Copwatch: Mit Smartphones gegen Polizeigewalt
Schon 1990 hatte Andrea Pritchett die Gruppe CopWatch im kalifornischen Berkeley gegründet. Was als Bürgerinitiative begann, um unrechtes Verhalten der Polizei gegen Obdachlose zu dokumentieren, ist mittlerweile zu einer nationalen Bewegung gewachsen, die gegen Polizeigewalt und Rassendiskriminierung vorgeht. „Als wir CopWatch starteten, war die amerikanische Bevölkerung sehr pro-Polizei“, sagt Prichett. „Heute jedoch ist das Vertrauen in die Polizei nahezu verschwunden und sie haben begonnen, deren Haltung, vor allem gegenüber Schwarzen und anderen Minderheiten wie Latinos zu misstrauen.“
Dokumentierte Misshandlung
Als Wendepunkt gilt der Fall des 43-jährigen asthmakranken Eric Garner, der während einer Festnahme im New Yorker Stadtteil derart auf den Asphalt gedrückt wird, dass er wenig später stirbt. Das Video der Gewaltanwendung macht im Internet die Runde. Als der verantwortliche Polizist nicht vor Gericht muss, gibt es landsweite Proteste gegen Polizeigewalt in den USA.
Seit dem Vorfall erfährt CopWatch regen Zustrom. Bürger mit Smartphones patroullieren in Großstädten wie New York, Atlanta und Baltimore, um den Umgang zwischen Polizei und Bürgern - und somit mögliche Misshandlungen - auf Video festzuhalten. Obwohl Polizisten oft versuchen, Zivilisten vom Filmen abzuhalten, ist es legal, Beamte an öffentlichen Orten zu filmen, solange man sie nicht bei der Arbeit behindert.
Vertrauen in Polizei sinkt
„Auch wenn Brown, Garner, Sandra Bland und all die anderen Opfer von Polizeigewalt keine Gerechtigkeit mehr sehen, helfen CopWatch-Videos doch dabei, Missstände und Fehlverhalten aufzudecken“, sagt Prichett. In den USA wurden in diesem Jahr einer Statistik des „Guardian“ zufolge bislang 960 Menschen von Polizisten getötet. Zwölf Polizisten sind dem „Wall Street Journal“ zufolge in diesem Jahr wegen ziviler Todesopfer angeklagt worden - mehr als in jedem der letzten zehn Jahre, aber doch nur ein Bruchteil der Tötungsdelikte von US-Polizisten. Das Vertrauen der Bevölkerung sinkt; laut einer Gallup-Umfrage haben lediglich 52 Prozent „viel“ oder „ziemlich viel“ Vertrauen - der niedrigste Stand seit 1993.
Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft Patrolmen's Benevolent Association, Patrick J. Lynch, warnt vor einer Stigmatisierung und Pauschalisierung. Er befürchtet, dass solche Videoaktionen das Verhältnis der Bevölkerung zur Polizei weiter verschlechtern werden. „Es ist unverständlich für alle Polizisten, dass Experten und Journalisten, deren einzige Kompetenz es ist, schnelle Leitartikel zu schreiben, sofort zu dem Schluss kommen, dass die Taten eines Polizisten falsch waren, all dies auf der Grundlage von nichts anderem als einem stummen Video.“
Cop-Watching über Apps
Inzwischen gibt es für das Cop-Watching auch Apps, beispielsweise von Darren Baptiste. Damit können Bürger Begegnungen mit der Polizei filmen und danach das Video direkt ins Internet hochladen. Bisher haben mehr als 16.000 Menschen die App heruntergeladen. Auch immer mehr Polizisten tragen inzwischen Körperkameras, sogenannte „Body Cams“, um sich von ihrer Seite aus gegen die Vorwürfe von Rassendiskriminierung und Gewalt zu behaupten.
Die Frage wird heftig diskutiert, ob CopWatching lediglich das Misstrauen auf beiden Seiten fördert. Die Bürgerrechtlerin Prichett ist anderer Meinung. „Wir schüren kein Misstrauen, sondern geben unterdrückten Gemeinschaften Kontrolle und Selbstschutz. Falls es wirklich dazu kommt, dass es wieder einen Fall wie Garner oder Brown gibt, dann haben wir Beweise, dass sich ein Polizist unrecht verhalten hat. Sonst wäre es nur das Wort eines Schwarzen gegen das eines Weißen. Und da ist das Machtverhältnis bis heute noch ungleich in den USA.“