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"3G ist weder für Telefonie noch Daten gut“

Vier Milliarden Menschen werden laut dem französischen Netzwerk-Ausrüster Alcatel-Lucent im Jahr 2017 mit dem Internet verbunden sein, die Zahl der vernetzten Geräte wird bis 2020 auf über 70 Milliarden wachsen. Der überwiegende Großteil wird drahtlos im Netz hängen – über WLAN und Mobilfunk. Um die dabei anfallenden Datenmengen zu bewältigen sind neue Technologien und Netze - Stichwort 5G - notwendig.

150 Milliarden Euro nötig

„Wir befinden uns am Rand eines Daten-Tsunamis“, sagte Alcatel-Lucent-Chef Michel Combes auf den Bell Labs Future X Days in Stuttgart. Die erforderliche Investitionssumme, damit Europa im digitalen Zeitalter vorne mitmischen könne, bezifferte er mit 150 Milliarden Euro. Von der ehemaligen Vorreiterrolle sei Europa beim Mobilfunk weit entfernt. Heute hätten eher Länder wie die USA, Japan, China, aber auch Indien die Notwendigkeit von Investitionen erkannt.

Das zeigt sich laut Combes auch bei den Netzen: „In den USA wird der Mobilfunker Verizon 2017 sein 3G-Netz abschalten und nur mehr auf LTE setzen. Wenn man weiß, dass Europa bei der Durchdringung von LTE derzeit gerade einmal bei fünf bis sechs Prozent liegt, muss man sich schon fragen: Was ist da schief gegangen?“ Dass viele Länder in Europa ein gutes 3G-Netz haben, ist laut Combes nur ein schwacher Trost. „3G ist weder für Telefonie noch Daten eine gute Technologie, die Sprachqualität war unter 2G besser, und bei Daten ist wiederum LTE weit überlegen.“

Michel Combes, Telecom equipment maker Alcatel-Lucent Chief Executive Officer, attends a commission hearing at the National Assembly in Paris October 15, 2013. The Franco-American group last week unveiled plans to slash 10,000 jobs worldwide, including 900 in France, arguing the cuts were its last chance to stem years of losses and turn the company around. REUTERS/Gonzalo Fuentes (FRANCE - Tags: BUSINESS TELECOMS EMPLOYMENT POLITICS HEADSHOT)

5G-Parameter noch unklar

Mit LTE allein wird man allerdings bei weitem nicht auskommen, zumal der Zugang zum Internet in Zukunft vor allem drahtlos erfolgen wird. Das ominöse Zauberwort heißt 5G, doch was unter dem geplanten fünften Telekommunikationsstandard genau zu verstehen ist bzw. welche Technologien ihn definieren sollen, steht noch nicht fest. Branchenexperten rechnen damit, dass neue Hochfrequenzspektren von 28 bis 60 Gigahertz (Millimeterwelle) im Mobilfunk, aber auch bei WLAN-Verbindungen eine wichtige Rolle spielen werden, zumal auch die Büros der Zukunft ohne fixe Leitungen konzipiert werden.

Während 4G in der öffentlichen Wahrnehmung praktisch mit dem Mobilfunkstandard LTE gleichgesetzt wird, geht es bei 5G weniger um eine einzelne Technologie. Vielmehr sollen intelligente Netze entstehen, die Datenanforderungen optimal auf vorhandene Ressourcen aufteilen. Ein Gerät muss sich in Zukunft etwa nicht mehr entscheiden, ob es im WLAN- oder Mobilfunknetz auf das Internet zugreift. Vielmehr können mehrere Netze parallel genutzt und somit die Last auf verschiedene Daten-Hotspots aufgeteilt werden.

Unterbrechungsfreie Videos

Da 5G-Netzwerktechnologien weitaus mehr Metainformationen mitsenden, als es heute bei 3G oder 4G der Fall ist, soll sich das Netz besser an den User und die verwendeten Applikationen anpassen können. Alcatel-Lucent etwa zeigte eine Lösung, bei der Netzfunklöcher auf einer Autofahrt antizipiert werden können. Fährt man etwa in einen Tunnel, weiß das Netz aufgrund des Streckenverlaufs und der Netzabdeckungskarte schon vorher, dass mehr Daten zwischengespeichert oder die Qualität des Videostreamings heruntergesetzt werden müssen. Übertragungsabbrüche sollen so verhindert werden.

Um höhere Frequenzen für die Datenübertragung nutzen zu können, werden die Funkzellen laut Ansicht von Marcus Weldon, Leiter der Bell Labs von Alcatel-Lucent, näher zum User rücken und kleinteiliger konzipiert sein. „Es wird viele Netzwerkknoten geben. Von denen aus kann man die letzten 30 bis 100 Meter dann über Funk oder mittels neuen Kupfer-Technologien wie XG.Fast überbrücken“, sagte Weldon auf Nachfrage der futurezone. Von der dezentralen und flexibleren Gestaltung des Netzes würden letztlich auch ländliche Gebiete profitieren, da kleinere Zusatzstationen weniger kostenintensiv seien als die derzeit verwendeten großen Sendemasten. Optimiert wird die Funkversorgung durch zielgerichtete Signale.

5G im Massenmarkt ab 2020

Bis die Rahmenbedingungen für 5G abgesteckt sind, wird es aber noch dauern. Im März 2016 könnte der Standard spruchreif werden, 2018 werden erste Geräte auf Basis der vorläufigen Spezifikation erwartet. Den Massenmarkt wird 5G laut Weldon vermutlich ab 2020 erobern. „Die kommenden zwei Jahre sind enorm wichtig, da wird sich auch technologisch zeigen, ob europäische, asiatische oder US-Unternehmen dem Standard ihren Stempel aufdrücken können“, meint auch Alcatel-Lucent-CEO Combes.

„Wenn man im Vordersitz sitzt, wie es Europa am Beginn der Mobilfunk-Ära getan hat, schafft man ein innovationsfreundliches Klima, von dem die gesamte Region profitiert. Es wäre schön, wenn wir dorthin zurückkehren könnten“, so Combes. Um das Ziel zu erreichen, müssten aber gewisse Voraussetzungen wie ein digitaler EU-Binnenmarkt geschaffen werden. Der völlig fragmentierte Markt mit 28 Regulatoren in den einzelnen Ländern verhindere, dass größere Player ihr Potenzial und damit auch entsprechende Investitionen ausschöpfen können.

„Roaming war unwichtig“

Combes hofft diesbezüglich auf neue Impulse der EU-Kommission und spart auch nicht mit Kritik an der früheren EU-Kommissarin Neelie Kroes, die sich etwa für den Fall der Roaming-Gebühren eingesetzt hat. „Der Fokus war viel zu konsumentenlastig und viel zu kurz gedacht. Die Roaming-Preise waren vielleicht zu hoch, aber sicher nicht das dringlichste Problem, das es zu lösen gab. Wenn Europa Wirtschaftswachstum haben will, brauchen wir das kompromisslose Bekenntnis zu einer neuen digitalen Agenda“, ist Combes überzeugt.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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