Europäische Vielfalt bei Netzneutralität
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© Michael Wesseng

Österreich

OGH bestätigt Netzsperren bei Urheberrechtsdelikten

In dem von österreichischen und deutschen Filmproduzenten seit 2010 mit Unterstützung des Vereins für Anti-Piraterie (VAP) gegen den Internet-Provider UPC geführten Musterprozess hat nun der Oberste Gerichtshof (OGH) entschieden, dass die gegen UPC angeordnete einstweilige Verfügung zur Sperre des Zugangs zum Portal kino.to zu Recht erlassen wurde.

Im November 2010 brachten das deutsche Filmstudio Constantin Film sowie die Filmproduktionsgesellschaft Wega eine Unterlassungsklage gegen den Breitbandanbieter UPC im Fall kino.to ein. Das Portal kino.to stellte der Öffentlichkeit unlizensiert über Links über 130.000 Filme zur Verfügung. Der Prozess zog sich durch mehrere Instanzen. In dritter Instanz landete das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).

EuGH-Urteil

Dieser hatte in einem Grundsatzurteil beschlossen, dass Internetanbieter nach EU-Recht dazu verpflichtet werden können, Webseiten zu sperren, die Urheberrechtsrechte verletzen. Die Sperrmaßnahmen müssen nach europäischem Recht aber ausgewogen sein. Access Provider werden demnach dazu verpflichtet, ihren Kunden das Aufrufen von urheberrechtsverletzenden Angeboten unmöglich zu machen. Der Accessprovider muss auch entscheiden, welche Maßnahmen am besten entsprechen, sie müssen aber nicht zu einer vollständigen Beseitigung der Verletzung führen. In der Praxis bedeutet das derzeit eine Kombination von IP-Blockaden und die Sperren von Domain Namen.

Das Portal Kino.to stellte bereits 2011 den Betrieb ein. Durch einen „Whistleblower“ konnten die Hintermänner der Webseite, die massenhaft urheberrechtsverletzende Filme angeboten hat, in Deutschland gefasst werden. Der Verein für Antipiraterie (VAP) hatte zuvor jahrelang versucht, die Betreiber des Portals auszuforschen. Das OGH-Urteil ist daher im Fall kino.to selbst nicht mehr relevant, aber es handelt sich dabei um eine richtungsweisende Entscheidung. Das bedeutet, dass die Internet-Provider künftig praktisch als "Richter" agieren, denn sie müssen selbst entscheiden, ob es sich bei den Websites um welche urheberrechtsverletztenden Inhalten handelt oder nicht.

Erste Reaktionen

„Endlich erleben wir einen weiteren wichtigen Schritt zu einem erwachsenen und sauberen Web“, so, Werner Müller, Geschäftsführer des VAP in einer ersten Reaktion auf die OGH-Entscheidung. „Daran sollten gerade ISPs, die ihr Geschäftsmodell wohl nicht auf Illegalität im Netz aufbauen wollen, ein Interesse haben.“ VAP-Präsident Ferdinand Morawetz befürwortet die Entscheidung des OGH ebenfalls und fordert Internet-Provider auf, „noch mehr Mut und Eigenverantwortung zu zeigen, um gemeinsam mit der Kreativwirtschaft für einen für alle Beteiligten stabilen Marktplatz in einem sicheren Internet zusammen zu arbeiten.“

Der Verband der Internet Service Providers Austria (ISPA) sieht dies freilich ein wenig anders und lehnt Netzsperren weiterhin entschieden ab und plädiert für das Konzept "Löschen statt Sperren" mit Richterbeschluss. "Die Internet Service Provider müssen jetzt selbst entscheiden, ob ein Inhalt illegal ist oder nicht. Diese Rolle des Richters ist äußerst problematisch", sagt Maximilian Schubert, Generalsekretär der ISPA, zur futurezone. "Es wird sicherlich zu weiteren Musterprozessen kommen." Zum "sauberen, erwachsenen Interent" fügt Schubert hinzu: "Wer glaubt, das das Internet erwachsen ist, hat es nicht verstanden. Das Internet wird sich auch künftig weiterentwickeln und wir müssen laufend rechtliche Rahmenbedingungen gestalten und anpassen."

UPC nimmt Stellung

UPC ließ die futurezone wissen: "Die Entscheidung des OGH nehmen wir zur Kenntnis und sind dabei das Urteil zu analysieren. Wir sind weiterhin der Ansicht, dass die Entscheidung, Webseiten oder andere Internet-Inhalte zu sperren, bei den Gerichten und Gesetzgebern liegen sollte. Bei allem Verständnis für Rechteinhaber und bei voller Unterstützung der Kreativwirtschaft ermöglichen wir unseren Kunden lediglich den Zugang zum Internet, wir sehen jedoch keine Verpflichtung und kein Recht auf Selektion oder Prüfung der darin angebotenen Inhalte."

Unterdessen gab es auch eine Reaktion aus den Reihen der Politiker. "Netzsperren sind kein adäquates Mittel zum Urheberrechtsschutz", kritisiert Michel Reimon, Telekom- und Netzpolitiksprecher der Grünen Fraktion im Europaparlament, und bezieht sich damit auf die jüngste Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, der das EuGH-Grundsatz-Urteil zum Thema Netzsperren bestätigt hat. "Wenn die Gerichte aufgrund der geltenden Gesetze so entscheiden, müssen eben diese Gesetze geändert werden."

Auch Niko Alm, NEOS-Sprecher für Netzpolitik, kritisierte diese Entscheidung: "Netzsperren sind kein brauchbares Mittel, um gegen Urheberrechtsverletzungen vorzugehen. Sie stellen hingegen ein Einfallstor für Zensurmaßnahmen dar, die Begehrlichkeiten wecken könnte, auch andere - unwillkommene, aber legale - Inhalte zu sperren. Die Energie zur Errichtung einer Infrastruktur zur Blockade von Inhalten sollte besser zur tatsächlichen Aufklärung eingesetzt werden."

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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