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© Fotolia/Peter Vogel

urheberrecht

Netzsperren: kinox.to heißt jetzt kinox.tv

„Macht jetzt Österreich einen auf Nordkorea?“ lautet die Frage der kinox.to-Betreiber, die sofort auf die einstweilige Verfügung des Handelsgerichts Wien reagiert haben, die österreichische Provider zur Sperre von kinox.to und movie4k.to veranlasst hat. Mit dem gestrigen Tag sind Netzsperren in Österreich salonfähig gemacht worden. Die Klage gegen die vier Provider A1, Tele2, Drei und UPC kam vom Verein für Antipiraterie im Auftrag der Filmindustrie.

Brief von kinox.to an den Verein für Antipiraterie.

Sperren umgesetzt

Als erstes setzte UPC die Sperren mittels DNS-Blockade um – und zwar bereits am Donnerstagabend. A1 und Drei sowie Tele2 folgten am Freitag. Ob die Sperren auch bei Tele2 greifen, konnte bisher nicht verifziert werden. Von A1 hieß es auf futurezone-Anfrage am Freitag: „Grundsätzlich kann A1 die Anliegen der Film - und Musikindustrie nachvollziehen und hat dies auch dem Verein für Antipiraterie (VAP) und dem Verband der österreichischen Musikwirtschaft (IFPI) gegenüber klar gemacht. Wir haben die einstweilige Verfügung des Handelsgerichts Wien natürlich unmittelbar umgesetzt, die beiden IP-Adressen sind über die Netze von A1 nicht mehr erreichbar.“ "Wir sind verpflichtet, der Sperre nachzukommen und setzen diese um", so Tele2.

Die Betreiber von kinox.to haben relativ rasch reagiert und die Adresse ihrer Webseite geändert. Statt kinox.to ist das umstrittene Angebot, das Links auf Streams von überwiegend urheberrechtlich geschütztem Material beinhaltet, jetzt auf kinox.tv und kinox.me erreichbar. Zudem habe man bereits 30 weitere Ersatz-Domains eingerichtet, heißt es in einem Blogeintrag. Auch movie4k.to hat mittlerweile reagiert und hat sich nun die Domains movie4k.tv und movie4k.me gesichert. Weitere Domains folgen.

Warum die Sperren nichts nutzen

Diese Reaktionen zeigen sehr deutlich, dass mit Netzsperren das eigentliche Problem nicht erfolgreich bekämpft werden kann. Die Betreiber der Angebote machen weiter, die Nutzer im Internet sind höchstens verärgert und weichen entweder auf die Ersatz-Portale aus oder lernen, wie man Netzsperren umgehen kann. Die Folge: Die Urheberrechtsvertreter werden sich tunlichst darum bemühen, weitere Sperren gerichtlich zu veranlassen. Vom Verein für Antipiraterie (VAP) ist bekannt, dass er eine Sperrliste mit mehr als 100 strukturell rechtswidrigen Websites am Tisch liegen hat – die werden mit kinox.tv und kinox.me nun gleich um vier weitere Domains reicher.

Die Provider finden diese Situation, in die sie gedrängt werden, freilich großteils nicht sehr amüsant, weil ihnen jetzt Klagen von allen Seiten drohen. Sie werden als „Hilfssheriffs“ eingesetzt, wie Maximilian Schubert, Generalsekretär des Verbands für Internet Service Provider Austria (ISPA) gerne sagt. "Provider sind keine Behörde, keine staatliche Stelle und keine Polizei, die Verbrechen zu verfolgen haben. Dafür sind andere Organe zuständig. Überall auf der Welt, wo Netzsperren eingerichtet wurden, hat dies genau nichts gebracht", sagte Marco Schreuder, netzpolitischer Sprecher der Grünen, am Freitag.

Reaktionen der Provider

„An dieser Stelle möchten wir festhalten, dass die Entscheidung, Webseiten oder andere Internet-Inhalte zu sperren, bei den Gerichten und Gesetzgebern liegen sollte. Bei allem Verständnis für Rechteinhaber und bei voller Unterstützung der Kreativwirtschaft ermöglichen wir unseren Kunden lediglich den Zugang zum Internet, wir sehen jedoch kein Recht auf Selektion oder Prüfung der darin angebotenen Inhalte“, erklärte etwa UPC.

