"Europa ist kein technologisches Schwergewicht mehr"
Beim Fujitsu-Forum in München stand die Zukunftsvision des japanischen Konzerns im Zentrum. Die zentrale These dabei ist, dass die zunehmende Vernetzung und Allgegenwertigkeit von Kommunikations- und Informationsverarbeitungstechnik es Menschen, Unternehmen und Organisationen erlauben wird, immer effizienter zu operieren. Die futurezone hat den Fujitsu Technology Solutions CTO Joseph Reger zu seiner Sicht der Dinge befragt.
Auf dem Fujitsu Forum wird viel über die Zukunft gesprochen. Haben Sie in der Literatur oder in Filmen schon eine Zukunftsvision entdeckt, die Sie für realistisch halten?
Ich habe bisher keine besondere Vision gefunden. Die Zukunft wird wohl eine Mischung aus verschiedensten Ideen werden, aber das Verhältnis ist unbekannt. Es geht dabei nicht nur um den Wert einer Idee, sondern auch um Entscheidungen des Marktes. Wir bekommen deshalb oft nicht, was wir uns wünschen.
Was sind aktuell die wichtigsten Entwicklungen für Fujitsu?
Die Themen der vergangenen Jahre - Internet of Things, Big Data, Cloud, und so weiter - sind alle noch da und spielen eine wichtige Rolle im Gesamtbild. Die Informationstechnik steht uns endlich nicht mehr im Weg. Vor fünf Jahren wäre Hightech-Landwirtschaft, mit Sensoren und auf Modellen basierend, nicht möglich gewesen.
Sie zeichnen in ihren Vorträgen eine Vision von Fujitsu, bei der Hardware in den Hintergrund tritt. Ist das nicht schwierig für ein Unternehmen, das als Hardwarehersteller bekannt ist?
Der Einwand, dass Hardware zunehmend zum Gebrauchsgut wird, ist berechtigt, aber das liegt viele Jahre in der Zukunft. Wir bieten alle Techniken und Produkte für Innovation, das ist aber nicht unsere Alleinstellungsmerkmal.
Heute gibt es noch einen Markt für Hardware, und für unsere Kunden liefert Fujitsu alles aus einer Hand. Wir betreiben Forschung und Entwicklung, liefern Produkte und vermarkten sie.
Wenn Ihre Vision zutrifft und Hardware immer unsichtbarer wird, weil sie mit der Umwelt verschmilzt, wie verdienen Sie dann Geld?
Wir verfolgen eine servicegetriebene Strategie. Man kann natürlich auch Margen und Markt ins Zentrum stellen, aber ich überlege lieber, was kriegsentscheidend sein wird. Für mich ist das der Erfolg im Business-Bereich. Unsere Integrations- und Innovationsfähigkeit bringt dieses Geschäft in neue Dimensionen. Hardware, also Sensoren und Rechner, sind nur eine kleiner Teil davon.
Auf Services setzt auch die Konkurrenz.
Die Konzentration auf eine Service-Strategie verschafft uns keine einzigartige Position. Aber Fujitsu hat die Plattform, die Geschwindigkeit, die Infrastruktur und das Daten-Know-how. Zudem steht das Element Mensch bei uns im Zentrum. Diese Value-Proposition ist einzigartig.
In Ihrer Vision von hilfreicher Technik, die es Menschen erlaubt, sich in Arbeit und Freizeit zu verwirklichen, erwähnen Sie selten, dass durch Ihre Systeme Jobs verloren gehen.
Das ist nicht spezifisch für Human Centric. Hier geht es um Effizienz, das ist eine Fortschtrittsdiskussion, bei der es darum geht, ob Bestehendes vernichtet wird. Vielleicht gehen Jobs verloren, aber bisher wurde immer Ersatz gefunden.
Ihre Systeme erlauben etwa die Wartung komplexer Systeme durch Hilfskräfte, die von Tablets geleitet werden.
Der Wartungsarbeiter, der Tablets verwendet, ist dann vielleicht kein Techniker mehr. Dann müssen junge Menschen eben noch besser gebildet werden. Das ist ein ständiges Klettern für alle, wer stehen bleiben will, wird dann eben schlechter bezahlt. Dass möglichst viele oben bleiben, ist eine gesellschaftliche Aufgabe.
Die Systeme der Zukunft werden enorm viele Geräte umfassen. Bringt diese Komplexität nicht auch Fehleranfälligkeit mit sich?
Ein System kann komplex sein, ohne fehleranfällig zu werden. Aber technische Entwicklung bringt neue Komplexität und umgekehrt. Ob dabei die Geschwindigkeiten auseinandergehen, ist eine Streitfrage. Ich hoffe nicht.
Sie haben gesagt, dass Europa nicht versuchen soll, Konkurrenzunternehmen für US-IT-Giganten zu erzwingen.
Europa ist kein technisches Schwergewicht mehr. Die Forschung ist nicht das Problem, unsere Leute gehen gut vorbereitet in die USA, um millionenschwere Start-ups zu gründen. Es gibt wenig Venturekapital in Europa, die USA haben aus diesem Gesichtspunkt das bessere Finanzierungsmodell.
Das hat aber auch Schattenseiten.
Allerdings führt das häufig zu Blasen und derzeit gibt es auch in den USA wenig Innovation, sodass Unternehmen oft versuchen, mit den Produkten anderer Geld zu verdienen. Wir Europäer sollten keinen Wettkampf anzetteln, den wir nicht gewinnen können. Stattdessen sollten wir die Industrie retten, die wir haben.