„Es wird mehr Geld für Start-ups geben“
Eigentlich hat Hans Hansmann gedacht, dass Mountainbiken in den nächsten Jahren seine Hauptbeschäftigung sein würde. Doch anstatt wie bisher 8000 Kilometer pro Jahr abzuspulen, ließ sich der 60-jährigen Wiener Geschäftsmann vom Netz-Fieber anstecken. Seit Anfang 2010 investiert er Teile seines Millionenvermögens, das er mit dem Verkauf seiner in Spanien aufgebauten Pharma-Firma Alcala Farma gemacht hat, in Internet-Start-ups. Der Sprachlern-Dienst Busuu, das Kostenvergleichs-Portal Durchblicker, der digitale Ernährungsberater iJoule, die Medikamentensuchmaschine Diagnosia und der Online-Juwelier RenéSim - sie alle haben Investments von Hansmann bekommen. Nicht zuletzt deswegen ist er 2011 zum österreichischen “Business Angel des Jahres” gewählt worden.
Die futurezone hat mit Hansmann über seine Start-ups, die Lage in Österreich und die Menschen hinter den Projekten gesprochen.
Gratulation zum “Business Angel” des Jahres. Wie erklären Sie Ihrer Frau, was das ist?
Haha! Also das ist einer, der anderen, vor allem Jungen, dabei hilft, ein Projekt, an dem sie dranhängen, voranzubringen. Ich war ja selber leidenschaftlicher Unternehmer, und als Business Angel kann ich das Entstehen von etwas Neuem in unterschiedlichen Firmen gleichzeitig miterleben. Aber es bleibt immer die Idee und das Werk der Gründer, ich bringe nur meine Erfahrung und mein Know-how ein.
Mit 60 gehören Sie zu einer Altersgruppe, die noch eher weniger mit dem Internet anfängt. Da sind Sie vielen Altersgenossen zwei Schritte voraus.
Ich war immer sehr stark an Technik interessiert. Acht Jahre, bevor der erste PC auf den Markt kam, war ich in einem Elektronikinstitut tätig, und das hat mich nie mehr losgelassen. Später, vor zwanzig Jahren, hab ich bei einer großen Firma die Außendienstmitarbeiter auf PC umgestellt. Das ist heute unvorstellbar, aber die haben damals mit Karteikarten gearbeitet, wo sie die Daten ihrer Kunden draufhatten.
Wieso investieren sie gerade in Internet-Start-ups?
Weil man dort die leidenschaftlichsten Unternehmer und Gründer findet. Das ist ein neues Feld, wo man noch mehr bewegen kann als in einer Branche, die es seit 30, 40 Jahren gibt. Das Internet-Business hat außerdem Vorteile, weil es nicht mit einem großen Finanzaufwand verbunden ist. Andere Firmen leiden unter ihrem Erfolg, wenn sie wachsen, sie müssen Kunden, Lager, usw. finanzieren, das ist im Internet nicht so.
Andererseits sind Internetfirmen oft sehr kurzlebig, verschwinden schneller, als sie kommen. Wie trennen Sie den Spreu vom Weizen?
Ein Geschäftsmodell kann man ja aus allem machen, man muss es nur ein bisschen billiger und schneller tun als die Konkurrenz. Ich muss aber das Gefühl haben, dass es eine neue Idee ist, dass es noch wenig Konkurrenz in dem Gebiet gibt, dass es eine Nische gibt, in die man rein kann. Wenn diese Grundregeln erfüllt sind, entscheide ich ausschließlich anhand der Personen. Ich investiere in die Menschen und nicht in die Projekte.
Die Gründer sind also wichtiger als die Idee?
Mit den richtigen Leuten kommt am Schluss immer etwas G´scheites heraus, es muss nicht immer die erste Idee sein, die kann sich fünf Mal ändern. Wenn es umgekehrt ist, also die richtige Idee mit den falschen Leuten, ist die Chance, dass es was wird, viel geringer.
Welcher Unternehmertyp hat eine Chance bei Ihnen?
Zwei Kriterien: Ich muss die Leute mögen, und ich muss das Gefühl haben, dass sie mich mögen. Das merkt man schon beim ersten Meeting, und dann schaue ich, ob die Leute die Leidenschaft mitbringen, dieses Business durchzuziehen. Es sollte die Technik, der Vertrieb und die Finanzen abgedeckt sein. Irgendeiner muss im Team sein, der ein Gefühl für Zahlen hat. Und ich will keine Leute, die auf fünf Hochzeiten gleichzeitig tanzen.
Das tun Sie aber selber, Sie haben in fünf Start-ups gleichzeitig investiert.
Natürlich, aber ich bin dort nicht operativ tätig, ich nehme nur strategischen Einfluss. Operativ kann man nur auf einer Hochzeit sein, aber man kann auf mehreren Hochzeiten mitfeiern.
Wie viel investieren Sie im Schnitt?
Zwischen 100.000 und 500.000 Euro. Ich habe immer zwischen 20 und 35 Prozent Firmenanteile, je nachdem, wie groß das Gründerteam ist. Unter 20 Prozent gehe ich nicht, weil ich mich wirklich um das Start-up kümmere und nicht erst nach drei Monaten nachfrage: “Was habt´s ihr jetzt gemacht?”
