4 Gründe, warum es zum Blackout kommen könnte
Österreich ist verwöhnt, was die Versorgungssicherheit beim Strom betrifft. Nur selten gibt es Ausfälle und wenn, dann ist nach wenigen Stunden meistens wieder alles beim Alten. Doch ist diese Sicherheit trügerisch? Kann man von der Vergangenheit wirklich auf die Zukunft schließen? Expert*innen warnen seit Jahren davor, dass das Risiko, bald ein Blackout zu erleben, stetig steigt. Die Gründe dafür sind vielfältig.
1. Versorgungssicherheit gilt als selbstverständlich
„Früher war Versorgungssicherheit groß geschrieben. Doch dann kam die Liberalisierung des Strommarkts und man ist weggegangen vom technischen Denken, dass das Netz funktionieren muss“, beschreibt Gerhard Christiner von Austrian Power Grid (APG), Betreiber des Übertragungsnetzes Österreichs. Das führte dazu, dass rein physikalische Vorgänge, die sich im Stromnetz beim Transport abspielen, ignoriert worden sind. Manche Kraftwerke standen damals deshalb einfach still. „Es hatte einige Fehlentwicklungen gegeben“, beschreibt Christiner.
Auch jetzt ist der Strommarkt dem Handel unterworfen. Einem Handel, der seine Eigenheiten hat. Aktuell sind die Energiepreise etwa so hoch wie nie zuvor, was so manchen Industriebetrieb bereits dazu gebracht hat, die Produktion runterzufahren, weil die Kosten schlichtweg nicht mehr zu stemmen sind. „Seit es den Markt gibt, ist die Versorgungssicherheit nicht mehr gleichgestellt. Es ist selbstverständlich, dass der Strom aus der Steckdose kommt, aber die Versorgungssicherheit hat nicht den gleichen Stellenwert wie früher “, warnt der APG-Experte.
2. Strommarkt orientiert sich nicht am Netz
Der Strommarkt kennt außerdem keine Grenzen. „Wir leben in einem europäischen Strommarkt. Kraftwerke, die nicht gefördert sind, fahren nach Marktpreisen hoch und runter“, sagt Christiner. Gibt es ein Problem im Netz in Südosteuropa kann das auch auf Österreich Auswirkungen haben. Anfang des Jahres gab es etwa eine Großstörung im europäischen Stromnetz, bei der Südosteuropa vom kontinentaleuropäischen Netz abgetrennt worden war. Die Netzauftrennung sorgte für großes Aufsehen, so verursachte sie einen Beinahe-Blackout quer durch ganz Europa.
„Bei dem Vorfall waren Abschaltungen vorgenommen worden, um einen Gesamt-Blackout zu verhindern“, erklärt Herwig Renner, Experte von der TU Graz. „Wenn ungünstige Umstände zusammen kommen, etwa ein kalter Wintertag und dazu ein Schneesturm, kann man solche Ereignisse nicht ausschließen“, warnt Renner. Bricht das ganze Netz zusammen, braucht es mehrere Stunden, damit dieses wieder hergestellt werden kann.
Trainings für den Ernstfall
Deshalb gebe es regelmäßige Trainings solcher Vorfälle für europäische Netzbetreiber. Mithilfe eines Simulators werde etwa der Netzwiederaufbau trainiert. „Auch am Simulator benötigt man viele Stunden, weil ich jede Leitung einzeln schalten muss“, erzählt Renner. Doch es gebe auch Trainings im echten Netz, denn dort kommen oft versteckte Fehler zum Vorschein, mit denen man nicht gerechnet hat: „Wenn es bei einer Maschine seit 40 Jahren einen Verdrahtungsfehler gibt, bemerkt man diesen nur im echten Netz. Wir sind in Österreich gut dabei, diese Vorfälle zu trainieren, damit wir im Ernstfall professionell agieren können.“
Rasche Reaktionen der Netzbetreiber haben bisher immer das Schlimmste verhindert. Beim letzten Großereignis in Europa im Juli waren zwei Millionen Menschen eine Stunde lang vom Stromnetz getrennt. Entscheidend bei einem solchen großflächigen Störfall sei die Kommunikation der Netzbetreiber Europas, gut trainiertes Personal sowie schwarzstartfähige Kraftwerke (lassen sich unabhängig vom Stromnetz hochfahren), so der TU-Experte. „Wir wissen nicht, wann es passieren wird, aber wir müssen darauf vorbereitet sein.“
Neben gut trainiertem Personal wird allerdings auch ein nachhaltiger Netzausbau benötigt, bei dem die Energiewende mit berücksichtigt wird. „Wir brauchen dafür eine Netzinfrastruktur, bei der auch Reserven eingebaut sind und mit der wir nicht ständig ans Limit gehen“, warnt Christiner. Dazu sei es notwendig, der Versorgungssicherheit wieder mehr Raum zu geben in der Kommunikation.
