehmen laut Gschwandtner zulegen. Dafür sollen unter anderem eigene, für die Region angepasste Apps sorgen.
Neue Hard- und Software
Runtastic will auch mit neuer Hard- und Software punkten. Am 4. September wird auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin ein neues Hardware-Produkt präsentiert, eine laut Gschwandtner „große neue App“ soll noch vor Jahresende folgen. Details zu den beiden Produkten will der Runtastic-Geschäftsführer noch nicht verraten.
Nach der Bekanntgabe der Übernahme gab es allerdings ein „wildes Fest“, wie Investor und Business Angel Hansi Hansmann dem KURIER erzählte: „Sie gehen gemeinsam durch Krisen und können auch Erfolge feiern, wie kaum ein anderer.“
Teamarbeit
Den Erfolg seines Start-ups führt Gschwandtner zu großen Teilen auf sein Team zurück: „Das sind junge Leute, die Gas geben und Talent haben.“ Überhaupt gebe es in Österreich viele Talente, auch bei der Ausbildung brauche man sich vor den USA nicht zu verstecken.“
Maßgeblich sei auch die Geschwindigkeit: „Wir waren immer sehr schnell bei der Produktentwicklung“, erzählt Gschwandtner. Wichtig sei auch internationales Denken: „Über den Tellerrand hinaus.“
Vorläufiger Höhepunkt
Mit der Übernahme durch adidas findet die Erfolgsgeschichte des 2009 von Gschwandtner gemeinsam mit Alfred Luger, Rene Giretzlehner und Christian Kaar gegründeten Unternehmens ihren vorläufigen Höhepunkt. Heute beschäftigt Runtastic weltweit 140 Mitarbeiter und ist auch Hardware-Geschäft aktiv. Kostenpflichtige Versionen der Apps, die mit Zusatzfunktionen angereichert sind, sind weiterhin die Haupteinnahmequelle. Geschäftszahlen verrät Runtastic, das nach eigenen Angaben bereits nach eineinhalb Jahren profitabel war, nicht. „Die haben nie Geld gebraucht, waren immer cash-flow-positiv“, sagt Hansmann.
Als der deutsche Medienkonzern Axel Springer Runtastic im Oktober 2013 zu 50,1 Prozent übernahm, wurde das Unternehmen zuerst mit 22 Millionen Euro bewertet, später erhöhte man auf 52 Millionen. Die Gründer wurden durch das Geschäft Millionäre. Sie reduzierten ihre Anteile auf zusammen 43,9 Prozent, Hansmann auf sechs Prozent. Ebenso wie die Springer-Anteile wurden sie nun ebenfalls von adidas übernommen. Dem Vernehmen nach gab es für das Start-up auch höhere Gebote. Runtastic habe sich aber für adidas entschieden, weil es sich von einer Zusammenarbeit am meisten erhoffte.
Hansi Hansmann: Ja. Das ist alles an einem Tag passiert, am Mittwoch.
Wieso so schnell?
Weil die das wirklich wollten.
Warum?
adidas weiß, dass sie digital mehr machen müssen, so wie Nike das schon tut. Bevor sie selbst von null anfangen, nehmen sie sich Runtastic. Die haben 70 Millionen User: alles potenzielle adidas-Kunden.
Wie viel haben Sie verdient?
Ich habe noch sechs Prozent gehalten, jetzt können Sie rechnen.
Wie viel bleibt netto?
Minus 25 Prozent Kapitalertragssteuer, der Rest bleibt.
Eine schmerzliche Steuer?
Nein, ich bin schon der Meinung, dass man bei viel Ertrag auch viel Steuern zahlen soll.
Ist der Exit die Krönung des Start-ups?
Schon. Für die Gründer ist es ein weiterer Meilenstein: Die haben zum zweiten Mal irrsinnig viel Geld gemacht. Sie hängen aber weiter im Projekt, das sie mit diesem Partner noch größer machen können. Sie werden noch ein paar Jahre bleiben, das haben sie sich ausgehandelt.
Mit einer schönen Managergage?
Die ist ganz gut, aber eigentlich nicht relevant. Das sind Unternehmer, es geht ihnen um die Sache.
Wie viel Arbeit war dieser Deal? Wie lange wurde verhandelt?
Companies wie adidas klopfen immer wieder an. Alfred Luger, unsere Anwälte und ich haben ein paar Wochen mit dem Verhandlungsteam Gespräche geführt. Florian Gschwandtner hat einstweilen weiter die Geschäfte geführt.
Hat der Springer Verlag Runtastic leicht hergegeben?
Ja, weil sie einen super Deal gemacht haben. Allerdings nicht so super, wie sie sagen. Der damalige Unternehmenswert bei der Springer-Übernahme war zwar 22 Millionen, stieg aber durch Nachbesserungen auf insgesamt 52 Millionen. Jetzt lag die Unternehmensbewertung bei 220 Millionen Euro – 110 davon gehen an Springer, immer noch ein super Deal.
Hat Springer stark mitgeredet?
Wir haben gemeinsam die Entscheidung getroffen, zu verkaufen. Springer hat sich zurückgehalten. Das sind Profis.
Wieso haben Sie jetzt verkauft?
Die Bewertung heute ist zehn Mal so hoch wie vor zwei Jahren. Vielleicht wäre in einem Jahr noch mehr drin gewesen.
Das Bessere ist der Feind des Guten. Wenn es einen Deal gibt, wo man das Gefühl hat, es ist super, muss man das machen. Wir hatten finanziell bessere Angebote, aber es geht auch darum, wo die Firma am meisten profitiert. Runtastic wird der digitale Arm von adidas.
Nur eines von zehn Start-ups ist erfolgreich, solche Exits sind höchst selten.
Runtastic ist im Megatrend-Markt Gesundheit und Fitness. Sie haben ganz früh auf Mobile gesetzt, noch vor den meisten anderen. Sie machen alles, was dem Nutzer Spaß macht. Sie sind ein unglaublich gutes Team – und haben einen unglaublich guten Business Angel.
Wie leicht verabschiedet sich dieser Business Angel?
Ich war gestern schon ein bisschen sentimental. Aber auch wenn ich keine Anteile mehr halte, werde ich sie weiter begleiten. Das beruhigt mich ein bisschen.
Was bedeutet so ein Verkauf für die Start-up-Szene in Österreich?
Solche Erfolge bewegen andere Investoren, auch Geld zu investieren. Und es zeigt, was man von Linz aus erreichen kann.
Was machen Sie mit dem Geld?
Ich weiß es noch nicht. Neue Investments mache ich nicht mehr. Ich bin bei 18 Unternehmen führender Investor und will sie auch bis zum Verkauf begleiten. Es geht aber nur eines nach dem anderen.
Wie groß ist die Chance, dass der Riese Runtastic kaputt macht?
adidas weißt natürlich, dass das Know-how bei den Gründern liegt, das werden sie nicht kaputt machen.
Wie geht’s den Gründern jetzt?
Sie sind stolz, jetzt Teil der adidas-Gruppe zu sein und werden arbeiten wie bisher: mit beiden Beinen auf dem Boden und mit dem Kopf in den Wolken.
Bleibt Runtastic in Linz?
Natürlich, hier ist das Know-how. adidas ist aber nur 280 Kilometer entfernt.
(Interview: Sandra Baierl)
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