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Start-up

EyeEm: Berliner Foto-App fordert Instagram

Der ansonsten eher zugeknöpfte Instagram-Gründer Kevin Systrom war ungewöhnlich schnell, als er Berichte über einen

bei den Nutzerzahlen nach dem
dementierte. Stimmt nicht, meinte er - vielmehr würde Instagram stark weiterwachsen und aktuell bei
täglich halten.

Ungeschoren ist die Facebook-Tochter aber nicht davongekommen - der Wirbel um die Nutzungsbedingungen hat der Konkurrenz starke Nutzerzuwächse beschert. Neben Yahoo!s längst überfälliger Foto-App konnte vor allem das kostenlose EyeEm dazugewinnen - auf Instagram selbst empfahlen sich die User die App des Berliner Start-ups als Alternative, die respektvoll mit den Bildern der User umgeht.

Im Oktober 2012 hatte EyeEm noch eine Million Downloads, zu Weihnachten waren es plötzlich zwei Millionen aus 150 verschiedenen Ländern. Mitte Jänner geschah dann das Unglaubliche: EyeEm überholte in den USA Instagram im App Store von Apple, was täglich für hunderttausende Neuanmeldungen sorgte.

Im Aufwind
“Ich bin überwältigt, aber wir haben noch einen langen Weg vor uns”, sagt EyeEm-Gründer Meissner im Gespräch mit der futurezone. Auch der Weg, der bereits hinter ihm liegt, ist nicht kurz - oder zumindest länger als jener von Instagram.

“Wir haben vor Instagram angefangen”, sagt Meissner zur futurezone. Meissner arbeitete 2009 in Brooklyn als Fotograf für ein Start-up, als ihm seine komplette Kameraausrüstung gestohlen wurde. Aus Geldmangel war er auf ein geborgtes iPhone angewiesen - mit dessen Bildern er schließlich ein Fotobuch veröffentlichte. Dieser Erfolg und die rege Teilnahme an einem selbst organisierten Fotowettbewerb bestätigte ihn schließlich in dem Vorhaben, selbst eine Foto-App zu entwerfen.

Anders als Instagram
Instagram ist ein Push-Netzwerk, bei dem es darum geht, ein Foto zu machen und an die Facebook-Freunde zu schicken. Sie haben sich eigentlich zu einem Social Network entwickelt”, sagt Meissner. “Instagram hat sicher Pionierarbeit geleistet, aber sie haben mittlerweile so viel Content, der einfach nicht mehr entdeckbar ist.” Hier würde EyeEm ansetzen und eine echte Foto-Community aufbauen. “Einen Filter über ein Foto zu laden und es dann bei Facebook hochzuladen, ist nicht das Problem, sondern das Entdecken von neuen Fotos. Jedes Foto, was du machst, ist der Ausgangspunkt einer Entdeckungsreise”, so der Gründer über seine Foto-App.

“Wir können dir passend zu dem Schnappschuss in Echtzeit alle Fotos zeigen, die an dem gleichen Ort gemacht wurden.” So könne man Leute auf der ganzen Welt kennenlernen, neue Leute mit den gleichen Interessen kennenzulernen. “Bei uns geht es weniger um die Fotos der Freunde, sondern darum, Leute zu finden, die man noch nicht kennt”, sagt Meissner.

Foto-Filter gegen Langeweile
In Sachen Funktionen ist EyeEm üppiger als Instagram. So kann man nicht nur populäre Schnappschüsse durchstöbern, sondern auch Aufnahmen in der Nähe finden oder Foto-Alben favorisieren, und auch das Design ist anspruchsvoller. Ohne Foto-Filter kommt aber auch EyeEm nicht aus. “Das Geniale an diesen Filtern ist, dass sie uns innerhalb von Sekunden zu guten Fotografen machen”, sagt Meissner. Fade Alltagsbilder mit schlechten Lichtverhältnissen könnten so einfach sehenswert gemacht werden. “Ein schlechtes Foto von etwas, das dich interessiert, ist ein gutes Foto.”

Damit die Bilder der Nutzer für andere leicht auffindbar sind, zapft EyeEm verschiedene APIs an. “Wir sind der festen Überzeugung, dass Hashtags ziemlich Oldschool sind”, so Meissner. “Wir nehmen dem Nutzer das Taggen ab, man muss nichts mehr zum Foto dazuschreiben.” Ausgehend von GPS-Daten wird eruiert, an welchem Ort sich der Nutzer befindet. “Wenn wir wissen, dass du bei einem Italiener bist, ist der Nutzer dort wahrscheinlich eine Pizza und nicht Sushi, wenn jemand in einem Fußballstadium ein Foto macht, wissen wir, welches Spiel dort läuft und wie das Wetter ist.” Um Daten rund um ein Foto zu gruppieren, holt EyeEm automatisch Metadaten, etwa aus Wetter-Datenbanken oder Event- oder Restaurantverzeichnissen.

Facebook ist nicht alles
Während die Daten von Instagram-Nutzern seit 19. Jänner 2013 von Besitzer Facebook ausgewertet werden, ist EyeEm unabhängig und schreibt sich auf die Fahnen, die Nutzerdaten nicht anzugreifen. Ohne Facebook geht es aber auch hier nicht. Etwa 60 Prozent verwenden den Login per Facebook, 40 Prozent melden sich per E-Mail an. “Die E-Mail-Funktion ist wichtig, es gibt so viele Leute, die von Facebook wegwollen und froh sind, ihre Daten bei uns nicht angeben zu müssen”, so Meissner. “Man muss den Nutzern die Wahl lassen und ihnen erlauben, anonym zu bleiben.” Facebook wäre für die jungen Nutzer wichtiger, Probleme zwischen den zwei Nutzergruppen (Facebook vs. Nicknames) würde es nicht geben.

EyeEm (die Fotos werden übrigens in der Amazon-Cloud auf europäischen Servern gespeichert,

) sieht sich außerdem dem Opt-In-Prinzip verpflichtet. Anders als die Konkurrenz werde man den Nutzern nie neue Regeln oder Funktionen aufzwingen, sondern immer nach dem Opt-In-Prinzip handeln. “Niemand wird gezwungen, seine Daten preiszugeben.”

Die Nutzer mitverdienen lassen
Noch verdient EyeEm kein Geld, das Ziel ist aber natürlich, ein profitables Unternehmen zu werden. So könnte man eine Art Foto-Börse werden, in der Agenturen oder Medien Bilder der Nutzer lizensieren. Die Urheber der Bilder könnten dann an ihren Schnappschüssen verdienen, EyeEm würde als eine Art “Social-Foto-Markt” eine Vermittlungsgebühr bekommen.

Außerdem ist für Meissner vorstellbar, die Foto-Missionen, bei denen die Nutzer auf die Jagd nach vorgegebenen Motiven gehen, von Marken sponsern zu lassen. Fix ist für ihn aber eines: Der Download der EyeEm-App wird immer gratis bleiben. “Das haben wir uns nie gefragt. Wir wollen die Kreation von Content so einfach wie möglich machen, wenn du dafür Geld verlangst, macht keiner mit.”

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