YLine-Strafprozess: Ex-Chef Böhm zum fünften Mal befragt
Am heutigen siebenten Hauptverhandlungstag im Strafprozess um die Internet-Firma YLine wurde die Befragung des Hauptangeklagten Werner Böhm fortgesetzt und abgeschlossen. Für den Ex-YLine-Chef war es bereits der fünfte Tag, an dem er dem Richtersenat Rede und Antwort stehen musste. Auch heute (Mittwoch) wies Böhm alle von der Staatsanwaltschaft gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück.
Zu Beginn der heutigen Verhandlung standen noch einmal das Partnerschaftsabkommen mit dem IT-Konzern IBM und das damit eng zusammenhängende Geschäftsmodell der YLine sowie deren Liquiditätslage im Mittelpunkt der Befragungen durch Richterin Marion Zöllner und die Anwälte der angeklagten ehemaligen Vorstände und Aufsichtsräte der YLine sowie deren Wirtschaftsprüferin. Von IBM sei durchaus auch der Tausch von Verbindlichkeiten gegen Aktien - ein sogenannter Debt/Equity-Swap - akzeptiert worden, führte Böhm unter anderem aus.
Überblick über die Zahlen
Auf die Frage der Richterin, ob er damals - zum Jahreswechsel 2000/2001, bevor YLine im Herbst Konkurs anmelden musste - einen mehr oder weniger guten Überblick über die Zahlen des Unternehmens hatte als heute, meinte Böhm, er gehe davon aus, dass er schon damals einen Überblick hatte. Erlöse hätten zu dieser Zeit von zwei Arten von Projekten kommen sollen, einerseits vom gemeinsamen Bluebull-Projekt mit dem einstigen Börsenguru Mike Lielacher, in das YLine die Technik eingebracht hätte, und andererseits hätte es bereits direkte Einnahmen gegeben. 6,5 Mio. Euro hätte Bluebull im Frühjahr 2001 in bar zahlen sollen.
Ein vorgelegtes Vorstandsprotokoll vom 26. März 2001 zeigt, mit welchen Problemen YLine in dieser Zeit zu kämpfen hatte, um eine von Wirtschaftsprüfern attestierte Bilanz erstellen zu können. So fehlten damals sowohl für Bluebull als auch I-Online, an denen YLine beteiligt war, die Plausibilitätsprüfung für den Businessplan. Das war für die Unternehmensbewertung von Bedeutung. Im Falle eines tatsächlich niedrigeren Unternehmenswertes hätte nämlich die Differenz zum Kaufpreis abgeschrieben werden müssen.
Ein weiteres Problem: 7,2 Mio. Euro in der YLine-Bilanz gehörten eigentlich der I-Online, weil die YLine Web Access Services GmbH (YWAS) an die I-Online verkauft worden war. Zudem sollte YLine eine Vereinbarung mit IBM vorlegen, dass diese ihre Forderungen nicht auf einmal in Summe fällig stellt, forderten die Wirtschaftsprüfer. Ernst & Young (E&Y) wollte zudem eine testierte Bilanz der Proofit AG, an der YLine ebenfalls beteiligt war. Dazu wäre aber wiederum ein realistischer Businessplan notwendig gewesen, der aber nicht mehr als 1 Mio. Schilling Finanzierungsbedarf durch YLine zeigen hätte dürfen. Zudem errechnete die damalige Wirtschaftsprüferin für YLine einen monatlichen "Cash-Burn" von 1 Mio. Euro.
Analyst warnte
Dass diese Probleme auch in der Öffentlichkeit nicht gänzlich unbemerkt blieben, zeigt eine APA-Meldung vom 30. März 2001, in der der damalige Erste-Bank-Analyst Günther Artner davor warnte, dass YLine in eine "problematische Situation" laufen könnte. Die Bargeldsituation des Unternehmens habe vorerst nicht geklärt werden können, da das gesamte Managementteam nicht erreichbar gewesen und keine detaillierte Bilanz vorgelegt worden sei. YLine veröffentlichte am 30. März die Geschäftsergebnisse für das Jahr 2000. Artner kritisierte auch, dass YLine trotz des Verkaufs der restlichen 25 Prozent der Bluebull-Anteile - was damals nur aus dem Bluebull-Börsenprospekt hervor ging - selbst noch keine Mitteilung dazu gemacht habe, obwohl dies "definitiv" wichtige Informationen für das Unternehmen und die Aktienbesitzer seien. Auch stehe die Bewertung, die YLine für diesen Anteil bekommen habe, scheinbar in keinem Verhältnis zur Bewertung im vergangenen November und zum derzeitigen Angebotspreis im Zusammenhang mit dem Bluebull-Börsegang.
Die Befragungen von Böhm bezogen sich in der Folge auf die weiteren Anklagepunkte, nämlich darauf, dass er trotz des Wissens um die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens etwa PR-Leistungen bezahlt habe, die nicht notwendig gewesen wären. Auch Prämien an ein Vorstandsmitglied, Honorarnoten, sowie zwei Flüge nach Nizza, die in dieser Zeit erfolgten, seien betrieblich veranlasst oder vom Aufsichtsrat genehmigt gewesen, betonte Böhm.
Befragt nach dem vorgeworfenen Insiderhandel mit YLine-Aktien, obwohl YLine laut Anklage bereits zahlungsunfähig gewesen sei, meinte Böhm, er wisse nicht, wie die Staatsanwaltschaft zu dieser Annahme komme. Er habe im Frühjahr 2001 noch in YLine investiert, gestand aber auf Nachfrage der Richterin zu, durch die Verkäufe doch auch einen zumindest indirekten Vermögensvorteil gehabt zu haben.
Böhm bekräftigte einmal mehr, dass sich damals nur ein mitangeklagtes Aufsichtsratsmitglied mit dem Verkauf von YLine-Aktien "bereichert" habe, indem es 20 Prozent des gesperrten Volumens verkauft habe. "Diese Transaktionen haben uns geschadet. Ob das Insiderhandel war, weiß ich nicht", so Böhm.
Aus seiner Sicht hätten die Informationen in den Jahres- und Quartalsabschlüssen der Wahrheit entsprochen, so Böhm zu einem weiteren Vorwurf der Anklage. Dass die Aktien bei längerer Betrachtungsweise wertlos gewesen seien, sei falsch. "Aktien sind das wert, was die Aktionäre sagen, dass sie wert sind", meinte Böhm. Er habe kaum einen Einfluss darauf gehabt.
Der Prozess wird morgen Donnerstag im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts fortgesetzt.