Netzsperren gibt es ab sofort auch wegen Markenrechtsverletzungen -zumindest in Großbritannien. Betroffen sind dort Websites, die gefälschte Cartier-Produkte im Netz anbieten. Diese Cartier-Uhr (am Bild) ist echt.
Netzsperren gibt es ab sofort auch wegen Markenrechtsverletzungen -zumindest in Großbritannien. Betroffen sind dort Websites, die gefälschte Cartier-Produkte im Netz anbieten. Diese Cartier-Uhr (am Bild) ist echt.
© Deutsch Gerhard

Gerichtsurteil

Netzsperren für Seiten mit gefälschten Cartier-Uhren

Die Compagnie Financiere Richemont SA (CFR), die echte Cartier-Uhren und anderen Luxus-Marken vertreibt, hat in Großbritannien eine Klage eingebracht, um Internet-Provider dazu zu bringen, Websites, die gefälschte Cartier-Uhren verkaufen, zu sperren. Das zuständige Gericht, der „High Court of Justice“ in Großbritannien gab dem Kläger Recht. Sechs Websites, unter anderem cartierloveonline.com, müssen jetzt in Großbritannien geblockt werden – und zwar nicht aufgrund von Urheberrechts-, sondern aufgrund von Markenrechtsverletzungen.

Den Internet-Providern bleibt es dabei freigestellt, mit welchen Methoden die Websites geblockt werden. Dabei bezieht sich das Gericht auf den Entscheid des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der vorsieht, dass Internetanbieter bei Urheberrechtsverletzungen mit einer Zugangssperre beauftragt werden können. Allerdings sind in dem Papier an mehreren Seiten Verfahren aufgelistet, die so manche Provider in Österreich aufhorchen lassen: Es ist die Rede von „DPI-based URL blocking“, ein System basierend auf Deep Packet Inspection.

Deep Packet Inspection

Deep Packet Inspection ist ein Verfahren in der Netzwerktechnik, mit dem Datenpakete überwacht und gefiltert werden. In Großbritannien kam es bereits einmal zum Einsatz, und zwar von der British Telecom (BT) und „Phorm“. Die EU-Kommission reichte dann allerdings eine Vertragsverletzungsklage ein, weil „Phorm“ das verhaltensorientierte Werbesystem nicht den EU-Datenschutzvorschriften entsprochen hat.

In der Urteilsbegründung im Cartier-Verfahren (die der futurezone vorliegt) versteckt ist jedoch noch ein weiterer Hinweis, auf den Einsatz von DPI bei BT: Im Jahr 2004 führte die BT demnach „Cleanfeed“ ein, ein Website-Blocking-System, das aus DPI-basierendem URL-Blocking und dem Re-Routen von IP-Adressen besteht. BT hat dafür einen sechsstelligen Betrag ausgegeben, und nochmals eine ähnliche Summe, um das System „up to date“ zu halten. Fünf Mitarbeiter sollen das System regelmäßig betreuen.

In dem Urteil aus Großbritannien wird „DPI-based URL blocking“ zudem als eine der vier Möglichkeiten genannt, um Netzsperren umzusetzen. Es sei eine mildere Form von Deep Packet Inspection, heißt es darin. Neben DNS-Sperren, IP-Blockaden sei DPI-based URL blocking eine Alternative. In Kombination mit IP-Sperren ließe sich damit auch „Overblocking“ vermeiden, heißt es in dem Gerichtsdokument. „Das klingt so, als würde man den Teufel mit dem Beelzebub austreiben“, sagt Maximilian Schubert, Generalsekretär der Internet Service Provider Austria (ISPA), der das Urteil analysiert hat.

Begehrlichkeiten in Österreich

In Österreich gibt es bekanntlich seit einiger Zeit Netzsperren aufgrund von Urheberrechtsverletzungen. Die Websites kinox.to und movie4k.to sind bereits gesperrt. Zum Einsatz kommen dabei DNS-Sperren, die dem Verein für Antipiraterie (VAP) aber "zu wenig" sind. Weitere Seiten sollen folgen, wenn es nach dem VAP geht. Es soll eine Liste mit „rund 100 Seiten“ geben. "Mit dem Urteil in Großbritannien könnte nun auch das Tor für andere Rechteverwerter geöffnet werden", befürchtet Schubert. „Begehrlichkeiten gibt es von verschiedenen Seiten“. "In Großbritannien will man sich zudem nicht mit sechs Seiten begnügen, sondern insgesamt wollen die Markeninhaber 46.000 Seiten sperren lassen.

Auch die Kosten, die auf die Provider durch das Blockieren von Websites zukommen, wurden im britischen Urteil näher erläutert. Pro gerichtlicher Sperranordnung sind das rund 5000 Pfund (ca. 6344 Euro). Wenn man das auf die rund 100 Seiten, die der Verein für Antipiraterie sperren lassen möchte, für österreichische Provider hochrechnet, kommt man auf einen Betrag von 63.440 Euro, den heimische Internet-Provider aufbringen müssten, um Websites zu sperren.

„Was wäre, wenn österreichische Provider künftig darüber urteilen müssen, ob es sich bei einer Markenuhr im Internet um ein gefälschtes Produkt handelt? Deshalb fordern wir uns eine klare gesetzliche Regelung“, so Schubert von der ISPA.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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