3. Energiewende findet schneller statt als der Netzausbau
Die Energiewende darf in dieser Hinsicht ebenfalls nicht unterschätzt werden. Die Windparks werden nicht dort stehen, wo die alten Gaskraftwerke zu finden waren und der Umbau auf Erzeugerseite schreitet schneller voran als der Umbau und Ausbau der Netzinfrastruktur. Diesem Problem hat sich die futurezone bereits einmal gewidmet, nähere Infos dazu findet ihr hier.
Hinzu kommt, dass es laut dem Energietechniker Bernd Glöckl einen großen, technischen Unterschied mache, mit was für Energieträgern man ein Netz im Störfall wieder aufbaut. „Die Konzepte werden in Zukunft anders aussehen müssen, weil sich die Ressourcen verändern.“ Deshalb brauche man in Europa einen „massiven Netzausbau“.
4. Cyberangriff auf die kritische Infrastruktur
Neben dem Blackout-Risiko durch den Strommarkt und die Energiewende gibt es noch eine dritte Gefahr: Cyberangriffe auf das Stromnetz. Im Dezember 2015 sorgte ein großflächiger Stromausfall in der Ukraine für Aufregung. Dahinter steckte kein technisches Gebrechen, sondern ein Cyberangriff.
„Ein Angriff wie in der Ukraine kann auch in Österreich nicht ausgeschlossen werden“, sagt Wolfgang Czerni, Cybersecurity-Spezialist von Infraprotect. „Die Expertise der Angreifer*innen wird immer besser und es wird sehr strukturiert vorgegangen, wie man kritische Netze kapern kann“, so Czerni. In Österreich habe man 226 tatsächlich relevante Gefahren identifiziert, erklärt der Cybersecurity-Experte, der zugleich betont, dass hier eine Zusammenarbeit mit Geheimdiensten, Bundeskriminalamt und Behörden erforderlich sei, um derartige Bedrohungen realistisch einschätzen zu können. „Es ist in diesem Bereich ein Wettrüsten zwischen Angreifer*innen und Verteidiger*innen“, sagt Czerni.
Gut vorbereitet oder doch nicht?
Laut Alfons Haber von der E-Control sei Österreich, was die rechtliche Seite der Versorgungskrise Blackout betrifft, „gut gewappnet“. „Wenn die Vollversorgung nicht mehr sichergestellt werden kann, würde es zur Prioritätensetzung kommen“, erklärt Haber. Dazu sei man in Kontakt mit dem Bundesministerium, dem Energielenkungsbeirat, sowie dem Krisenstab der Länder. „In Europa gibt es nicht viele Länder mit vergleichbaren, gesetzlichen Regelungen“, so Haber.
Die österreichische Bevölkerung dagegen ist fast zur Hälfte nicht ausreichend auf eine länger andauernde Stromversorgungskrise vorbereitet. Vielen ist nicht bewusst, dass in diesem Fall auch keine Lebensmitteleinkäufe möglich sind, oder das Mobilfunknetz zusammenbricht. Nur rund 42 Prozent Befragte einer repräsentativen Umfrage sind zuversichtlich, dass die Vorbereitungen im eigenen Haushalt genügen würden, um bis zu zwei Wochen ohne Strom zu überstehen.