Netzsperren bei A1.
A1 gibt sich hier etwas versöhnlicher. „Der jetzige Prozess für jede einzelne Seite eine Klage auf Sperre einzubringen, ist wahrscheinlich nicht der Stein der Weisen. Als Österreichs führender Kommunikationsanbieter sind wir daher selbstverständlich gesprächsbereit und interessiert an der Entwicklung eines gemeinsamen Verfahrens“, hieß es vonA1.

Was darf gesperrt werden

Doch was darf eigentlich alles gesperrt werden? Dem VAP selbst geht es vor allem um Webseiten, die vorsätzlich und in kommerzieller Absicht Urheberrechtsverletzungen fördern und daraus ein Einkommen generieren. Laut Werner Müller, Geschäftsführer des VAP, handelt es sich dabei eben um „rund 100 Seiten“ im Netz, die „strukturell rechtswidrig“ seien. Um so eine Seite (kino.to) ging es auch beim Vorabentscheid des EuGH und dem Prozess, der vorm Obersten Gerichtshof endete und die Einführung der Netzsperren in Österreich ermöglichte.

Für Müller zählt das Video-Portal YouTube, bei dem es ebenfalls urheberrechtlich geschützte Inhalte gibt, die nicht vom Urheber reingestellt werden, nicht zu einer solchen „strukturell rechtswidrigen“ Seite. "YouTube setzt regelmäßig Aktivitäten, um Urheberrechtsverletzungen zu bekämpfen. Sie nehmen unlizensierte Inhalte auf Anfrage raus. Auch wenn die Lösung noch nicht zu unserer vollsten Zufriedenheit funktioniert, ist YouTube ein Beispiel für eine Seite, gegen die wir nicht vorgehen würden."

Pirate Bay als Streitfall

Bei The Pirate Bay, dessen Sperre der VAP zuvor gefordert hatte, aber vorerst nicht eingeklagt hat, wird das Ganze dann schon heikler. Handelt es sich dabei klar um eine strukturell rechtsverletztende Website? Bei einem Treffen des Verbands der Internet Provider Austria (ISPA) war man sich darüber keineswegs einig. „Wenn es 20 Juristen in einem Raum nicht schaffen, zu einer eindeutigen Meinung zu kommen, heißt das einiges“, so Schubert zur futurzeone. „Über The Pirate Bay können auch andere, legale Inhalte gefunden werden“, so Schubert. Darunter befinden sich gemeinfreie Werke, zahlreiche Linux-Distributionen, E-Books, Programme wie Open Office oder die Gutenberg-Bibel. „Wir sehen das nicht so klar, wie die Rechteverwerter“, sagt Schubert.

Konkrete rechtliche Situation

Wie aus einem Blogeintrag von Hans Peter Lehofer, der OGH-Bescheid analysiert hat, hervorgeht, wäre das auch gar nicht möglich, weil sonst das Recht der Nutzer auf Informationszugang verletzt würde. „Eine Sperrverfügung ist nur für echte „Piraterie“-Websites, wie es kino.to war, möglich. Eine Sperrverfügung betreffend den Zugang zu YouTube, weil dort auch urheberrechtlich geschützte Werke verfügbar sind, wäre nicht möglich.“ Internetprovider dürfen selbst auf Wunsch der Content-Industrie keine weitergehenden Sperren vornehmen, als sie der EuGH für Sperrverfügungen für zulässig erachtet, so Lehofer.

Konkret hieß es im OGH-Verfahren zu kino.to nämlich: "dass die Website, auf die sich die beantragte Anordnung bezieht, darauf angelegt war, Nutzern ohne Zustimmung der Berechtigten in großem Umfang den Zugang zu geschützten Filmwerken zu ermöglichen; dass es dort auch rechtmäßig zur Verfügung gestellte Inhalte gegeben hätte, die von einer Sperre ebenfalls erfasst würden, ist nicht hervorgekommen. Eine Sperre greift daher nach derzeitiger Bescheinigungslage nicht in das vom EuGH betonte Recht der Nutzer auf rechtmäßigen Zugang zu Informationen ein."

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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