Wie haben Sie Ihr Geld gemacht, dass Sie heute bei jungen Internet-Firmen anlegen?
Ich habe mein in Spanien aufgebautes Pharma-Unternehmen Alcala Farma verkauft, das war ein Exit in der Größenordnung von 50 Millionen Euro. Das hab ich aber natürlich nicht alleine bekommen.
Was unterscheidet sie von so genannten Venture Capitalists (VCs), also großen Risikokapitalgebern wie Accel Partners?
VCs haben eine andere Philosophie, weil die das Geld anderer Leute verwalten und die menschliche Komponente nicht so wichtig für sie ist. Außerdem bekommen sie deutlich mehr Rechte, als ihnen aufgrund der Prozentanteile zustehen. Ab dem Zeitpunkt, an dem ein VC einsteigt, ist man unheimlich Exit-getrieben, das schränkt die Bewegungsfreiheit ein. Man liest ja oft von super Exits, aber meine Erfahrung hat gezeigt, dass dort, wo VCs drinnen waren, der Anteil der Gründer nur mehr verschwindend gering ist.
Streben Sie auch den Verkauf der Start-ups an?
Der Exit muss nicht immer das Ziel sein. Wenn die Gründer langfristig ein interessantes Dividendenmodell haben, warum nicht? Das Ziel muss aber immer die Gewinnzone sein. Mich treibt aber sicher nicht der ROI (“Return On Investment”) an, ich hab für mich ein anderes Motto: Den FOI.
Was ist das bitteschön?
Fun On Investment! Der Weg ist das Ziel, ich mache das, weil es mir Spaß macht.
Trotzdem muss ein Internet-Unternehmen Geld machen. Welches Geschäftsmodell präferieren Sie: Kostenlose Web-Dienste, die werbefinanziert sind, oder Freemium-Dienste, wo der Nutzer für den vollen Funktionsumfang eine Gebühr zahlt?
Derzeit herrscht ja die allgemeine Einstellung der Internet-User vor, dass alles, was im Internet ist, gratis sein muss. Das wird sich langfristig ändern müssen. Ich bin der Meinung, dass man für qualitative Services auch Geld zahlen soll. Bei der Sprach-Plattform Busuu bieten wir sehr viel kostenlos an, damit möglichst viele Nutzer auf die Seite kommen und ein kleiner Prozentsatz dann für den Premium-Account zahlt. Ganz gerecht finde ich das nicht, dass die Leute Sprachen lernen können, ohne dafür zu bezahlen. Ich bin ein Fan von Freemium-Modellen, glaube aber, dass der Gratisanteil weniger sein sollte. Wenn etwas über Werbung finanziert wird, stört das die Qualität des Produkts. Ich mag es nicht, wenn ständig irgendein Werbebanner dazwischen flutscht.
In Wien sind bereits einige der Meinung, dass es derzeit besser ist, in junge Firmen zu investieren, als das Geld bei der Bank oder an der Börse anzulegen.
Ich bin ein großer Anhänger dieser Theorie. In Österreich gibt es viele Leute mit viel Geld, die aber nicht risikoaffin sind. Die investieren nicht in Projekte, sondern legen ihr Geld lieber an. Sichere Anlagen gibt es heute nicht mehr, nicht einmal österreichische Staatsanleihen sind wirklich sicher. An der Börse investiert man zwar auch in Realwerte, aber diese Werte hängen von vielen Faktoren ab, die außerhalb des Einflussbereichs der Firma liegen. Als Business Angel hat man hingegen direkten Einfluss auf die Strategie einer Firma. Im letzten Monat bin ich von zehn Leuten angesprochen worden, die wie ich investieren wollen. Insgesamt glaube ich deswegen, dass es mehr Geld für Start-ups geben wird.
Wenn Wien mit Berlin, London oder Stockholm vergleicht, ist die hiesige Start-up-Szene eher noch bescheiden. Werden wir die Underdogs bleiben?
Wien hat einen geografischen Vorteil als Drehkreuz zwischen Ost und West. Im Osten gibt es eine sehr lebhafte Internetszene und viele gut ausgebildete, hungrige Leute, die etwas auf die Beine stellen wollen. Für die ist Wien die erste Anlaufstelle, und darauf muss Wien aufbauen. Es wird schwierig sein, sich als drittes Zentrum neben London und Berlin zu etablieren, aber wir müssen auf jeden Fall dran bleiben. Wien ist erst kürzlich zum fünftbesten Innovations-Hub weltweit gewählt worden und ist auch wieder die Stadt mit der höchsten Lebensqualität. Ich persönlich lebe lieber in Wien als in London, und ich werde vorwiegend versuchen, hier zu investieren.
Start-ups wie Lookk oder Qriously sehen das offensichtlich anders, die sind nach London ausgewandert.
Ich bin mir nicht sicher, ob das eine tolle Entscheidung war und ihnen wirklich was bringt. Die Programmierer sind dort teurer, die Mieten sind teurer, das Leben ist teurer.
Haben Sie schon konkrete Pläne für neue Investitionen in Österreich?
Ich bin im Moment mit drei weiteren Start-ups in Verhandlungen, aber über ungelegte Eier rede ich nicht.